Rudolf Fischer: Der Mann, der die Telekom knackte

Rudolf Fischer Mann Telekom
Rudolf Fischer Mann Telekom(c) APA HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Zehn Jahre lang war Rudolf Fischer Vorstand der Telekom Austria. In dieser Zeit flossen aus einer "Firma in der Firma" Millionen in die Politik. Fischer ist Schlüsselfigur im größten Korruptionsskandal der Republik .

Er hatte der „Presse am Sonntag“ ein Exklusivinterview fix zugesagt. Wenige Tage später änderte Rudolf Fischer seine Meinung und sagte das Gespräch kurzerhand wieder ab. Liegen die Nerven des einst so jovial auftretenden Ex-Vorstands der Telekom Austria blank? Es wäre kein Wunder. Fischer, zehn Jahre lang als Vorstand der Telekom für die Festnetzsparte verantwortlich, gilt als eine der Schlüsselfiguren in der Affäre um millionenschwere Geldflüsse aus dem Konzern an Politiker und Parteien und um eine Kursmanipulation, die Führungskräften Prämien in Millionenhöhe einbrachte.

Gegen 40 Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien in der Causa Telekom, wobei das umfangreiche Strafverfahren in mehrere Fälle aufgeteilt ist. Der erste Prozess startet morgen, Montag, mit der Aufarbeitung der Kursaffäre. Fischer ist nicht nur in diesem Fall einer der Hauptangeklagten – er ist derzeit der einzige Beschuldigte, gegen den bereits drei Anklagen vorliegen. Weitere dürften folgen. War der 59-jährige Wiener der Mastermind eines ausgefeilten Systems, das nicht nur die Telekom, sondern die ganze Republik unter Korruptionsverdacht brachte? Vieles spricht dafür.

Als die Telekom-Aktie am 26. Februar 2004 auf wundersame Weise über die im Stock-Options-Plan festgelegte Marke von 11,70 Euro sprang und rund 100 Führungskräfte um insgesamt knapp zehn Millionen Euro reicher machte, gab es im Konzern schon längst jenes Netzwerk, das millionenschwere Geldflüsse abseits des eigentlichen Telekom-Geschäfts steuerte. So wie auch das „Honorar“ von 1,5 Millionen Euro für den nun mitangeklagten Euro-Invest-Banker Johann Wanovits.

Fischer machte allerdings nicht im Alleingang über eine „Firma in der Firma“ die Telekom zum Bankomaten der Republik. Im PR-Profi und Lobbyisten Peter Hochegger und seiner rechten Hand in der Festnetz-Sparte, Gernot Schieszler, fand Fischer kongeniale Partner. Oder sie fanden ihn.

Als Fischer Ende 1998 als Technikvorstand in die Telekom kam, war er im Unternehmen kein unbeschriebenes Blatt. Schließlich hatte er zuvor bei Alcatel gearbeitet, eine der Firmen, die als Infrastruktur-Zulieferer bekannt waren. Er sei ein guter Techniker gewesen, aber ein „typischer Mann der zweiten Ebene“ – ohne jene Führungsqualitäten und das Charisma, das gute Spitzenmanager auszeichne, erinnert sich ein Weggefährte. Die ÖVP, die sich damals im großkoalitionären Pakt mit der SPÖ die Vergabe von Posten in Staatsunternehmen ausmachte, machte kein Hehl daraus, in Fischer „einen von uns“ zu sehen.

Hochegger war damals schon Berater bei der Telekom-Handytochter Mobilkom, die vom späteren Telekom-Boss Heinz Sundt (der jetzt auch angeklagt ist) geleitet wurde. Hocheggers gute Kontakte zur FPÖ, mit denen er nicht hinterm Zaun hielt, stießen zwar einigen Herrn in der Konzernführung sauer auf – auf seine Expertise wollte man jedoch nicht verzichten. Zumal der PR-Mann offenbar genau wusste, was die Telekom brauchte: ein gutes Image in der Öffentlichkeit und wohlgesinnte Politiker, die sich bei Bedarf für die Anliegen des Konzerns stark machen würden. Dass dafür ein fettes Marketingbudget zur Verfügung stand, sprach sich auch schnell herum. Da Geld bekanntlich kein Mascherl hat, überlegte möglicherweise auch niemand, ob die Millionen aus einem offiziellen oder geheimen Topf flossen.

Ein paar Schillinge für den Bootsverein. Und so begann es ganz harmlos: hier ein paar Schillinge für einen Bootsverein, dort eine milde Gabe für eine Plakataktion. So wie das Geschäft mit dem Geben und Nehmen florierte, wuchsen die Summen und offenbar auch die Erkenntnis, dass alles und noch viel mehr möglich ist. Zumal Fischer und Schieszler, der just das Rechnungswesen und Controlling im Festnetzbereich über hatte, keine kritischen Fragen fürchten mussten. „Er gerierte sich als Macher, der die Regeln selbst bestimmt“, erzählt ein Insider.

