"Hub": Mut zum Träumen, Glauben, Handeln

Traeumen Glauben Handeln
Traeumen Glauben Handeln(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im Wiener "Hub" trifft sich die neue Generation sozial denkender Unternehmer zum Arbeiten und Netzwerken in entspannter Café-Atmosphäre. Für die meisten sind soziales Handeln und Gewinnorientierung kein Widerspruch.

Ist es ein Café, ein Arbeitsplatz, ein Veranstaltungszentrum? Im Herzen von „Boboville“, in der Lindengasse im siebten Bezirk, liegt ein Ort, der auf den ersten Blick Rätsel aufgibt. In bester Ruhelage in einem schönen, lichtdurchfluteten Altbau mit hohen Räumen liegt dieser gemeinschaftliche Arbeitsplatz und Treffpunkt für sogenannte Social Entrepreneurs. Das sind Unternehmer, die gesellschaftlich etwas bewegen wollen. „The Hub“ nennt sich dieser Ort, was sich mit „Drehscheibe“, „Umschlagplatz“ oder einfach „Mittelpunkt“ übersetzen lässt. Hier manifestiert sich der Kern einer noch relativ jungen Bewegung, die Idealismus und Pragmatismus zu etwas Neuem verschmelzen lässt.

„To the ones that have the courage to dream, believe and act“, ist auf eine Leiste über der Küche gepinselt, die den weitläufigen Arbeitsraum von jenem Teil des Raumes trennt, der für Veranstaltungen reserviert ist. An einfachen Holztischen verschiedener Größe und Form sitzen junge Leute, großteils Mittzwanziger. Sie tippen in ihre Laptops und wirken auf entspannte Weise konzentriert.

Aufnahmestopp.
Matthias Reisinger ist einer derjenigen, die das Konzept „Hub“ nach Wien gebracht haben. Den Wiener Hub gibt es seit 2010, seit 2011 fungiert er als globales Headquarter. Weltweit gibt es 35 Hubs, 15 weitere sind im Entstehen. Über 250 Mitglieder hat der Wiener Hub derzeit. „Wir wachsen so schnell, dass es vermutlich im März einen Aufnahmestopp geben wird“, sagt Reisinger. Dabei gelten im Hub relativ strenge Aufnahmekriterien. „Unsere Mitglieder sollen unternehmerisch denken und innovative Ideen haben, die gesellschaftlich relevant sind“, bringt es Reisinger auf den Punkt. Der Hub sei nicht einfach ein Co-Working-Space, es gehe hier darum, Gleichgesinnte zusammenzubringen. Wer den Auswahlprozess überstanden hat und bereit ist, einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zu zahlen (der je nach Service zwischen 20 und 300 Euro betragen kann), erhält Zugang zu Netzwerken und Know-how, das Social Businesses in ihrer Start-up-Phase dringend brauchen.

Beerenmarmelade.
Dass eine gute Idee allein zu wenig ist, weiß auch Michael Bauer-Leeb von The good tribe. Sein Produkt nennt sich „zero waste jam“. Es ist Marmelade, die ausschließlich aus Beeren hergestellt wird, die den Weg in den Supermarkt nicht schaffen – aus sogenannter B-Ware, die sonst auf dem Müll landen würde. Seine Vision ist eine müllfreie Gesellschaft. Seine Zielgruppe seien „Lohas“ (Lifestyle of Health and Sustainability), das sind Menschen, die an gesundem Leben und Nachhaltigkeit interessiert sind. „Derzeit bin ich auf der Suche nach Investoren und Förderungen“, sagt Bauer-Leeb, der einen MBA und Master in Finance hat. Sein Plan wäre, das Start-up zur Marktreife zu bringen und es dann „in die Freiheit“ zu entlassen. Idealerweise sollte The good tribe sich zu einer Ausbildungsplattform für sogenannte Zero-waste-Ingenieure entwickeln, die „die Philosophie in die Welt hinaustragen“.

Bauer-Leeb ist ein gutes Beispiel für die Kombination aus nüchternem Geschäftssinn und hehren Zielen, wie sie für die Mitglieder des Hub typisch ist. Ohne Scheu bedient man sich hier des Managementsprechs der Investoren und Business Angels, die man für seine Projekte gewinnen will. Von der Balance zwischen Profit und Impact ist da die Rede, und von der Behebung „negativer Externalitäten“ (der negativen Auswirkungen ökonomischen Handelns), die das Ziel vieler der Sozialunternehmer seien.

