Eisenbahner: Recht auf Frühpension?

(c) Roland Schlager
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Paukenschlag bei ÖBB-Sonderrechten: Ein Bediensteter klagt sein Anrecht auf Frühpension ein. Laut dem Obersten Gerichtshof könnte das spätere Antrittsalter den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz verletzen.

Wien/Hie/Ett/Red. Während die rot-schwarze Koalition gerade mühsam gesetzliche Vorkehrungen zur Anhebung des faktischen Pensionsalters bei ASVG-Versicherten getroffen hat, gerät jetzt das bereits von der schwarzen-blauen Regierung vor einem Jahrzehnt bei den ÖBB fixierte ÖBB-Pensionspaket massiv ins Wanken. Denn die Anhebung des Pensionsantrittsalters bei den ÖBB könnte verfassungswidrig sein. Das wäre ein schwerer Schlag. Denn damit droht ein Eckpfeiler bei den Bemühungen um einen späteren Pensionsantritt in Österreich einzustürzen. Gerade bei den ÖBB sorgen bisher Pensionssonderrechte für Bedienstete, die bereits länger im Unternehmen sind, für massive finanzielle Belastungen des Bundesbudgets. Für Eisenbahner gilt erst seit 1995 das ASVG-Pensionsrecht.

Die schwarz-blaue Regierung hatte mit den Reformen der Jahre 2001 und 2003 Weichen in Richtung Änderung gestellt. Jetzt aber äußerte der Oberste Gerichtshof dazu verfassungsrechtliche Bedenken. Die Reformen könnten den Vertrauensschutz verletzen, heißt es vom OGH. Grundlage ist eine Klage eines ÖBB-Bediensteten. Er hätte, ausgehend von der alten Rechtslage, schon 2009 in Pension gehen können. Mit der Pensionsreform 2001 wurde sein Antrittsdatum bis Mai 2011 hinausgeschoben. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 verlängerte sich seine Wartezeit bis Mai 2016.

Der Gesetzgeber habe den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz zu beachten. Wenn er bei der Änderung der Rechtslage „plötzlich und intensiv“ in erworbene Rechtspositionen eingreife, verletze der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, heißt es im Schreiben des OGH. Vor allem pensionsnähere Jahrgänge seien von der Erhöhung des Pensionsantrittsalters betroffen. Sieben bis acht Jahre vor dem Eintritt der erwarteten Rechtsposition habe sich für den Kläger eine Verlängerung des Pensionsantritts um fünf Jahre ergeben, betont der OGH.

Das Gericht stellte einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof, die entsprechenden Bestimmungen des ÖBB-Pensionsgesetzes aufzuheben. Das könnte umfangreiche Konsequenzen haben. „Sollte die Übergangsbestimmung fallen, heißt das, dass alle, die sieben bis acht Jahre vor Erreichen des ursprünglichen Pensionsantrittsalters gestanden sind, näherliegende Antrittszeiträume bekommen“, so ein OGH–Sprecher.

Dies würde tausende in den Ruhestand geschickte Eisenbahner grundsätzlich betreffen, war von Expertenseite zu erfahren. Beginnend in der schwarz-blauen Ära waren viele Eisenbahner von den ÖBB betriebsbedingt in Frühpension geschickt worden. Erst zu Beginn dieses Jahres hat Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) ein Ende der betriebsbedingten Frühpensionen bei den ÖBB ausgerufen. Seither müssen für Eisenbahner, für die in bestimmten Bereichen keine Beschäftigung mehr möglich ist, andere Arbeitsplätze gefunden werden.

ÖBB: „Zu früh für Stellungnahme“

Von dem drohenden weitreichenden Urteil des Höchstgerichts wurde die Politik mitten in den Weihnachtsferien überrascht. Auf die Tragweite einer Entscheidung wollte man noch nicht näher eingehen. Im Verkehrsministerium kommentierte man die Entscheidung des OGH verhalten: „Aus momentaner Sicht kann man dazu nichts sagen. Man muss erst abwarten, wie der Verfassungsgerichtshof entscheidet“, heißt es aus der Pressestelle des Ministeriums. So klingt auch der Kommentar der ÖBB: Es sei zu früh, eine Stellungnahme dazu abzugeben, welche Auswirkungen etwaige Gesetzesänderungen haben könnten. „Sollte es zu Änderungen kommen, werden wir selbstverständlich danach handeln“, so eine Sprecherin.

Auf einen Blick

Der OGH hat verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des höheren Pensionsantrittsalters bei den ÖBB, das mit den Reformen der schwarz-blauen Regierung eingeleitet wurde. Die Erhöhung könnte im Fall von pensionsnäheren Jahrgängen den Vertrauensschutz verletzen, so der OGH. Das Gericht stellte einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof, die entsprechenden Bestimmungen des ÖBB-Pensionsgesetzes aufzuheben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2012)

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