Fairtrade: "Konzerne sind nicht unsere Feinde"

Fairtrade Konzerne sind nicht
Fairtrade Konzerne sind nicht(c) AP (Hermann J. Knippertz)
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Fairtrade Österreich wird 20 Jahre alt. Fairtrade-Chef Hartwig Kirner im Interview über gute Großkonzerne, Agrarsubventionen und den Irrtum, Fairtrade vergebe Almosen.

Die Presse: Bevor Sie Chef von Fairtrade Österreich wurden, haben Sie bei Coca-Cola und Procter & Gamble gearbeitet. Vermissen Sie heute etwas aus dieser Zeit?

Hartwig Kirner: Vermissen tue ich hier relativ wenig, weil ich bei Fairtrade nach wie vor mit Handelsunternehmen zu tun habe. Die Internationalität ist sogar noch stärker, weil wir nicht nur in Europa vernetzt sind, sondern global. Das Einzige, das mir vielleicht abgeht, ist das Gehalt.

Früher war das Motto von Fairtrade: „Gegen die Marktmacht der Großkonzerne“. Mittlerweile verkauft zum Beispiel Starbucks fairen Kaffee. Wie passt das zusammen?

Man muss die Gefahren schon klar sehen. Fairtrade darf keinen Etikettenschwindel akzeptieren. Wir müssen die Integrität des Siegels erhalten und darauf achten, dass die Standards eingehalten werden. Ich sehe diese Entwicklung aber als Chance, weil man nur mit Großunternehmen wirklich strukturelle Änderungen durchführen kann. Es ist gut, wenn man mit kleinen Partnern arbeitet, aber große Konzerne haben einfach einen größeren Hebel. Konzerne sind nicht unsere Feinde. Wir wollen versuchen, gemeinsam mit ihnen die Lieferkette gerechter zu machen. Und da sind wir als Partner willkommen und auch akzeptiert. Wir müssen nicht mit dem Rammbock Türen einlaufen, die Türen stehen uns offen.

Studien zeigen, dass bei Kaffee nur zehn bis 20 Prozent des Verkaufspreises bei den Produzenten ankommen. Ist das dann wirklich noch Fair Trade?

Kaffee ist ein verarbeitungsintensives Produkt. Die Röstung ist ein energieintensiver Prozess, der hohe Kosten verursacht. Man muss die Handelsspanne reinrechnen, den Transport, auch die Händler in Österreich haben ihre Kosten. Es ist also eine Vielzahl von Wertschöpfungsstufen nachgelagert. Unser Ziel muss es sein, dass dem Druck auf das erste, schwächste Glied in der Wertschöpfungskette, auf die Kaffeebäuerinnen und -bauern, entgegengesteuert wird. Es sollen auch hier in Europa faire Preise erzielt werden können.

Mehr als zehn bis 20 Prozent für die Bauern sind also nicht drinnen?

Natürlich wünschen wir uns, dass ein höherer Teil der Wertschöpfungskette an die Produzenten geht. Man muss aber auch realistisch sehen, dass jedes Glied in der Kette verdienen will. Niemand soll gratis arbeiten müssen. Es soll auch in Europa faire Preise geben.

Kritiker beanstanden, dass den Bauern in den ärmsten Entwicklungsländern mit Fairtrade nicht geholfen wird.

Fairtrade ist kein Almosenkonzept. Es ist ein handelsbasiertes Konzept. Das heißt, nur dann, wenn jemand Produkte verkaufen kann, kann er am Handel teilhaben. Ein Subsistenzbauer, der mit einem halben Hektar Land gerade einmal Lebensmittel für seine Familie anbauen kann, aber keine Cash Crops, der kann natürlich auch mit Handel keinen Wohlstand stiften, weil er selbst alles aufbrauchen muss. Mit einem halben Hektar Land wird man auch nicht reich, wenn man die Waren zu einem guten Preis verkaufen kann. Bei Fairtrade geht es um Handel, um gerechtere Handelsstrukturen und nicht um Spenden.

Kann Fairtrade überhaupt nachhaltig etwas verändern, solange in der EU, zum Beispiel in Österreich, die Landwirtschaft subventioniert wird?

Die wichtigste Änderung wäre ganz sicher, das globale Agrarregime, entweder Protektionismus oder den freien Markt, so zu gestalten, dass er insgesamt fairer wird. Also nur Exporte zu erlauben und bei Importen auf die Bremse zu steigen, ist zum Beispiel extrem unfair. Oder für nicht verarbeitete Waren keine Schutzzölle zu verlangen, für verarbeitete Waren aber schon.

Sollte man Zölle also abschaffen?

Grundsätzlich sind Subventionen in der Landwirtschaft dann kein Problem, wenn man damit nicht andere Märkte stört. Die regionale Förderung von Kleinbauern in Österreich ist sehr begrüßenswert. Exportsubventionen, um afrikanische Märkte zu erschließen, sind es nicht. Für mich ist Fairtrade aber vor allem ein privater Ansatz, der auf einer privatwirtschaftlichen Initiative basiert. Wir warten nicht auf die große Lösung von oben, sondern tragen ganz konkret etwas dazu bei, dass es einer bestimmten Gruppe besser geht, nämlich den Produzenten am Anfang der Handelskette.

(C) DiePresse

Die Palette der Fairtrade-Produkte ist relativ überschaubar. Warum gibt es nicht mehr Produkte?

Wir haben nur eingeschränkte Ressourcen. Wir sind eine sehr kleine NGO. In Österreich haben wir elf Vollzeitstellen. Das heißt, wir müssen uns auf Kerngebiete fokussieren. Wir haben in den letzten Jahren versucht, uns auf weniger Produkte zu beschränken und dafür in diesen Produktkategorien mehr zu erreichen.

Welche Produkte meinen Sie?

Wir versuchen in der Kategorie tropische Früchte breiter und tiefer zu werden. Bis zum vergangenen Jahr waren in Österreich nur Fairtrade-Bananen etabliert. Zu Weihnachten gab es erstmals auch Fairtrade-Litschis, -Orangen und -Avocados. Ananas sind noch in der Testphase und werden wahrscheinlich im nächsten Jahr kommen.

Auf einen Blick

Hartwig Kirner ist seit 2007 Chef von Fairtrade Österreich, das heuer sein 20-jähriges Bestehen feiert. Während man zu Beginn in den Weltladen oder zum Kirchenbasar gehen musste, um Fairtrade-Produkte zu kaufen, gibt es die fair gehandelten Waren heute in jedem Supermarkt. [Teresa Zötl]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2013)

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