Österreicher zahlten jahrelang zu viel für Milchprodukte

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oesterreicher zahlten jahrelang viel(c) Erwin Wodicka wodicka aon at (Erwin Wodicka wodicka aon at)
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Der Molkereiriese Berglandmilch muss wegen Preisabsprachen mit Lebensmittelhändlern 1,1 Millionen zahlen. Die Razzia bei Spar geht weiter.

Das Kartellgericht hat den Molkereieisen Berglandmilch kürzlich zu einer Millionenstrafe verdonnert hat. Der Grund waren jahrelange vertikale Preisabsprachen, teilte das Oberlandesgericht (OLG) Wien, das in dem Fall als Kartellgericht fungierte, am Freitag mit. Von 2006 bis 2012 hat Berglandmilch demnach die Endverkaufspreise "mit und zwischen mehreren Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels" abgestimmt. Daher hat das Kartellgericht eine Geldbuße in Höhe von 1,125 Millionen Euro gegen Berglandmilch verhängt - es war dies jene Summe, die die BWB beantragt hatte. Der Entscheid wurde im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung am 23. Jänner verkündet, ist also rechtskräftig.

Eine vertikale Preisabsprache liegt dann vor, "wenn ein Großlieferant seinen Vertragspartnern, die an den Endkonsumenten verkaufen, vorschreibt, wie hoch die Preise sein müssen", erläuterte OLG-Sprecher Reinhard Hinger. Am Ende bezahlte der Verbraucher im Supermarkt also zu viel für Milchprodukte.

Berglandmilch nennt "Partner" nicht

Um welche Lebensmittelgeschäfte es sich handelte, wollte Berglandmilch-Chef Josef Braunshofer der APA auf Anfrage nicht sagen; nur so viel: "Wir sind in Österreich tätig und liefern an unsere Kunden. Diese sind in Österreich tätige Handelsketten." Braunshofer bestätigte, dass er bereits vergangenes Jahr eine "Anfrage" von der BWB bekommen hatte, die man dann beantwortet habe. "Es hat bestimmte Grauzonen gegeben. Man hat mit den Behörden diskutiert, was im rechtlichen Rahmen war und was nicht mehr."

BWB-Sprecherin Haubner bestätigte der APA, dass es im Vorjahr Razzien "im Molkereibereich" gab, bei welchen Firmen, sagte sie aber nicht. Der "Kurier" nennt neben Berglandmilch Kärntnermilch und Vorarlberg Milch, beide Unternehmen waren am Freitag vorerst nicht zu erreichen. Gefilzt wurde dem Bericht zufolge auch das Molkerei-Vertriebsunternehmen Concept fresh, das gegenüber der APA keine Stellungnahme abgeben wollte.

Bald könnte es noch weitere Razzien geben, laut "Kurier" liegen beim Kartellgericht noch mehrere Durchsuchungsanträge bei Lebensmittelproduzenten. Die BWB wollte sich dazu nicht äußern.

Razzia bei Spar geht weiter

Die Hausdurchsuchungen bei der Lebensmittelkette Spar dürften sich "wahrscheinlich" übers Wochenende fortsetzen, sagte BWB-Sprecherin Veronika Haubner der APA am Freitag. Dass es nächste Woche weitergeht, kann sie "nicht ausschließen". Die Wettbewerbshüter vermuten Preisabsprachen bei einer "breiten Palette von unterschiedlichsten Produkten", besonders haben sie aber Milchprodukte im Visier.

Momentan seien die Ermittler im Lebensmittelbereich nur bei "einem Unternehmen" - also Spar - im Einsatz. Spar bestätigte der APA am Freitag, dass man die BWB weiterhin im Haus hat. Seit Mittwoch sind die Ermittlungen in der Salzburger Unternehmenszentrale nun im Gange.

Rewe verbucht Teilerfolg

Vor knapp einem Jahr rückten die Ermittler beim Konkurrenten Rewe aus, ganze acht Arbeitstage dauerte die BWB-Razzia. Der Konzern (Billa, Merkur, Adeg) hat das Vorgehen der Wettbewerbshüter massiv kritisiert und ging auch rechtlich mit zwei Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor. Mit einer blitzte Rewe ab, bei der zweiten sah die Justiz bei einem Bescheid Gesetzesverletzungen, geht laut "Standard" (Freitag) aus Akten des Gerichtshofs hervor.

Rewe hat am Standort Wiener Neudorf, wo die Razzien stattgefunden haben, 34 Gesellschaften gemeldet. Die Anwälte monierten später ein "exzessives Überschreiten" des Durchsuchungsbefehls. Laut VfGH sind dem Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) bei der 7. bis zur 34. Gesellschaft "grobe Begründungsfehler" unterlaufen, "die den Bescheid mit Willkür behaften". Der UVS Niederösterreich "muss jetzt einen Ersatzbescheid ausstellen", meint dazu Haubner.

AK sieht sich bestätigt

Die Wettbewerbshüter verdächtigen den Lebensmittelhandel sowohl vertikaler als auch horizontaler Preisabsprachen. Die Arbeiterkammer jedenfalls fühlt sich durch die Strafe gegen Berglandmilch bestätigt: "Damit erhärtet sich unser lange gehegter Verdacht, dass es Absprachen in der Lebensmittelbranche gibt, um von den KonsumentInnen einen saftigen Österreich-Aufschlag zu kassieren", so AK Präsident Herbert Tumpel. Er rief außerdem die BWB auf, ihre Entscheide offenzulegen; das OLG Wien hat die Strafe gegen Berglandmilch heute erst in Folge entsprechender Medienberichte betätigt.

Den von der AK wiederholt kritisierten "Österreich-Aufschlag" gegenüber Deutschland verteidigte Berglandchef Braunshofer: "Wir haben flächendeckend gentechnikfreie Milch aus kleinstrukturierter bäuerlicher Landwirtschaft." Nicht nur die Bauern, auch die Molkereien seien hierzulande kleiner als in Deutschland, daher sei die Produktion in Österreich teurer. Er findet es "zu eindimensional, wenn nur der Preis das Kriterium eines Lebensmittels ist".

Berglandmilch ("Lattella", "Schärdinger", "Tirol Milch") ist Österreichs größte Molkerei und setzte 2012 rund 830 Millionen Euro um, die Hälfte davon im Ausland. Firmensitz ist Wels.

(APA)

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