Ausbildung: Jeder zehnte Lehrling "geht verloren"

(c) Clemens Fabry
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Die Durchfallquote bei der Lehrabschlussprüfung ist auf dem höchsten Stand seit 1970. Die Industriellenvereinigung warnt vor einer "Akademisierung".

Wien. Man kennt die Klagen: Lehrlingsanwärter beherrschen oft nicht einmal die Grundrechnungsarten, können kein Deutsch (auch ohne Migrationshintergrund) und gutes Benehmen kann sowieso nicht mehr vorausgesetzt werden. Deshalb werde es immer schwerer, geeignete Auszubildende zu finden, wie Arbeitgeber bei jeder Gelegenheit beklagen. Und wenn man einen Lehrling eingestellt hat, bleibt ein nicht unbedeutendes Risiko, dass er bei der Abschlussprüfung durchfällt. Von 58.034 Lehrlingen, die 2012 zur Lehrabschlussprüfung antraten, sind 18 Prozent durchgefallen, berichtet die APA auf Basis von Wirtschaftskammer-Daten. Das ist die höchste Durchfallrate seit 1970.

Die schlechten Ergebnisse des Vorjahres sind jedoch kein einmaliger Ausreißer. Die Erfolgsquote hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert: Im Vorjahr schafften 82,1 Prozent den Lehrabschluss, 2011 waren es 82,5 Prozent. 1980 bestanden hingegen noch 88,3Prozent die Prüfung. Auch bei den Professionen gibt es starke Unterschiede: Von den Maler-Lehrlingen schafften im Vorjahr 38 Prozent die Lehrabschlussprüfung nicht (siehe Grafik unten). Wenig Patzer gab es indes beim Beruf Bankkaufmann (3,3Prozent). Insgesamt 22 Lehrberufe wiesen eine Durchfallrate von über 30 Prozent aus.

Von jenen, die bei der Abschlussprüfung durchfallen, versucht es nicht einmal die Hälfte ein zweites Mal: 2012 fielen 10.399 Prüflinge durch, davon traten aber nur 4386 zur Wiederholungsprüfung an. Der Rest – rund zehn Prozent aller ursprünglich angetretenen Lehrlinge – blieb also trotz absolvierter Lehre ohne einen gültigen Berufsabschluss. Das Problem dabei: Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, sind die größte Risikogruppe in puncto Arbeitslosigkeit. Beate Sprenger, Pressesprecherin des Arbeitsmarktservice (AMS), weiß das aus Erfahrung: „Sobald ich einen Lehrabschluss habe, ist das Risiko, arbeitslos zu werden, um zwei Drittel geringer als nur mit Pflichtschulabschluss“, so Sprenger.

Unter Lehrabsolventen liegt die Arbeitslosigkeit bei sechs, unter Pflichtschulabgängern bei 18 Prozent. Wer die Lehre abbricht oder die Lehrabschlussprüfung nicht schafft, der fällt beim AMS in die Kategorie Hilfsarbeiter. Und weil es immer weniger Hilfsarbeiterjobs gibt, ist die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. Die Hälfte der beim AMS gemeldeten haben nur die Pflichtschule abgeschlossen.

Fernsehserien als Inspiration

Dabei brauchen die heimischen Unternehmen dringend Lehrlinge – als zukünftige Fachkräfte. Laut einer Umfrage der Industriellenvereinigung (IV) aus dem Vorjahr können neun von zehn Betrieben ihren Fachkräftebedarf im Bereich Produktion nicht decken. Gerhard Riemer, IV-Bereichsleiter für Bildung, warnt angesichts dessen vor einer „Akademisierung“: „Wenn alle gescheiter werden, ist das schön und gut. Das heißt aber nicht, dass dadurch der Industriestandort Österreich gesichert ist“, sagte Riemer jüngst. Ein Viertel der Lehrbetriebe hätte 2012 nicht alle Lehrstellen besetzen können. Dafür ist die Erfolgsquote unter den Industrielehrlingen mit 12,3Prozent überdurchschnittlich hoch.

Für bestimmte Berufe motivieren könnten laut IV Role Models aus dem Fernsehen. Seit die Serie „Big Bang Theory“ angelaufen sei – mit jungen, hochbegabten, aber sozial etwas unfähigen Physikern in den Hauptrollen – sei beispielsweise Physik in Großbritannien in die Liste der beliebtesten Studienrichtungen vorgerückt, so Johanna Hummelbrunner, Personalchefin bei Bosch Österreich. Eine deutsche Studie hat ergeben, dass Spielfilme und Serien – vor allem junge Frauen – häufiger zur Berufswahl inspirieren als Berufsberatung.

Ähnliches weiß auch Thomas Reisenzahn zu berichten, der Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung: Die Kochlehre sei mit den vielen Kochsendungen beliebter geworden. „Medien beeinflussen junge Menschen.“ Von den Kochlehrlingen sind im Vorjahr 23,6Prozent durchgefallen. Dabei seien aber Lehrlinge „vom Wirtshaus bis zum Fünfsternehotel“ erfasst, so Reisenzahn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2013)

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