Kulterer: Gericht fasst Begriff der Untreue auffallend weit

Kulterer Kaernten Gericht fasst
Kulterer Kaernten Gericht fasst(c) APA GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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Nach strengem Verständnis hätten die Angeklagten sich sicher sein müssen, dass das Land die Fluglinie trotz seines Engagements pleitegehen lassen würde.

Wien. Im Strafverfahren wegen der Kreditvergabe der Hypo Alpe Adria Bank an die Fluglinie Styrian Spirit (eine Tranche von einer Million Euro im August 2005 und eine weitere Million im September 2005) hat das Landesgericht Klagenfurt am Freitag den ehemaligen Vorstand der Hypo, Gert Xander, wegen Untreue und den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Hypo (und gleichzeitig Vorstandsvorsitzenden der Mutterbank), Wolfgang Kulterer, als Bestimmungstäter der Untreuehandlung zu Haftstrafen verurteilt (nicht rechtskräftig).

Der OGH hatte im August 2012 die im ersten Rechtsgang im März 2011 erfolgten Freisprüche des Landesgerichts Klagenfurt aufgehoben (11 Os 19/12x). Er hatte sie wegen Begründungsmängeln kritisiert: unter anderem, weil die Expertise des Sachverständigen über die schlechte Bonität der Styrian Spirit und den sorgfaltslosen Kreditvergabeprozess den vom Landesgericht getroffenen Feststellungen entgegenstand. Das Landesgericht war damals der Verantwortung der Angeklagten gefolgt: Da sich das Land Kärnten aus regional- und wirtschaftspolitischen Gründen kurz zuvor über die Kärntner Tourismusholding indirekt an der Styrian Spirit beteiligt und drei Millionen Euro Kapital investiert hatte und durch einen Syndikatsvertrag die Styrian Spirit faktisch kontrollierte, sei es für die Angeklagten denkunmöglich gewesen, dass die nun vom Land Kärnten wirtschaftlich beherrschte Gesellschaft wenige Monate später in Konkurs gehen könnte.

Das Landesgericht Klagenfurt hat am Freitag seinen Schuldspruch mündlich so begründet: Die Angeklagten hätten ihre Befugnisse wissentlich missbraucht, die Styrian Spirit sei unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden, durch die Kreditvergabe sei zum Schaden der Bank der politische Wille des damaligen Landeshauptmanns umgesetzt worden.

Wissentlicher Befugnismissbrauch

Der Tatbestand der strafrechtlichen Untreue setzt voraus, dass der Täter die ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, „wissentlich“ missbraucht und dadurch dem Vertretenen (hier: der Bank) vorsätzlich einen Schaden zufügt. Für die Schadenszufügung reicht ein bedingter Vorsatz, nämlich, dass der Täter den Schadenseintritt ernstlich für möglich hält und sich mit ihm abfindet. Für den Befugnismissbrauch ist jedoch wissentliches Handeln erforderlich, der Täter muss das Vorliegen eines Befugnismissbrauchs für „gewiss“ halten; dass er ihn bloß ernstlich für möglich hält und sich mit ihm abfindet, reicht nicht.

Vor diesem Hintergrund fasst das Landesgericht den Untreuebegriff auffallend weit. Dass die Kreditvergabe an die Styrian Spirit nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht dem Sorgfaltsmaßstab eines Vorstands nach §84 AktG, konkretisiert durch §39 BWG, entsprach, ist das eine; ebenso, dass der Kredit ein Risikokredit war. Wenn der Befugnismissbrauch jedoch wie hier an einer wirtschaftlich unvertretbaren Kreditentscheidung festgemacht wird, dann stellt sich die Frage, ob nicht sämtliche Kriterien dieser wirtschaftlichen (Fehl-)Beurteilung vom Erfordernis der Wissentlichkeit erfasst sein müssen: Hätten die Angeklagten dann im Zeitpunkt der Kreditvergabe nicht auch für gewiss halten müssen, dass trotz einer erst kurz vor Krediteinräumung erfolgten Investition des Landes in Höhe von drei Millionen Euro und trotz faktischer Beherrschung der Styrian Spirit dasselbe Land die Fluglinie wenige Monate später in Konkurs gehen lassen würde?

Müsste die Wissentlichkeit zum Zeitpunkt der Krediteinräumung nicht auch die Gewissheit umfassen, dass die vom damaligen Landeshauptmann zugesagte Haftungserklärung nicht vorgelegt werden würde? Mit anderen Worten: dass der Landeshauptmann die im Mehrheitseigentum des Landes stehende Bank im Regen stehen lassen und eine erst wenige Monate zuvor über seine Weisung getätigte Investition der Tourismusholding von drei Millionen Euro abschreiben würde?

Anwälte bekämpfen das Urteil

Oder durften die Angeklagten nicht – ungeachtet einer festgestellten Sorgfaltspflichtverletzung – darauf vertrauen, dass die Styrian Spirit mit der kraftvollen Unterstützung Kärntens die schwierige Situation meistern würde? Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wie das Landesgericht Klagenfurt diese Fragen in seiner schriftlichen Urteilsausfertigung behandeln wird. Die Verteidiger haben bereits angekündigt, gegen die Verurteilung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an den OGH zu erheben.


Mag. Liane Hirschbrich LL.M. ist Rechtsanwältin in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2013)

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