Genussmittel: Kleinröster gegen Kaffeeschwindel

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Künstliche Gewichtserhöhung, Etikettenschwindel und gesundheitsschädliche Röstung: Wie sich eine Gruppe von sieben österreichischen Kleinbetrieben gegen die Sünden von Industriekaffee wehren.

Wien. Kaffee, der als Aufguss in den Tassen von Haushalten und Gastronomie landet, hat eine lange Reise hinter sich. Dabei machen viele Bohnen an Stationen halt, von denen die Konsumenten lieber gar nichts wissen wollen.

Eine Gruppe von sieben österreichischen Kleinröstern hat es sich zum Ziel gemacht, die Sünden der Großkonzerne nicht zu wiederholen und sich selbst – vollkommen freiwillig – einem strengen Qualitätsregelwerk zu unterwerfen. Die Bestimmungen, die das österreichische Lebensmittelgesetz dazu kennt, sind nämlich zahnlos. Selbst die wissenschaftlich nachgewiesene Falschetikettierung vermeintlich hochwertiger Kaffees wird von den Behörden bisher ignoriert. Beispiele?

Mittels Laboranalyse untersuchten Arbeiterkammer, Institut für Ernährungswissenschaft und das Wiener Institut für Kaffee-Experten-Ausbildung 21 angeblich sortenreine (Kennzeichnung: 100 Prozent Arabica) Qualitätsröstungen. Fast die Hälfte davon (10) war jedoch mit billigen Robusta-Bohnen verschnitten. Seitens der Gesundheitsbehörden geschah bisher jedoch nichts.

„Das Problem ist, dass von den großen Lebensmittelkonzernen auch viel Müll in Bezug auf Kaffee produziert wird“, glaubt Oliver Groissböck, Chef des gleichnamigen Wiener Traditionskonditors und -rösters. Gemeinsam mit sechs Mitbewerbern wird er ab kommender Woche das selbst entworfene Gütesiegel „Qualitätsröster“ tragen. Die Kontrollen für die Voraussetzung zum Tragen dieses Siegels wird das Institut für Kaffee-Experten-Ausbildung unter der Leitung des Wiener Kaffee-Experten Leopold Edelbauer durchführen. Neben der – ehrlichen – Kennzeichnung „100 Prozent Arabica“ verpflichten sich die Mitglieder zu folgenden Kriterien:

► Kein Spritzen: Um die Bohnen nach dem Rösten schnell abzukühlen, werden diese in industriellen Vorgängen mit Wasser abgekühlt (gespritzt). Forscher der Universität Wien wiesen nach, dass dabei eine Vielzahl an Aromastoffen verloren geht. Zusätzlich wird dadurch das Gewicht der Bohnen erhöht. Der Konsument zahlt also auch das Wasser. Die Qualitätsröster verzichten auf diese Praxis.

► Kein Vaporisieren: Bei diesem Vorgang wird ungerösteter Rohkaffee mit heißem Wasserdampf benetzt. Damit ist es möglich, weniger schmackhafte und billige Sorten genießbar zu machen. Großhändler bieten die Vaporisierung der Bohnen ihren Kunden seit vielen Jahren als Zusatzdienstleistung an.

► Anbringen des Röstdatums: Per Gesetz liegt das Mindesthaltbarkeitsdatum bei Kaffee bei 24 Monaten. Für den Geschmack entscheidend ist jedoch das Datum der Röstung. Gerösteter Kaffee verändert sich nämlich permanent, er oxidiert, beinhaltet eine Reihe zum Teil sehr flüchtiger Inhalts- und Aromastoffe. Das bedeutet: Nur frisch gerösteter Kaffee schmeckt auch gut. In einer Arbeit wies das Institut für Ernährungswissenschaft nach, dass bereits wenige Monate alter Röstkaffee mitunter unangenehme Geschmacksstoffe entwickeln kann.

► Wiener Röstung: „Man brenne die Bohne nicht zu schwarz, es schadet ihr“, schrieb 1685 der österreichische Offizier Luigi Fernando Marsigli in sein Tagebuch. Heute weiß die Wissenschaft, dass eine schwarze (italienische) Röstung erstens die antioxidativen Eigenschaften des Kaffees mindert und zweitens die Entstehung der möglicherweise krebserregenden Substanz Acrylamid fördert. Die Qualitätsröster verpflichten sich daher bei allen Sorten zur schonenden mittleren (= Wiener) Röstung.

Was die sich selbst zu Qualitätsröstern ausgerufenen Unternehmen mit der Initiative erreichen wollen? Marktanteile und ein Stück mehr Verständnis bei den Kunden für österreichische Kaffeetradition. „Es ist ein Jammer“, sagt Monika Hauswirth, Nachwuchsrösterin aus Eisenstadt, „dass Kaffee ausgerechnet hierzulande fast nur noch mit italienischem Flair verkauf wird.“

WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.qualitaets-roester.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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