"Grasser wollte Telekom für Nulldefizit privatisieren"

TelekomProzess Sundt Grasser wollte
TelekomProzess Sundt Grasser wollte(c) APA (Georg Hochmuth)
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Ex-Telekom-Vorstand Sundt gewährt am zweiten Prozesstag Einblick in die Geschehnisse rund um den Börsegang im Jahr 2000. Der Zeitpunkt dafür sei sehr ungünstig gewesen.

Im Telekom-Prozess rund um eine Kursmanipulation im Jahr 2004 hat der mitangeklagte damalige Telekom-Generaldirektor Heinz Sundt im Strafprozess einen Einblick in den im letzten Moment gescheiterten Einstieg der Schweizer Swisscom bei der Telekom und den Börsegang 2000 gegeben. Demnach wollte der seinerzeitige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Staatsanteile an der Telekom Austria verkaufen, damit er ein Nulldefizit erreichen konnte, so Sundt am zweiten Prozesstag.

Bereits gestern, Montag, hatten Ex-Finanzvorstand Stefano Colombo und Ex-Festnetzvorstand Rudolf Fischer berichtet, dass das Umfeld für einen Börsegang damals sehr schlecht war. Sundt meinte heute im Wiener Landesgericht: "Der Zeitpunkt für den Börsegang war sehr ungünstig."

Ärger über Michaelis-Interview

Nachdem die Telekom Austria bereits an der Börse war, gab es intensive Verhandlungen mit der Swisscom betreffend eines Einstieges der Schweizer. Medienberichte darüber trieben den Kurs in die Höhe - bis laut Sundt die APA-Austria Presse Agentur berichtete, dass der damalige ÖIAG-Chef Peter Michaelis Gespräche mit den Schweizern dementierte und den Deal damit abgeblasen hatte - zum großen Erstaunen von Sundt.

Die Folge war ein deftiger Kurssturz. Das Unternehmen hatte damals an einem Tag 1,4 Milliarden Euro an Börsewert verloren. Das Michaelis-Interview "kurz vor dem 20. Februar 2004" hatte Sundt offenbar geärgert, da dadurch das Erreichen der Kursschwelle von 11,70 Euro für das Mitarbeiteroptionsprogramm erschwert wurde.

"Der politische Wille hat gefehlt"

Während Grasser und die Bundesregierung unter VP-Kanzler Wolfgang Schüssel die Schuld bei den Schweizern für das Scheitern suchten, stellte Sundt heute vor Richter Michael Tolstiuk klar, dass in Österreich "der politische Wille gefehlt hat", einen Teil des Unternehmens an den Schweizer Monopolisten unter dem Titel "Privatisierung" zu verkaufen.

Grasser führte 2004 den geplatzten Swisscom-Einstieg auf "eine ganze Reihe von harten österreichischen Bedingungen" zurück, über die "die Schweizer nicht drüberspringen" konnten. Unterstützung bekam Grasser damals von Vizekanzler Hubert Gorbach (damals FPÖ) und dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider.

"Rückzahlung der Prämie wäre Schuldeingeständnis"

Die Anklagevorwürfe rund um die Kursmanipulation im Februar 2004 hat Sundt entschieden zurückgewiesen. Er sei nicht schuldig, er habe den mitangeklagten Euro-Invest-Banker Johann Wanovits nicht gekannt und von Gegengeschäften nichts gewusst, betonte Sundt. Seine eigene Prämie aus dem Mitarbeiterprogramm in Höhe von 390.000 Euro (brutto) hat Sundt bis heute der Telekom nicht zurückgezahlt. "Eine Rückzahlung wäre ein Schuldeingeständnis und davon distanziere ich mich meterweit".

Auch heute, in Kenntnis aller Vorwürfe, sehe er strafrechtlich keinen Anlass, die Prämie zurückzuzahlen, sagte Sundt dem Privatbeteiligtenvertreter der Telekom, Norbert Wess. Andere Ansprüche seien im zivilrechtlichen Rahmen abzuhandeln. Der derzeitige Telekom-Generaldirektor Hannes Ametsreiter, der in der Causa im Gegenteil zu Sundt nicht verfolgt wird, hat seine Mitarbeiterprämie hingegen nach Bekanntwerden der Kursmanipulation zurückgezahlt.