Schieszler, der 2001 zur Telekom kam und sich nun in der ganzen Telekom-Causa als Kronzeuge angedient hat (weshalb er auch im ersten Prozess nur als Zeuge geführt wird), musste offenbar nicht lange überredet werden. Der ehrgeizige junge Mann hatte ein Ziel – die Vorstandsetage. Dieses Ziel soll ihm Fischer in Aussicht gestellt haben. Wer wird da schon dem Vorgesetzten widersprechen?

Das System lief jedenfalls wie geschmiert: Geld an Politiker und Parteien – für Wahlkämpfe, Parteitage, Reisen und den „Kauf“ von Gesetzen – floss zum Teil über Werbeagenturen, aber auch direkt an die Adressaten. Für diese „Projekte“ wurden Rechnungen erstellt – für Leistungen, die es in der dargestellten Form nie gegeben hat. Auch mit den Zeitangaben nahm man es nicht so genau – es wurde das Datum eingesetzt, das passte. Abgerechnet wurde großteils über die 2001 von Hochegger gegründete „Valora Unternehmensberatung- und Beteiligung AG“ (jetzt Sicon). Das war kein Zufall – Hochegger war in seiner Zweitfirma von 2004 bis 2009 Alleineigentümer und Alleinvorstand – niemand konnte die Geschäfte der Valora kontrollieren.

Aber auch über die Hochegger.Com – die Kommunikationsagentur, die offiziell für die Telekom arbeitete – liefen dubiose Geschäfte.

Welche Ausmaße die „Firma“ angenommen hatte, schilderte Hochegger dem U-Ausschuss: 28 ehemalige Politiker, Kabinetts- und Parteimitglieder sowie Funktionäre aller Parteien sollen von 2000 bis 2010 für ihn gearbeitet haben. Sie befinden sich großteils auf der Liste der Beschuldigten – für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Kriminelle Energie, gepaart mit Größenwahn und dem Verlust der Bodenhaftung sowie das Fehlen jeglicher Kontrolle – das Zusammentreffen dieser Faktoren machen Insider aus heutiger Sicht dafür verantwortlich, dass die Telekom dermaßen abgezockt worden ist. Was Fischer übrigens so nicht sehen will. Die Telekom habe von den Projekten mit Hochegger durchwegs profitiert, man habe im Sinne des Unternehmens gehandelt, sagte Fischer im Herbst 2011. Im U-Ausschuss betonte er: „Ich habe die Parteienfinanzierung nicht beauftragt. Ich habe sie auch nicht unterschrieben.“

Die Justiz sieht das anders. Sie stützt sich bei ihren Ermittlungen auch auf die Erkenntnisse der vom jetzigen Konzernchef Hannes Ametsreiter angesetzten internen Revision und des Wirtschaftsprüfers Deloitte. 16 Projekte, bei denen getrickst worden sein dürfte, im Volumen von rund neun Millionen Euro haben sie gefunden. Die Telekom hat sich als Privatkläger mit einem Schadensanspruch von 30 Millionen Euro an das Strafverfahren angeschlossen.

In so gut wie all diese Projekte ist Fischer involviert. Neben der Kursmanipulation sind schon drei weitere Anklagen fertig, wenn auch noch nicht rechtskräftig (die Justiz hat der Übersichtlichkeit halber die Fälle durchnummeriert):

• Im Block 3 geht es um Untreue und falsche Beweisaussage. Im Vorfeld des EU-Wahlkampfs 2004 sollen von der Telekom 600.000 Euro an die Werbeagentur mediaConnection von Gernot Rumpold geflossen sein. Er soll im Gegenzug auf offene Forderungen gegenüber der FPÖ verzichtet haben. Angeklagt sind neben Fischer und Rumpold der ehemalige FPÖ-Bundesgeschäftsführer Arno Eccher und der ehemalige FPÖ-Finanzreferent Detlev Neudeck (dieser hat die Anklage vor wenigen Tagen beeinsprucht).

• Block 4 befasst sich ebenfalls mit Untreue, falscher Beweisaussage und auch Geldwäscherei. Diesmal geht es um 960.000 Euro, die von der Telekom 2006 über zwei für den Wahlkampf des BZÖ arbeitende Werbeagenturen verteilt worden sein sollen. 720.000 Euro gingen über den Werber Kurt Schmied direkt an das BZÖ, 240.000 Euro über die Werberin Tina Haslinger in den (später abgeblasenen) Persönlichkeitswahlkampf von Ex-Justizministerin Karin Gastinger. Angeklagt sind neben Fischer, Hochegger und Eccher auch Schmied und Haslinger sowie der frühere FPÖ- bzw. BZÖ-Politiker Klaus Wittauer und der frühere Pressesprecher Gastingers, Christoph Pöchinger.

