Constantia: Es war einmal eine kleine, feine Bank

Constantia einmal eine kleine
Constantia einmal eine kleine(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Vier Jahre nach dem Zusammenbruch der Constantia Privatbank findet der erste Prozess in dem Megawirtschaftskrimi statt. Warum konnte das nobelste Geldinstitut des Landes so jäh in den Abgrund stürzen?

Es ist die Geschichte einer kleinen, feinen Bank. Schon die Adresse in der Bankgasse (sic!) in der Wiener Innenstadt garantierte jene Seriosität, die den noblen Kunden unabdingbare Voraussetzung war, ihre Millionen dem Institut anzuvertrauen. Was den Ruf erst recht untadelig machte, waren die Besitzverhältnisse und das Management: Die Constantia Privatbank, wie dieses Kleinod der österreichischen Privatbankenlandschaft seit der Gründung 1986 hieß, gehörte Christine de Castelbajac, der Tochter des legendären Industriellen Herbert Turnauer.

Nicht minder elitär war der Aufsichtsrat besetzt: Prinz Michael von und zu Liechtenstein präsidierte das Kontrollgremium, dem Castelbajac und der langjährige Turnauer-Vertraute Helmut Schwager angehörten. Und an der Spitze der Bank stand mit Karl Petrikovics jener Mann, der rund um die Bank den größten Immobilienkonzern des Landes zimmerte und jahrelang für fette Gewinne sorgte.

Rund 20 Jahre später war die CPB, wie sie kurz genannt wurde, ein Scherbenhaufen – und das seriöse Image zerstört. Riskante Transaktionen mit Aktien der CPB-eigenen Töchter Immofinanz und Immoeast sollen zum Teil mit Anlegergeld finanziert worden sein – wie die Nationalbank in einem brisanten Prüfbericht später feststellte. Dann platzte die Immobilienblase und wenig später kam die Finanzkrise – das Karussell aus Finanzierungen und Refinanzierungen kam ins Stottern und schließlich ganz zum Erliegen. Fünf heimische Großbanken mussten die CPB im Herbst 2008 um einen Euro auffangen, um den kompletten Zusammenbruch zu verhindern.

Halbzeit im Prozess. Weitere vier Jahre später steht die CPB wieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit: Im ersten Immofinanz-Prozess geht es zwar nur um ein Detail – ein Aktienoptionsgeschäft –, die Publicity ist dennoch enorm. Steht doch Petrikovics im Mittelpunkt der Anklage. Sieben Verhandlungstage gab es schon, jetzt ist quasi Halbzeit in dem Verfahren, in dem Petrikovics, seinen Ex-Vorstandskollegen Norbert Gertner und Christian Thornton, Ex-Aufsichtsrat Schwager und Steuerberater Ernst Hable vorgeworfen wird, sich mit Aktienoptionsgeschäften auf Kosten des Konzerns bereichert zu haben. Die Angeklagten, für die die Unschuldsvermutung gilt, bestreiten dies.

Dieses Verfahren, in dem am 28. Februar die Urteile fallen sollen, wird nicht das einzige sein. Denn an dem größten Brocken ist die Staatsanwaltschaft Wien noch dran. Sie ermittelt seit vier Jahren wegen Betrugs, Untreue und Marktmanipulation. 280 Gigabyte Daten wurden bisher in dieser Mutter aller Wirtschaftskrimis gesammelt (so ist das Auffliegen der gesamten Buwog-Affäre einem Ermittlungszufall bei der Immofinanz geschuldet). Dass Petrikovics und andere Manager wieder auf die Anklagebank müssen, scheint sicher. Wann, ist offen.

Wie konnte es so weit kommen? Warum stürzte die Bank, die den größten Immobilienkonzern des Landes beherrschte und die Gelder der Reichen und Superreichen verwaltete, so jäh ab? Riss alle 800 Gesellschaften mit und brachte Eigentümer, Manager und Berater um Ansehen und Karriere?

Skepsis gegenüber Banken. Es hatte doch alles so super angefangen. Weil auch Herbert Turnauer die vielen Industriellen eigene Skepsis gegenüber Banken hatte, riet ihm der Manager seines Vertrauens – ein gewisser Josef Taus – doch eine eigene Bank zu gründen. Die CPB war geboren. Taus, den Turnauer von seiner Hausbank Girozentrale kannte, war aber alles andere denn ein gefügiger Untertan – und nur solche habe Turnauer toleriert, erzählt man. Es kam zum Krach, Taus ging.