Vorwurf der Anklage

Die Telekom hat für das Mitarbeiterprogramm 8,8 Millionen Euro aufgewendet. Das Programm wurde durch einen Kurssprung der Aktie im letzten Moment, in der Schlussauktion am 26. Februar 2004, ausgelöst. Der mitangeklagte Euro Invest-Banker Johann Wanovits hatte Aktien in großem Ausmaß gekauft und dafür später von der Telekom mindestens eine Million Euro erhalten, Teile davon in Bargeld überreicht am Wiener Naschmarkt, so die Anklage.

"Habe keinen Druck ausgeübt"

Einen "Druck" auf Finanzvorstand Stefano Colombo habe er nicht ausgeübt, meinte Sundt. Der als Kronzeuge agierende Ex-Controlling-Chef Gernot Schieszler gab in seinen Einvernahmen an, Sundt habe Druck auf Colombo ausgeübt, um das Kursziel - Durchschnittskurs über 11,70 Euro - doch noch zu erreichen.

Sundt dementierte, dass in seiner Gegenwart im Vorstand von einem Investor gesprochen worden sei, der Aktien gegen ein Gegengeschäft kaufen würde. An so etwas könne er sich nicht erinnern. Sundt wurde diesbezüglich von seinem früheren Co-Vorstand Rudolf Fischer belastet. Von "Gegengeschäften" mit einem Investor sei nie die Rede gewesen, so der Ex-Telekom-Chef. Für ihn sei ein Gegengeschäft etwas Anstößiges. In Ordnung wäre es hingegen, wenn ein Investor in die Aktie auf eine Lieferantenliste käme, woraus sich ein Vertrag ergeben könne oder auch nicht.

Telekom-Prozess um Börsenaffäre 2004
Telekom-Prozess um Börsenaffäre 2004(c) APA

"Wir hatten Verdacht gegen Merrill Lynch"

Die Kursbeobachtung in der entscheidenden Februar-Woche 2004 habe bei ihm den Verdacht geweckt, dass jemand den Kurs drücken wolle, sagte Sundt in der Befragung durch Staatsanwalt Hannes Wandl. "Wir hatten den Verdacht gegen Merrill Lynch, der hat sich nicht bewahrheitet". Die US-Investmentbank hatte damals nicht gegen die Aktie spekuliert, weil sie das Risiko schon verkauft habe.

Sein Verhältnis mit dem damaligen Eigentümervertreter (Grasser, Anm.) sei nie gut gewesen, schilderte Sundt: "Wir hatten ein chronisch gestörtes Verhältnis". Auf Nachhaken des Richters Michael Tolstiuk konnte er den Namen des damaligen Finanzministers, Karl-Heinz Grasser, nicht nennen. "Ich habe den Namen so verdrängt, dass er mir gar nicht mehr eingefallen ist", erklärte Sundt seinen Gedächtnisverlust.

"Hochegger war für uns Goldes wert"

Den Lobbyisten Peter Hochegger, der in der Causa eine Schlüsselrolle spielt, kennt Sundt gut, befreundet sei er aber mit ihm nicht. Er habe Hochegger schon ab 1996, in der Mobilkom-Zeit, immer wieder für Öffentlichkeitsarbeit, Pressekonferenzen etc. eingesetzt. "Hochegger hat uns eine erhebliche Wettbewerbsleistung geboten, sein Know-how war für uns Goldes wert". Eine Studie habe er bei Hochegger aber nie beauftragt. Laut Anklage soll ein Teil des Wanovits-Honorars für die Kursmanipulation in einer Hochegger-Scheinstudie für die Telekom versteckt gewesen sein. Hochegger soll das Geld versteuert haben, den Rest bar abgehoben und an Telekom-Mitarbeiter gegeben haben. Von dort wurde das Cash dann an Wanovits weitergegeben.

Als Lobbyisten habe er Hochegger allerdings nie eingesetzt, meinte Sundt. Der Versuch, über Hochegger eine Brücke zu Grasser zu schlagen und das Verhältnis mit dem Eigentümervertreter zu verbessern, sei gescheitert. Er habe Hochegger auch dafür verwendet, bei der Telekom-Regulierungsbehörde guten Wind für die Telekom zu machen. Auf Nachfrage des Richters, ob das nicht doch Lobbying gewesen sei, meinte Sundt: "Normalerweise ist ein Lobbying-Vorgang mit dem Fluss von Geldern verbunden". Das sei hier nicht der Fall gewesen.

(APA)

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