Immofinanz-Krimi: Nur Rechenfehler?

Karl Petrikovics
Karl Petrikovics (c) APA HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Ex-Konzernchef Karl Petrikovics und vier Mitangeklagte müssen sich wegen Untreue mit Aktienoptionsgeschäften verantworten. Die Verteidigung kritisiert den Gutachter.

Wien/Eid. So viele Journalisten und Adabeis sah man zuletzt beim Bawag-Prozess. Immerhin startete gestern, Dienstag, der Immofinanz-Prozess. Genau genommen geht es vorerst um ein Detail - bestimmte Aktienoptionsgeschäfte - in dem umfangreichen Verfahren um Anlegerbetrug und Marktmanipulation. Aber die Vorgänge in dem von Karl Petrikovics in Personalunion geführten Firmengeflecht um die Constantia Privatbank und die von ihr gemanagte Immofinanz und Immoeast gelten inzwischen als „Mutter aller Wirtschaftskrimis". Erst die 2008 gestarteten Ermittlungen in der Causa Immofinanz brachten die Buwog-Affäre und den Telekom-Skandal ans Tageslicht.

Auf Petrikovics konzentriert sich auch am Tag eins des von Richterin Claudia Moravec-Loidolt bis 28. Februar anberaumten Prozesses das Blitzlichtgewitter: Der Mann, der einst das Firmenimperium als „Diktator" dominiert hatte, wie Mitarbeiter in den Ermittlungen zu Protokoll gaben, nimmt es jedoch mit Pokerface. Obwohl ihm bis zu zehn Jahre Haft drohen. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm und vier Mitangeklagten, den Ex-Vorständen Norbert Gertner und Christian Thornton, Ex-Aufsichtsrat Helmut Schwager und Ex-Steuerberater Ernst Hable, Untreue und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Sie sollen mit - vom Aufsichtsrat nicht genehmigten - Aktienoptionsgeschäften der Constantia Privatbank (CPB) und den Immobiliengesellschaften einen Schaden von 32 Mio. Euro zugefügt haben.

Vorwurf der Bereicherung

„Petrikovics, Gertner und Schwager verfolgten das Ziel, sich selbst im größtmöglichen Ausmaß, ohne Rücksicht auf die Interessen der von ihnen vertretenen Gesellschaften und Anleger unrechtmäßig zu bereichern", bringt Staatsanwalt Volker Sackmann in seiner Anklageschrift die Vorwürfe auf den Punkt. Die Beschuldigten (für die die Unschuldsvermutung gilt) hätten kein eigenes Geld investiert und auch kein wirtschaftliches Risiko getragen.
Noch bevor Sackmann beginnt, die Anklage und den komplizierten Sachverhalt mit Hilfe verschachtelter Diagramme zu schildern, kommt der erste Paukenschlag: Schwagers Anwalt Georg Zanger schießt sich auf den von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen Gerhard Altenberger ein. Zanger geht es nicht nur darum, dass gegen Altenberger selbst gerade (in der Causa Birnbacher) ein Verfahren läuft. Zanger moniert auch den Umstand, dass Altenberger sowohl im Ermittlungs- als auch jetzt im Hauptverfahren als Gutachter fungiert. „Das widerspricht dem Grundsatz der Waffengleichheit."

Kaum vertröstet Moravec-Loidolt Zanger mit der Entscheidung auf den Befangenheitsantrag, legt Sackmann los. Seit 2010 ermittle er in dem Fall und befinde sich in einer anderen Welt: „Ich habe 800 Gesellschaften gefunden und 280 Gigabyte Daten gesammelt."

Im konkreten Fall hat Sackmann „fingierte Geschäfte" mit Aktienoptionen gefunden, die Petrikovics, Gertner (er ist krank, sein Verfahren wurde ausgeschieden), Thornton und Schwager über den Treuhänder Hable abgewickelt haben sollen. Unter dem Vorwand von vier angeblich 2004 und 2005 eingeräumten, tatsächlich aber erst 2006 ausgestellten Optionen sollen sie nicht nur von Kursgewinnen profitiert, sondern auch - über Scheinrechnungen - hohe Honorare kassiert haben.

Wette nach dem Zieleinlauf

Von einer „Wette nach dem Zieleinlauf" könne keine Rede sein, kontert Petrikovics-Anwalt Otto Dietrich. Es habe weder „Scheingeschäfte" noch „Vordatierungen" gegeben. Und überhaupt: „Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, die Sie, Herr Staatsanwalt missen lassen, liegt hier kein relevanter Schaden vor, einen Schaden kann man nur bei formalistischer Betrachtungsweise sehen", meinte Dietrich. Überhaupt basiere der Schaden nur auf einem „Rechenfehler".

Die Vereinbarung über die Optionen sei zwar rückdatiert worden, das sei aber nicht strafrechtlich relevant, weil die eigentliche Vereinbarung ja zuvor mündlich tatsächlich so getroffen worden sei. Außerdem habe es für die Aktiengeschäfte sehr wohl einen Aufsichtsratsbeschluss gegeben, betonte Dietrich.

Dass Petrikovics, Gertner und Schwager 2008 insgesamt 8,66 Mio. Euro zurückgezahlt haben, wertet die Staatsanwaltschaft als Indiz für die Schuld. Dietrich interpretierte das naturgemäß anders: „Sie wollten sich nicht nachsagen lassen, sie hätten die Constantia Privatbank geschädigt." Überhaupt hätten sie hauptsächlich nicht im eigenen, sondern im Interesse der Unternehmen gehandelt.

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