Immofinanz-Prozess beginnt ohne Ex-Vorstand Gertner

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Vier Angeklagte stehen wegen des Vorwurfs der Untreue und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht. Das Verfahren gegen den erkrankten Gertner wird ausgeschieden.

Der Immofinanz-Strafprozess hat heute Dienstag am Landesgericht in Wien begonnen. Richterin Claudia Moravec-Loidolt eröffnete die Hauptverhandlung gegen Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics, seinen früheren Vorstandskollegen Christian Thornton, den ehemaligen Vize-Aufsichtsratschef der Constantia Privatbank, Helmut Schwager, sowie den Treuhänder Ernst Hable. Der fünfte Angeklagte, Ex-Immofinanz-Vorstand Norbert Gertner, ist wegen einer Erkrankung nicht vor Gericht erschienen und wurde von seinem Anwalt entschuldigt. Die Richterin schied daraufhin zu Beginn der Verhandlung das Verfahren gegen Gertner "zur Vermeidung von Verzögerungen" aus.

Der Schwager-Anwalt Georg Zanger hat bereits zu Prozessbeginn einen Befangenheitsantrag gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen Gerhard Altenberger eingebracht. Der Anwalt beantragte die Nichtverlesung und die Nichterörterung des Gutachtens bzw. "die Nichtzulassung des Sachverständigen" im Hinblick auf "verfassungsrechtliche Bedenken". Zanger monierte unter anderem, dass zwar die Wiederbestellung des Sachverständigen aus dem Ermittlungsverfahren im Hauptverfahren konform mit der österreichischen Strafprozessordnung sei, nicht aber mit dem Grundsatz der Waffengleichheit, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert sei. Zanger betonte, dass schon der Anschein einer Befangenheit des Sachverständigen nach der Rechtsprechung ausreichend für dessen Abberufung sei.

Verlesung von Privatgutachten gefordert

Außerdem forderte Zanger die Verlesung der Privatgutachten von der Angeklagtenseite der Experten Thomas Keppert, Heinz Krejci und Marc Steffen Rapp bzw. die Beiziehung dieser Experten als gerichtliche Sachverständige. Darüber hinaus stellte Zanger den Antrag, die genannten Experten als Zeugen zu laden. Sollten diese Anträge abgewiesen werden, will Zanger diese Vorgehensweise als Nichtigkeitsgrund im Verfahren rügen, geht aus dem Antrag hervor. Richterin Moravec-Loidolt sagte, sie werde später über den Befangenheitsantrag entscheiden.

Die Vorwürfe gegen die nunmehr nur mehr vier Angeklagten lauten auf Untreue und auf "Bildung einer kriminellen Vereinigung", die Strafdrohung liegt bei bis zu zehn Jahren Haft. Es geht um Aktienoptionsgeschäfte, mit denen sich die früheren Immofinanz-Manager laut Anklage ohne Zustimmung des Aufsichtsrats auf Kosten des Unternehmens bereichert haben sollen. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Die Causa wurde aus dem gesamten Immofinanz-Komplex, in dem es um den Vorwurf von Anlagebetrug geht, herausgelöst und wird nun separat verhandelt. Bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung.

Beachtliches Vermögen der Angeklagten

Zu Verhandlungsbeginn wurden die Angeklagten von der Richterin zu ihren Personalien und ihren Finanzen befragt. Petrikovics schilderte seine Besitztümer im Detail. Insgesamt habe er rund 30 Millionen Euro, "wenn ich diesen teuren Prozess gewinne", fügte er hinzu. Als Angestellter der S&F Immobilien GmbH verdiene er derzeit 2400 Euro netto. Reicher als Petrikovics ist der mitangeklagte Ernst Hable, früher Steuerberater und als Treuhänder tätig. In einer von ihm und seiner Frau gegründeten Stiftung liegen "40 bis 45 Millionen Euro", die Stiftung sei aber "eigentümerlos", betonte Hable. Dazu kommen noch rund 900.000 Euro in Wertpapieren.

Der mitangeklagte Helmut Schwager verwies darauf, sein Vermögen sei "alles vom Staatsanwalt blockiert". Drei Millionen Euro habe er in Wertpapieren, weiters drei Vorsorgewohnungen und Anteile an vier Mietshäusern.   Vergleichsweise bescheiden präsentierte der mitangeklagte Christian Thornton seine Vermögenslage: Er habe kein Liegenschaftsvermögen, 100.000 Euro Barvermögen und 20.000 Stück Immofinanzaktien, aktueller Wert 65.000 Euro. Als Selbstständiger in der Immobilienbranche verdiene er monatlich rund 4500 Euro.

Großes Medieninteresse

Das Interesse von Medien und Öffentlichkeit an dem ersten Strafprozess rund um den börsenotierten Immobilienkonzern ist recht groß, besonders der Hauptangeklagte Petrikovics stand vor Verhandlungsbeginn im Blitzlichtgewitter.

Die Richterin hat die Hauptverhandlung für neun Prozesstage bis 20. Februar angesetzt. Staatsanwalt Volkert Sackmann stützt seine Anklage auf ein Gutachten des Sachverständigen Gerhard Altenberger. Unter den geladenen 19 Zeugen sind Turnauer-Erbin Christine de Castelbajac, früher Eigentümerin der Constantia Privatbank, Ex-Wienerberger-Chef Erhard Schaschl, Ex-CA-Generaldirektor Guido Schmidt-Chiari und der ehemalige Aufsichtsratschef der Constantia Privatbank, Prinz Michael von und zu Liechtenstein.

(APA)

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