Ein wundersamer Kurssprung um zehn Millionen Euro

Im ersten Telekom-Prozess stehen wegen Untreue fünf Angeklagte, darunter drei ehemalige Vorstände, vor Gericht.

Die Telekom Austria (TA) als Geldverteilerin in Richtung Politik – dieses Bild des Unternehmens, an dem die Republik über die Staatsholding ÖIAG noch 28 Prozent hält, ist durch die Behandlung der Affären im parlamentarischen Korruptions-U-Ausschuss gefestigt worden. Morgen, Montag, beginnt die strafprozessuale Aufarbeitung diverser Vorwürfe, die dem einstigen TA-Vorstand gemacht werden.

So haben sich die früheren Telekom-Vorstände Rudolf Fischer (59), Stefano Colombo (51) und Heinz Sundt (65), der frühere Prokurist Josef Trimmel (55) sowie der frühere Vorstand der Euro Invest Bank AG, Johann Wanovits (54), aufgrund der mutmaßlichen Manipulation des Kurses der Telekom-Aktie im Februar 2004 wegen Untreue bzw. Beteiligung an der Untreue zu verantworten. Der Strafrahmen: ein Jahr bis zehn Jahre Haft.

Sundt und Colombo bestreiten Tat

Auf Seite 31 der 48 Seiten starken, von der Staatsanwaltschaft Wien (Ankläger Volkert Sackmann) eingebrachten Anklageschrift, die der „Presse“ vorliegt, heißt es im Kapitel „Involvierung des Vorstandes“: „Entgegen der tatsachengeständigen Verantwortung von Ing. Mag. Rudolf Fischer bestreiten Heinz Sundt und Dr. Stefano Colombo eine Involvierung in das Geschäft mit Mag. Johannes Wanovits, widersprechen sich jedoch wesentlich in maßgeblichen Details.“ Sundt, vertreten durch Anwalt Martin Nemec, will Wanovits gar nicht kennen und bekennt sich nicht schuldig.

Welches „Geschäft“?

Im Oktober 2000 wurde beim Börsengang der TA für leitende Mitarbeiter ein Employee Stock Option Plan (Esop) geschaffen. Man wollte das Unternehmen für Führungskräfte attraktiver machen. Dies gelang auch – doch in einer Form, an die damals wohl niemand dachte. Das Programm sah vor, dass einem erlauchten Kreis von Führungskräften die Option eingeräumt wurde, weitere Aktien zum Ausgabepreis von neun Euro je Aktie zu erwerben. Die Bedingung: Der Kurs musste an fünf Handelstagen im Februar 2004 um 30 Prozent über dem Ausgabekurs, also über 11,70 Euro, liegen.

Noch reizvoller als der günstige Aktienankauf stellte sich die gebotene Alternative dar. Die liest sich in der Anklage so: „Alternativ hatten die Berechtigten auch die Möglichkeit, stattdessen im Ausmaß der Call-Optionen die Differenz zwischen Basiskurs und dem durchschnittlichen Schlusskurs (...) in bar zu verlangen.“ Frei nach der Formel: Stimmt der Kurs, winkt eine üppige Barauszahlung. Damit diese wie geplant über die Bühne gehen konnte, ließ sich die TA den Deal beim Investment-Institut Merrill Lynch absichern.

Doch der Kurs entwickelte sich nicht wunschgemäß in Richtung der 11,70 Euro. Und so kam der nun mitangeklagte Banker Wanovits ins Spiel. Er sollte den Kurs durch gezielte Kauf-Orders nach oben drücken. Und siehe da (Anklage): „Die Telekom Austria und ihre Tochtergesellschaften brachten im Frühjahr 2004 Prämien aus dem Stock-Options-Programm an insgesamt 95 Berechtigte zur Auszahlung.“ In Summe wird der auf diese Art der TA entstandene Schaden (inklusive der verdeckt in Cash übergebenen Belohnung für Wanovits) von der Staatsanwaltschaft mit rund zehn Millionen Euro beziffert. Die von Fischer, Sundt und Colombo beanspruchten Barauszahlungen betrugen (laut Anklage) jeweils 392.719,48 Euro abzüglich Lohnsteuer.

500.000 zurückgezahlt

Fischer will für einen Teil der Vorwürfe die Verantwortung übernehmen. Er hat in Tranchen 500.000 Euro an die TA zurückgezahlt.

Wanovits, verteidigt von Anwalt Rainer Rienmüller, ist indes in die Gegenoffensive gegangen. Er hat im Oktober 2012 Anzeige gegen unbekannte Täter eingebracht, da er den Verdacht hegt, dass der Aktienkurs seinerzeit erst bewusst nach unten gepresst wurde. Rienmüller: „Durch den Aktienankauf meines Mandanten wurden die manipulativen Handlungen Dritter bloß neutralisiert. Der Kurs wurde lediglich auf das natürliche Niveau gehoben.“

In der Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien heißt es: „Die verdächtigen Angriffe auf den Kurs der Telekom-Aktie (...) erfolgten im Wesentlichen über die Deutsche Bank AG.“ Auch ein möglicher Konnex zwischen der Deutschen Bank und Merrill Lynch wird hergestellt: „Es ist anzunehmen, dass Merrill Lynch sich abgesichert hat, indem sie das Risiko aus dem Optionsvertrag mit der TA an andere Banken ganz oder teilweise weiterreichte.“

Die Deutsche Bank hat dazu bereits erklärt, bei ihren Deals nur Kundenwünsche erfüllt zu haben. Es sei nicht zu Manipulationen gekommen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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