Viel Leidenschaft.
Mit der Bekämpfung des immer größer werdenden Müllbergs befassen sich Andrea Lunzer und Sandra Kozeschnik von „Unfold“. Sie entwickeln nachhaltige Verpackungslösungen für Unternehmen. Andrea Lunzer hat Unfold Ende 2011 gegründet, im September ist Sandra Kozeschnik eingestiegen. Die beiden haben sich bei einer Veranstaltung im Hub kennengelernt. „Wir befinden uns noch in der Aufbauphase“, sagt Lunzer. „Man startet mit Ideen und viel Leidenschaft, aber die Umsetzung ist hart. Es braucht einen Visionär und einen, der sich ums Praktische kümmert.“ Das Innovative an Unfold sei, dass es alle Stufen vom Entwurf eines Prototyps bis zur Implementierung abdeckt. Die Hauptaufgabe sei das Vernetzen verschiedener Player. „Wir wollen mehr Designer in den Verpackungsbereich zu holen. Die meisten sind jetzt dort, wo Geld zu holen ist“, sagt Lunzer. Bei Verpackungen herrsche bei vielen Unternehmen aber die Ansicht, dass sie so billig wie möglich sein müssen. Andererseits werde mit Einwegverpackungen auch viel Geld gemacht, obwohl eine Mehrweglösung oft besser wäre. Für Kozeschnik ist der Kontakt zu anderen Start-ups im „Hub“ sehr wichtig. „Der Hub ist einer der kreativsten Co-Working-Spaces in Wien. Wenn man sich beruflich mit der Schaffung von Alternativen beschäftigt, braucht es diese Kreativität.“

Kreative Tankstelle.
Ähnlich sieht das auch Michael Thurow von tm concepts. „Der Hub ist wie eine Tankstelle. Man bekommt frische Gedanken.“ Der studierte Architekt macht Innovations- und Designmanagement für Industrieunternehmen. „Die Bereitschaft, nachhaltig zu wirtschaften, ist bei vielen Unternehmen vorhanden. Man muss nicht mehr so darum kämpfen, sagt Thurow. Im Hub schaut er einmal pro Woche vorbei, viermal in der Woche trifft er sich mit Kunden. Damit ergibt sich für ihn nicht die Gefahr, sich nur im geschützten Raum von Gleichgesinnten zu bewegen: „Mein Realitätssinn ist durch die Sichtweise der Unternehmen, für die ich arbeite, genug gefordert.“ Der Hub sei einfach liebevoller gemacht als andere Co-Working-Spaces: „Heute hat zum Beispiel jemand einen Weihnachtsbaum aus Büchern aufgestellt.“ Auch ein improvisierter Tischtennistisch springt ins Auge. Als Netz dienen zu einer Reihe aufgestellte Audiokassetten. Über einfachen Holztischen in verschiedenen Formen und Größen hängen kunstvoll schief montierte Luster. Ein großes Bord mit Fotos und Kurzbeschreibungen aller neuen Mitglieder.


Business Clinic. Für Besprechungen gibt es zwei abgetrennte Räume, davor ein kleines „Amphitheater“ mit Treppen aus Holz für Workshops wie die „Business Clinic“, bei der die Mitglieder sich von Experten Rat für die Unternehmensgründung- und Finanzierung holen können. Caroline Niknafs, ebenfalls Hub-Mitglied, sieht den starken unternehmerischen Spirit eher kritisch: „Ich will nichts verkaufen“, sagt sie. Mit dem Gesang-, Tanz- und Orchesterprogramm „Superar“ will sie bei Kindern und Jugendlichen Kreativität, Persönlichkeitsentwicklung und Gemeinschaftssinn fördern und für soziale und kulturelle Durchmischung sorgen. Superar arbeitet viel mit Schulen zusammen und finanziert sich über private Sponsoren. „Social Businesses sollten keine Aufgaben übernehmen, die eigentlich Sache des Staates sind“, findet Niknafs.

Kein Sozialabbau. Werner Wutscher, jüngst zum österreichischen „Business Angel of the Year 2012“ gekürt, sieht das anders: „Dass Social Businesses den Sozialabbau fördern, ist Unsinn. Sie füllen eine Lücke, die der Staat in Zukunft einfach nicht mehr füllen kann.“ Nachhaltig könne ein Unternehmen aber nur sein, wenn es auch wirtschaftlich profitabel sei. Auch Caroline Niknafs findet: „Lieber Social Business als nur Business. Aber noch lieber wäre mir ein Umverteilen, bis wir Chancengleichheit haben.“

The Hub

International.Weltweit gibt es 35Hubs, 15 weitere sind gerade im Entstehen. Die Mitglieder des Wiener Hub sind zur Hälfte „Expatriates“.

Tarife. Der Hub ist ein Co-Working-Space mit Mehrwert. Die Tarife reichen von 20Euro bis 300 Euro. Neben einem Arbeitsplatz erhält man Zugang zu einem breiten Netzwerk und Rat von Experten zu Gründung und Finanzierung eines Social Business.

Aufnahmekriterien.Wer Mitglied werden will, sollte sozial denken und eine innovative Geschäftsidee haben. Derzeit hat der Hub in Wien 250 Mitglieder.

Wo?
vienna.thehub.net.

Lindengasse 56, Top 18–19, 1070 Wien

Social Businesses

The good tribe produziert Marmelade aus Beeren, die es nicht in die Supermärkte schaffen. Ultimatives Ziel ist eine müllfreie Gesellschaft.

Unfold findet nachhaltige Verpackungslösungen für Unternehmen. Motto: Lieber Mehrweg als Einweg.

TM concepts bietet nachhaltiges Design- und Innovationsmanagement.

Superar fördert die soziale Integration von Kindern und Jugendlichen mit Tanz, Gesang und Orchester.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2012)

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