Der Sozialist als der bessere Kapitalist

Sozialist bessere Kapitalist
Sozialist bessere Kapitalist(c) Dapd (Ronald Zak)
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Gusenbauer, Androsch, Klima, Ederer und Genossen: Für manche bleibt der Kapitalismus lebenslang ein Feindbild, andere wechseln ins feindliche Lager, um dort ihr Glück zu versuchen – nicht selten mit Erfolg.

Nach seinem Tod hinterließ er Aktien im Wert 22.600 Pfund, nach heutigen Maßstäben knapp drei Millionen Euro. Bevor er sich als Privatmann erfolgreich auf das Spekulieren an der Börse beschränkte, hatte er die familieneigene Baumwollmanufaktur gemanagt. Er las den „Economist“, denn die sozialistische Presse hielt er für einen schlechten Ratgeber. Und notierte: „Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen ist, hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt.“ Er musste es schließlich wissen – als Bourgeois und Revolutionär. Die Rede ist von Friedrich Engels, Entrepreneur und Ahnvater des Sozialismus, dem die nicht gerade marxistische „Frankfurter Allgemeine“ unlängst ein Porträt mit dem Titel „Der Kapitalist“ gewidmet hat.

Erstaunlicherweise entpuppen sich Sozialisten nicht selten als die erfolgreicheren Kapitalisten. Der Ko-Verfasser des „Kommunistischen Manifests“ ist wohl das herausragendste Beispiel für jene seltsame Kombination aus linker Weltanschauung und bürgerlicher Lebensführung.

Auch wenn es angesichts des Finanzskandals in Salzburg, der ja an der Schnittstelle zwischen Kapitalismus und Sozialdemokratie angesiedelt ist, frivol erscheinen mag: Gerade Österreich ist ein gutes Beispiel für diese These. Welche ehemaligen Bundeskanzler haben nach Ende ihrer Politkarriere jede Menge Geld in der freien Marktwirtschaft verdient bzw. tun es noch immer? Die Sozialdemokraten Viktor Klima und Alfred Gusenbauer.

Hinzu kommen Ex-Vizekanzler Hannes Androsch, der es zum angesehenen Industriellen gebracht hat, die frühere SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer, die erst Siemens Österreich geleitet hat und heute als Vorstand in Deutschland die gesamten Personalagenden überhat. Oder auch die ehemaligen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Dietmar Ecker oder Josef Kalina, die heute gut gehende PR-Agenturen betreiben.

Viktor Klima war bis zum Vorjahr Chef von VW Südamerika, nach einer Herzoperation zog er sich aus dem Geschäft zurück. Über zwei Jahrzehnte hatte er die Niederlassung des Volkswagen-Konzerns, zuerst nur für Argentinien, dann für den ganzen Kontinent geleitet. Nebenbei beriet er den früheren Präsidenten Nestor Kirchner in wirtschaftspolitischen Fragen.

Auf seine Weise noch umtriebiger in der Welt des Kapitalismus ist Alfred Gusenbauer unterwegs – beinahe wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Erst jüngst sorgte der Exkanzler mit der Übernahme des insolventen Traditionsunternehmens Backhausen für Aufsehen. Zu genau diesem Zweck – der Sanierung maroder Unternehmen – hatte er zuvor mit drei Partnern, dem Anwalt Leopold Specht, dem Investor Alon Shklarek und dem Berater Andreas Frech, die „Cudos Advisors GmbH“ gegründet. Gusenbauer hält 25Prozent an dieser Risikokapitalgesellschaft – über seine Gusenbauer Projektentwicklungs- und Beteiligungs- GmbH, die zu 100 Prozent in seinem Eigentum steht. Laut „Kurier“ wies die „Ich-AG“ von 2009 bis 2011 einen Bilanzgewinn von 3,2 Mio. Euro aus.

Er sei kein Kapitalist, sagt Gusenbauer, nebenbei unter anderem Strabag-Aufsichtsratschef und Beirat in der Signa-Holding. Er sei Unternehmer und Anhänger einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. „Wir Sozialdemokraten waren ja nie gegen die Marktwirtschaft“, meint Gusenbauer, der seinen Genossen rät, stets mitzubedenken, welche Auswirkungen die Besteuerung von Unternehmen auf das Wirtschaftswachstum hätte.

Und die Bürgerlichen? Nun hat es zwar auch ein früherer ÖVP-Chef wie Josef Taus zum erfolgreichen Großindustriellen gebracht, doch bei bürgerlichen Politikern verwundert dies weniger, man geht eigentlich davon aus, dass solch ein Weg nach der Politik vorgezeichnet ist. Und selbst aus der Masse herausragende Vertreter des bürgerlichen Lagers der jüngeren Vergangenheit, wie Wolfgang Schüssel, aber auch Karl-Heinz Grasser, haben nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung in der freien Wirtschaft bei Weitem nicht so Fuß fassen können (oder wollen) wie die eingangs erwähnten sozialdemokratischen Expolitiker.

Woran liegt das nun also? „Weil wir Sozialdemokraten offensichtlich gelernt haben, auf verschiedenste Interessen Rücksicht zu nehmen, jene der Arbeitnehmer und auch jene der Unternehmer“, meint Alfred Gusenbauer. Außerdem gibt es schon auch ein psychologisches Moment, wie Dietmar Ecker zugibt: In der Politik werde man als Sozialdemokrat von der bürgerlichen Konkurrenz schon öfter verhöhnt, dass man nicht wirtschaften könne. Dann möchte man als Unternehmer oder Manager zeigen, dass man es doch kann. „Das ist wie bei Menschen mit einem körperlichen Handicap. Die strengen sich auch mehr an und bringen in speziellen Bereichen dann auch höhere Leistungen“, so der Ex-SPÖ-Geschäftsführer, der heute als PR-Berater mit zwei Firmen (Ecker & Partner sowie Ecker & Partner Media) und etlichen Beteiligungen rund 70 Mitarbeiter hat.

Und man sollte auch die Sozialisation in sozialdemokratischen Jugendorganisation nicht außer Acht lassen: Neben der Theorieausbildung lerne man dort systematisch zu denken, das Umfeld zu analysieren und die soziologischen Folgen zu bedenken. „Damit tut man sich auf dem Markt dann leichter.“

Viele Sozialdemokraten kennen mit der Zeit den Kapitalismus besser als viele Bürgerliche – weil sie sich eben die ganze Zeit mit ihm beschäftigen. Siehe Karl Marx. Für manche bleibt er dann auch lebenslang ein Feindbild, andere wiederum wechseln ins feindliche Lager, um dort ihr Glück zu versuchen – nicht selten mit Erfolg.

Exmarxist in Salzburg.
Einer von ihnen ist Willi Hemetsberger. In jungen Jahren Revolutionär beim „Roten Börsenkrach“, später hauptberuflich „Spekulant“, als Investmentbanker bei der City Group in London und als Vorstand bei der Bank Austria. Noch heute ist er bei jedem 1.-Mai-Aufmarsch dabei. Derzeit durchforstet Hemetsberger, der sich mit seiner Beratungsfirma Ithuba selbstständig gemacht hat, die Finanzen des Landes Salzburg. So könnte ein Kapitalist aus den eigenen Reihen den Schaden für die Sozialdemokratie noch halbwegs begrenzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2013)

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