Die Bank entwickelte sich indes prächtig, wofür deren Chef Christoph Kraus sorgte. Unter einer halben Million brauchte man gar nicht vorstellig zu werden. Entsprechend betucht war die Klientel: Die oberen Zehntausend des Landes – echter und Geldadel – legten bei der CPB an.

Das große Geld versprach sich Turnauer, dessen eigenes Vermögen und das der Erben in Stiftungen in Liechtenstein lag, allerdings weniger von der Vermögensverwaltung als von dem damals aufstrebenden Immobiliengeschäft. Dafür engagierte er – auch auf Empfehlung seines Beraters, des ehemaligen Creditanstalt-Chefs Guido Schmidt-Chiari – 1989 einen jungen Mann, der in der Creditanstalt die Immobiliensparte zum Laufen gebracht hatte: Karl Petrikovics.

Der Nachwuchsstar erkannte schnell, womit man Investoren aller Preisklassen locken konnte: Steuerschonende Verlustbeteiligungsmodelle wurden der Renner schlechthin. Als Vehikel für den schnell wachsenden Immobilienbestand wurde die Immofinanz gegründet. Die Beteiligungen wurden, ebenfalls aus Steuergründen, in Tochterfirmen umgewandelt. „Leintuchgesellschaften“ werden sie genannt, weil man ein Leintuch braucht, um alle 800 Firmen darzustellen.

Noch vor seinem Tod im Jänner 2000 machte Turnauer den Immobilienexperten, dessen Ehrgeiz und Arbeitseinsatz dem Patriarchen imponierten, zum Chef der CPB. Dieser bedankte sich mit ungebremster Expansionslust – auch nach Osteuropa. Das Ostgeschäft wurde in der Immoeast gebündelt. Beide Firmen, die Petrikovics in Personalunion führte, wurden mit großem Erfolg an die Börse gebracht.

Petrikovics' wachsende Macht wurde durch nichts und niemanden gebremst. Weder Vorstandskollegen, noch Aufsichtsräte und schon gar nicht Mitarbeiter stellten Fragen bzw. etwas infrage. Marionetten seien sie gewesen, übt einer Selbstkritik. Von einem „Alleinherrscher“ und „Diktator“, der „unbedingten Gehorsam“ verlangt hat, ist in der Anklageschrift die Rede. Allerdings brillierte der Konzernchef auch durch Kompetenz und Fachwissen. „Karl der Große“, wie er in der Branche genannt wurde, kontrollierte alles – er selbst wurde jedoch von niemandem kontrolliert. Warum auch? Es lief ja alles wie geschmiert: Die Aktienkurse stiegen nach oben, die Anleger zeichneten wie wild unendlich viele Kapitalerhöhungen. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte.


Mangel an Selbstkritik. Warum ein ausgewiesener Finanz- und Immobilienexperte die Zeichen der Zeit nicht erkannte und die Notbremse zog – darüber dürften sich nicht nur die tausenden Anleger, die auf Schadenersatz geklagt haben, den Kopf zerbrechen. Viele Faktoren spielten eine Rolle, heißt es: Der Mangel an Selbstkritik und Kontrolle habe das Eingestehen von Fehlern verhindert. Zu großer Optimismus ließ Petrikovics nur an eine Delle im Immobilienboom glauben. Und die Größe machte den Konzern unüberschaubar.

Für die Herren, die mit Petrikovics auf der Anklagebank sitzen, kommt die Erkenntnis zu spät. Und auch Castelbajac würde wahrscheinlich gern das Rad der Zeit zurückdrehen. Verlor die Turnauer-Erbin doch nicht nur die Bank, nachdem der von ihr 2007 geplante Verkauf gescheitert war, sondern auch die Constantia Packaging, die im Rahmen eines millionenschweren Vergleichs filetiert werden musste. Was muss sich die zierliche Dame gedacht haben, als sie Petrikovics im Gerichtssaal wiedersah? Regung zeigte sie ebenso wenig wie der Angeklagte. Aber Contenance zählt in diesen Kreisen zu den größten Tugenden – auch wenn die Lage noch so verfahren ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2013)

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