• Bei Block 2 ist Fischer nicht dabei. Angeklagt sind der frühere Telekom-Mitarbeiter Stefan Tweraser und zwei Manager der Werbeagentur Euro-RSCG, die jahrelang den millionenschweren Werbeetat der Telekom managte.

• Zum Block 4 gehören Ermittlungen zu Geldflüssen an Ex-Verkehrsminister Hubert Gorbach (BZÖ) im Zusammenhang mit der Änderung der Universaldienstverordnung zugunsten der Telekom.

• Ebenfalls noch mitten in den Ermittlungen steckt die Justiz bei einem Fall (Block 7), der sich als besonders „heiß“ herausstellen könnte: Es geht um Provisionszahlungen rund um den Ankauf der weißrussischen Velcom. Neben Fischer und Schieszler, dem ehemaligen Telekom-Finanzvorstand Stefano Colombo und dem ehemaligen Telekom-Osteuropa-Spezialisten Erich Gnad ist auch der Investor Martin Schlaff Beschuldigter. Was die Sache besonders heikel macht. Schieszler hat in einem seiner unzähligen Verhöre ausgepackt: Ihm sei 2007 von Fischer der Auftrag erteilt worden, einen Beratervertrag mit einer Firma des langjährigen Schlaff-Geschäftspartners Robert Nowikovsky zu schließen. Diese Robikom soll 1,24 Millionen Euro für Beratungen im Zusammenhang mit der (nie zur Diskussion gestandenen) Übernahme des weißrussischen Festnetzbetreibers Beltelecom erhalten haben. Tatsächlich soll das Geld für offene Zahlungen bezüglich der Velcom geflossen sein.

Von Libro bis eTel. Fischers Rolle ist aber auch bei anderen Geschäften der Telekom nicht unumstritten. 2006 kaufte die Telekom den privaten Festnetz-Anbieter eTel. Der damalige FPÖ-Telekom-Sprecher Wittauer soll 400.000 Euro Beraterhonorar erhalten haben, um die Übernahme zu ebnen. Ein Jahr später stieg die Telekom bei Mass Response Service ein. Die Firma, die unter anderem Televotings abwickelt, entpuppte sich als Verlustbringer. Fischer fädelte den Kauf ein, ebenso die glücklose Beteiligung der Telekom an der Buchhandelskette Libro.

Bei einem Immobiliengeschäft dürfte der Golf-Freak Fischer seine auf dem Green geknüpften Kontakte genützt haben. Es geht um den Verkauf des Telekom-Hauses Schillerplatz 4 an die ÖBB. Die Frau des damaligen ÖBB-Chefs Martin Huber, Barbara Huber-Lipp, kaufte 2006 über eine eigens dafür gegründete Firma Teile des Wiener Innenstadtpalais um sechs Millionen Euro und verkaufte sie 2007 um mehr als elf Millionen Euro an die Firma Seeste Bau weiter. Fischer, enger Freund und Golfpartner der Familie Huber, saß damals im ÖBB-Aufsichtsrat.

Als Fischer überraschend im Sommer 2008 die Telekom verließ, versiegten bald die Geldflüsse. Dass sein Abgang nur persönliche Gründe hatte, wollte niemand recht glauben, zumal Fischer, dem einst sogar Ambitionen auf den Chefsessel nachgesagt worden waren, seither nie mehr einen Job in einem Konzern angenommen hat. Jetzt wird er jedenfalls kaum Zeit haben, seiner Leidenschaft Golf zu frönen – als häufiger Gast im Landesgericht.

Die »Firma«

25 bis 40 Millionen Euro sollen in den Jahren 2000 bis 2010 von der Telekom Austria an Politiker und Parteien geflossen sein. Vorerst gibt es nur Schätzungen, weil die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien noch lange nicht abgeschlossen sind. 40 Personen werden als Beschuldigte geführt. Vier Anklagen sind fertig.

Drei Personen gelten als Schlüsselfiguren des größten Korruptionsskandals der Republik: Festnetz-Chef Rudolf Fischer, der in der Festnetzsparte für Finanzen und Controlling zuständige Gernot Schieszler und der PR-Mann und Lobbyist Peter Hochegger.

Das Geld floss großteils über die Firma Valora von Hochegger, vorrangig an die FPÖ bzw. das BZÖ. Abgerechnet wurde über Scheinrechnungen, für die keine adäquaten Leistungen gefunden werden konnten.

16 Projekte mit einem Volumen von neun Millionen Euro wurden bei der internen Revision der Telekom Austria und von Wirtschaftsprüfer Deloitte gefunden, der mit der Aufarbeitung des Skandals vom nunmehrigen Telekom-Chef Hannes Ametsreiter betraut worden war. Auf diesen Erkenntnissen baut die Justiz auf.

Den Skandal ins Rollen brachten die Ermittlungen in der Causa Immofinanz. Im Zuge von Hausdurchsuchungen bei Hochegger wurden dubiose Rechnungen gefunden, die nicht der Immofinanz zugeordnet werden konnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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