Felderer: „Staat in heutiger Form bekommt Probleme“

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Eine höhere Mehrwertsteuer sowie keine Operationen mehr für ältere Menschen? Laut Bernhard Felderer, dem Präsidenten des Staatsschuldenausschusses, zwei mögliche Folgen der Finanzierungsprobleme des Staates.

Wien/Jaz. Ein bisschen steht es für das strukturelle Reformdilemma Österreichs: Am Freitag analysierte Bernhard Felderer, immerhin Präsident des Staatsschuldenausschusses und ehemaliger Leiter des IHS, im Klub der Wirtschaftspublizisten die grundsätzlichen Probleme des Staates und zeigte mögliche Folgen oder Reaktionen auf – allesamt mit Schwierigkeiten verbunden. Konkrete Handlungsempfehlungen oder Lösungsvorschläge für die Politik wollte er jedoch auch auf Nachfrage nicht geben. „Ich sehe das lediglich als Analyse der Situation“, so Felderer.

Und diese sieht alles andere als rosig aus. „Der Staat in seiner heutigen Form wird große Probleme bekommen“, so der oberste Wächter über Ausgaben und Einnahmen der Republik. Denn Erstere – die Ausgaben – sind nicht nur seit Jahren höher als Letztere – die Einnahmen. Es gibt auch keinerlei Anzeichen, dass sich diese Situation in absehbarer Zeit ändern dürfte. Es wird eher noch schlechter.

Pensionen? Einfache Lösung

So hat Felderer zwei große Bereiche ausgemacht, wo die Kosten in den kommenden Jahren weiter explodieren werden: Wenig überraschend sind dies das Pensions- und das Gesundheitssystem. Doch auch wenn die Probleme dort bereits seit Jahren bekannt seien, ändere das nichts an der Wichtigkeit. Besonders problematisch sei dabei das Gesundheitswesen. Denn bei den Pensionen sei die Lösung einfach, sie werde nur politisch nicht umgesetzt: „Wenn wir im Schnitt erst mit 64 statt mit 58 Jahren in Pension gehen, haben wir einen Großteil des Problems gelöst.“

Wesentlich komplexer sei die Situation bei der Gesundheit. Heute könnten Krankheiten geheilt werden, die vor Kurzem noch als unheilbar galten. Dies treibe aber auch die Kosten ständig nach oben. Außerhalb Europas würden daher viele Länder mit der Rationierung der Gesundheitsversorgung darauf reagieren. „Ab einem gewissen Alter gibt es dann eben keine Operationen mehr. Das ist grausam. Für österreichische Wertvorstellungen könnte dieses Thema mittelfristig noch zu einer wahren Bombe werden“, so Felderer.

Vorerst werde dies aber vor allem mehr Mittel für das Gesundheitssystem bedeuten. Denn die, natürlich vorhandenen, Einsparungspotenziale im System würden mittelfristig nicht ausreichen – auch wenn sie vergrößert werden würden. „In Schweden wurden daher die Selbstbehalte deutlich ausgeweitet, mit Unterstützung der Gewerkschaften“, sagt Felderer.

Der Staat habe nämlich kaum noch Möglichkeiten, mehr Geld einzutreiben. „Die Steuerquote ist am Limit.“ Ein weiteres Drehen an der Steuerschraube sei eine große Gefahr für das Wachstum, da so gut wie alle Steuern einen negativen Einfluss darauf haben. Besonders treffe dies für die Körperschaftsteuer zu. „Eine Steuererhöhung um ein Prozent senkt das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens um das Doppelte“, sagt Felderer. In geringerem Ausmaß treffe dies auch auf die Lohnsteuer zu. Diese sollte zudem lieber gesenkt werden. „Nicht aus Verteilungsgerechtigkeit, wie das die Arbeiterkammer fordert, sondern wegen des Wachstums.“

Ökonomen für Konsumsteuern

Kurz- und langfristig keine negative Auswirkung auf das Wachstum gebe es nur bei einer Steuergruppe, darin seien sich alle Ökonomen einig: den Konsumsteuern. Plädiert Felderer also für eine höhere Mehrwertsteuer? „Sie ist ein interessanter Kandidat.“ Als Plädoyer für eine Anhebung möchte er das aber nicht verstanden wissen. Denn damit hat er bereits vor vier Jahren in einem Interview mit der „Presse“ für einen Aufschrei in der Politik gesorgt.

Eine höhere Mehrwertsteuer sei unsozial, so die Kritiker damals, da sozial Schwächere einen höheren Anteil ihres Einkommens in den Konsum stecken müssen. Dies stimme aber nur bei kurzfristiger Betrachtung, so Felderer. „Wenn jemand zehn Jahre spart und sich dann einen Porsche kauft, zahlt er auch 20 Prozent Mehrwertsteuer dafür.“ Entkommen könne man nur durch Vererben. In Deutschland gebe es daher eine Erbschaftssteuer in gleicher Höhe wie die Mehrwertsteuer.

Nichts hält Felderer jedoch von der nun diskutierten Vermögensteuer. Diese würde als Substanzsteuer langfristig das Wachstum negativ beeinflussen. „Allein schon die Diskussion darüber ist schädlich für den Standort.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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