Die Bombe ist geplatzt: Niemetz in Konkurs

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Der Süßwarenhersteller will die Sanierung ohne Eigenverwaltung und ohne Partner schaffen. Arbeitsplätze sollen nicht in Gefahr sein. Der Umsatz des Traditionshauses ist in den letzten zwei Jahren stark eingebrochen.

Wien/Es/Ag. Jetzt ist es amtlich. Die Österreicher mögen keine Schwedenbomben mehr. Jedenfalls nicht genug, um dem seit einem guten Jahr strauchelnden Unternehmen Niemetz aus der Patsche zu helfen.

Im August letzten Jahres, als die ersten Gerüchte auftauchten, dass der traditionsreiche Süßwarenhersteller Niemetz vor der Pleite stehe, wurde noch heftig dementiert. „Das Unternehmen ist nicht in Gefahr“, versicherte Ursula Niemetz, die das 1930 gegründete Familienunternehmen gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, dem Amerikaner Steven Batchelor, führt. Man verhandle mit potenziellen Finanzpartnern und plane, die Produktpalette auszuweiten.

Fünf Mio. Euro Schulden

Jetzt, ein halbes Jahr später, ist die Bombe geplatzt. Niemetz ist insolvent. Die Schulden belaufen sich laut Alpenländischem Kreditorenverband (AKV) in Summe auf rund fünf Mio. Euro. Alle drei Niemetz-Gesellschaften sind insolvent: Das Herzstück, die Walter Niemetz Süßwarenfabrik – Fabrikation von Zucker-, Schokolade-, Konditorei- und Dauerbackwaren GmbH und Co KG, hat mit 4,38 Mio. Euro den größten Brocken an Verbindlichkeiten angehäuft. Dagegen nehmen sich die Schulden der Niemetz Süßwaren Produktion GmbH und der Walter Niemetz GmbH vergleichsweise gering aus. Betroffen sind insgesamt 66 Dienstnehmer und rund 70 Gläubiger.

Es geht um ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Als Masseverwalter fungiert in den beiden Kerngesellschaften Stephan Riel von der Kanzlei Jaksch, Schöller und Riel. Niemetz bietet eine 20-Prozent-Schuldenquote innerhalb von zwei Jahren an. Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 20. bzw. 26. März anmelden.

Trotz Insolvenz suche die Unternehmensgruppe derzeit keinen Käufer, sagte Geschäftsführer Steve Batchelor am Freitag. Man sei sicher, das Sanierungsverfahren „aus eigener Kraft zu stemmen“. Die zuletzt zurückgefahrene Produktion soll nun wieder auf Normalniveau erhöht und der Mitarbeiterstand gehalten werden.

Kunden wollen weniger Fett und Zucker

Wie es so weit kommen konnte, dass ein Süßwarenhersteller, dessen Produkt, die Schwedenbombe, quasi österreichisches Kulturgut ist, derart in Finanznöte kam? 2011 brach der Absatz der schaumgefüllten Schokoladenbomben um 8,6 Prozent auf 772 Tonnen ein. 2012 schrumpfte er um weitere 22,9 Prozent. Bis vor eineinhalb Jahren seien laut Batchelor Gewinne geschrieben worden. Konsumenten würden jetzt Süßigkeiten bevorzugen, die weniger Fett und Zucker enthalten, meint dazu Penny-International-Manager Rudolf Trettenbrein. Das Produkt ist also nicht mehr zeitgemäß, mit einer Modernisierung wurde zu lange gewartet. „Wer Schwedenbombe hört, denkt Kalorienbombe.“ Auch, wenn 70 Kalorien pro Stück gar nicht so viel sind.

In den vergangenen Monaten wurde einiges zur Sanierung des Unternehmens unternommen. Im Dezember hat Niemetz das Firmengebäude im dritten Bezirk verkauft. Die dadurch entstandenen Sicherheiten hätten dafür verwendet werden sollen, einen neuen Kredit aufzunehmen. Mit dem Finanzamt habe man ein Stillhalteabkommen bis Ende 2012 gehabt, um Steuerrückstände zu begleichen. Das Finanzamt sei aber davon ausgegangen, dass der Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaften (rund zwei Mio. Euro) direkt zur Begleichung der Steuerschulden verwendet werden würde. Das Finanzamt habe dann im November „voreilig“ Konkursantrag gestellt und so dem Unternehmen die Chance genommen, seine finanziellen Schwierigkeiten selbst in den Griff zu bekommen, hieß es am Freitag.

Das Geheimnis ist der Kakao in der Füllung

Mit derartigen finanztechnischen Dingen musste sich der Konditormeister Walter Niemetz wohl nicht befassen, als er in seiner Backstube in Wien die Schwedenbombe kreierte. 1930 entstand die lockere Süßigkeit aus Schokolade, Eischnee und Zucker, die – wie der Name schon sagt – auf einem schwedischen Rezept basiert. Das Geheimnis, das die Niemetz-Bomben vom deutschen Konkurrenten Dickmanns trennt? „Wir mischen Kakao in die Eiweißmasse“, sagt Batchelor. Niemand bringe es fertig, diese Konsistenz zu kopieren. Trotzdem fehlt es an Kunden, die dieses Rezept nach wie vor lieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2013)

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