Ex-Konzernchef traf allein alle Entscheidungen in dem verzweigten Firmengeflecht. Das wurde auch nicht hinterfragt. Jetzt fühlt sich Ex-Vorstand Christian Thornton „benützt“ und „belogen“.
Wien/Eid. Es war eine Konstruktion, die ihresgleichen suchte: Man brauchte ein großes Leintuch, um das hunderte Firmen umfassende Imperium der Constantia Privatbank (CPB) und der von ihr gemanagten Immofinanz und Immoeast darzustellen. Die Übersicht über diese „Leintuchgesellschaften“ dürfte schwierig gewesen sein – auch für Führungskräfte. Aber das war ohnedies nicht notwendig, denn nur einer hatte die Fäden in der Hand und bestimmte über alle Entscheidungen: Karl Petrikovics.
Wie sehr – das brachte Richterin Claudia Moravec-Loidolt am zweiten Tag des Immofinanz-Prozesses auf den Punkt: „Sie hatten den Ruf eines Sonnengottes“, hielt sie Petrikovics die Aussagen ehemaliger Mitarbeiter vor. Der wegen Untreue in Zusammenhang mit Aktienoptionsgeschäften angeklagte Petrikovics wehrte sich nicht gegen die Bezeichnung. Als Chef sei es „ganz normal“, die Geschehnisse in einem Unternehmen zu bestimmen. Wie aber in so vielen – immerhin habe er in 183 Firmen Funktionen innegehabt –, will Moravec-Loidolt wissen. Womit wir wieder beim verzweigten Firmengeflecht wären, um das es am gestrigen Mittwoch vor allem ging. Denn über einige dieser Firmen – die Leascon und die CPB CFC – sind jene Geschäfte mit Aktien und Optionen abgewickelt worden, mit denen sich die Anklage beschäftigt.
Interesse an Immobilien
Angefangen hat alles, als die zum Imperium des Industriellen Herbert Turnauer gehörende CPB ins Immobiliengeschäft eingestiegen ist. Das kam nicht von ungefähr, denn „Immobilien haben mich schon immer fasziniert“, sagte Petrikovics. Außerdem wollte man die „Jahrtausendchance“ Ostöffnung nützen. Da für jede Großimmobilie eine eigene Objektgesellschaft gegründet wurde, kam die Fülle an Firmen zustande, so Petrikovics.
Steuerliche und bilanztechnische Gründe seien ausschlaggebend gewesen, dass zwischen CPB, Immofinanz, Immoeast und die Tochterfirmen zwei Zwischenholdings (Ibag und CPB Aktiengesellschaft für Unternehmensbeteiligungen) mit den zwei liechtensteinischen Stiftungen Camilla und Stephanie eingezogen worden sind. Infolge der Erhöhung der Kapitalerfordernisse bei Banken Mitte der 1990er-Jahre hätte die CPB nämlich hunderte Millionen mehr Eigenkapital gebraucht, um die zahlreichen Immofirmen wie vorgeschrieben voll zu konsolidieren.
Die am Sitz von Prinz Michael von Liechtenstein (er war CPB-Aufsichtsratschef) angesiedelten Stiftungen seien auch nie auf Gewinn ausgelegt gewesen, erklärte der mitangeklagte Ex-Aufsichtsrat Helmut Schwager. Der Berater und enge Vertraute der Familie Turnauer unterwarf sich genauso dem „Mastermind“ Petrikovics wie der ebenfalls angeklagte Vorstand Christian Thornton, der das Rechnungswesen aller Gesellschaften (außer jenem der CPB) verantwortete. „Ich hatte gar kein Pouvoir“, meinte Thornton, „ich hätte nicht einmal einen Computer ohne sein Okay (das von Petrikovics, Anm.) kaufen können.“ Warum er das nicht hinterfragt habe, will die Richterin wissen. Das sei seit vielen Jahren so gelebt worden – auch vom Wirtschaftsprüfer, der maßgeblich am Konstrukt beteiligt gewesen war. Und: „Ich habe ihm vertraut.“ Erst später, nach dem Aktenstudium, habe sich das geändert. „Jetzt, im Nachhinein, fühle ich mich benützt und belogen“, meinte Thornton verbittert.
Auf einen Blick
Im Immofinanz-Prozess wurden am Mittwoch die Beschuldigten erstmals befragt. Dabei kam die dominierende Rolle von Ex-Konzernchef Karl Petrikovics klar zum Ausdruck.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)