Heimo Scheuch: "Wohnbauförderung soll zweckgebunden sein"

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Die Wohnbauförderung sei essenziell, um die Lücke im Wohnungsneubau zu schließen, sagt Wienerberger-Chef Heimo Scheuch. Die Krise im Bausektor sei 2012 schlimmer gewesen als 2009.

Die Presse: Im Jahr 2010 haben Sie gesagt, die Restrukturierung sei abgeschlossen. 2012 mussten Sie jedoch erneut Restrukturierungskosten in Höhe von mehr als 50 Mio. Euro verbuchen, weshalb unter dem Strich ein Nettoverlust blieb. Haben Sie 2009 doch zu wenig gemacht?

Heimo Scheuch: Im Jahr 2009 war das wirtschaftliche Umfeld sehr stark von der Finanzkrise geprägt. Wir hatten zwar einen sehr markanten Rückgang auf den Märkten, die allgemeine Annahme war jedoch, dass sich das schon wieder erholen werde. Dennoch haben wir die Kapazitäten drastisch zurückgefahren. Bis 2011 hat sich das Umfeld dann auch wieder gebessert, vor allem in Westeuropa. Im Vorjahr gab es jedoch wieder einen starken Rückgang.

War das 2009 vorhersehbar?

Nein. Ich kann auch heute nicht sagen, was 2014 oder 2015 sein wird. Das allgemeine Umfeld ist derzeit sehr stark von Unsicherheit geprägt. Vor allem in unserer Branche.

Es ist bekannt, dass es 2012 allgemein wieder einen Abschwung gegeben hat. Sie haben in Ihren Werken derzeit aber eine Auslastung von im Schnitt nur 60Prozent. Das ist ziemlich wenig. War der Rückgang bei der Ziegelnachfrage so viel stärker als in anderen Wirtschaftssektoren oder hat Wienerberger die Gefahr eines neuerlichen Rückgangs doch unterschätzt?

2012 sind einige für uns sehr wichtige Märkte sogar unter das Niveau von 2009 gefallen. So hat etwa in Frankreich die neue Regierung seit dem Sommer eine Reihe von Sparmaßnahmen bei Förderungen im Neubau gebracht. Das bewirkte einen Rückgang um 30 Prozent. Deshalb krankt Frankreich im Neubau. Mit der Krise 2009 hatte das nichts zu tun, sondern es hatte lokale, nicht vorhersehbare Gründe.

Frankreich ist nur ein Land von vielen, in denen Sie tätig sind. Und eigentlich sind Sie ja vor allem in Nordeuropa stark vertreten und nicht in den Krisenländern des Südens. Warum traf das Jahr 2012 Wienerberger trotzdem so stark?

Auch in Belgien und den Niederlanden war 2012 schwächer als das Jahr 2009. Zudem sind wir auch in Zentral- und Osteuropa stark vertreten, wo es nicht sonderlich rund lief. Und wenn wir uns jetzt etwa Ungarn ansehen, dann gab es seit 2007 einen Einbruch von 80 Prozent. Dort ist es auch in den Jahren nach 2009 laufend bergab gegangen. Wir wollen jedoch in Ungarn bleiben. Und da man mit unserem Produkt aus Kostengründen nicht ewig weit fahren kann, brauchen wir dort drei Werke, um flächendeckend anbieten zu können. Diese Werke sind daher jetzt natürlich nicht so stark ausgelastet, dass es mich glücklich machen würde.

War die zweite Krise von 2012 sogar stärker als die erste Krise von 2009?

Für Wienerberger schon, weil sie die relevanteren Märkte traf.

Auch der Börsenkurs spiegelte diese Entwicklung wider. Er hat 2012 den Tiefstand von 2009 eingestellt. Damals sagten Sie in einem Interview mit der „Presse“, es sei „ums Überleben gegangen“. Ging es 2012 wieder ums Überleben?

Nein, definitiv nicht. Wir haben uns nach der ersten Krise ja bilanziell viel besser aufgestellt. Wir haben uns entschuldet und stehen vor allem auf der Liquiditätseite wesentlich gesünder als 2009 da.

Warum wird das dann im Börsenkurs nicht widergespiegelt?

Da gab es viele andere Gründe, etwa die allgemeine Psychologie der Krise. Zudem ist Wien eine kleine Börse geworden, und da spürt man Phasen, in denen Europa das Vertrauen entzogen wird, natürlich doppelt. Vor allem bei einem Unternehmen wie Wienerberger, das zu 60 Prozent von Amerikanern gehalten wird, die von der Eurokrise natürlich noch etwas stärker verunsichert werden.

Zurück zum Markt. Dort ist für Sie der zu geringe Neubau ein Problem. Dieses Thema wird hierzulande nun auch in der Politik diskutiert. Gibt es in Österreich zu wenig Neubau?

Es gibt – vor allem in den Ballungszentren wie dem Wiener Raum – einen Bedarf an Wohnungen. Dies trifft vor allem auf leistbaren Wohnraum zu. Österreich ist hier zwar grundsätzlich in einer privilegierten Stellung, weil wir den sozialen Wohnbau und die Wohnbauförderung haben. Zuletzt wurde das jedoch ein bisschen vernachlässigt.

Sollte die Wohnbauförderung wieder zweckgebunden werden?

Natürlich soll sie zweckgebunden sein. Wir haben sie ja auch dafür eingeführt.

Jetzt kann man natürlich sagen: Na klar, ein Baustoffkonzern will natürlich viel Neubau haben. Sie sind aber auch Arbeitgeber von rund 1000 Mitarbeitern in Österreich. Was wäre Ihnen lieber, die Wiedereinführung der Zweckbindung oder die Abschaffung der Wohnbauförderung, was zu einer Senkung der Lohnnebenkosten führen würde?

Ich bleibe bei der Zweckbindung der Wohnbauförderung, denn bei den Lohnnebenkosten bin ich skeptisch, dass das durchführbar wäre. Zudem würde man damit den Markt gewaltig verunsichern. Dies ist etwa in den Niederlanden in den 1990er-Jahren geschehen. Die Folge waren Jahre, in denen zu wenig gebaut wurde.

In der aktuellen politischen Diskussion wird die Wiedereinführung der Zweckbindung ja vor allem von den Landeshauptleuten abgelehnt. Sollten die in dieser Frage einlenken?

Man darf in dieser Frage nicht nur regional denken. Es bedürfte überhaupt einer bundesweiten Regelung des sozialen Wohnbaus. Denn wichtig ist auch, dass richtig gebaut wird. So sollten Häuser mindestens auf eine Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren ausgelegt werden, und nicht auf 30 bis 40Jahre, wie das mitunter geschieht. Das ist kein nachhaltiges Bauen. Zudem sollte es bei der in den Förderkriterien vorgeschriebenen Energieeffizienz nicht nur um den Heizbedarf gehen, sondern um den gesamten energetischen Verbrauch, der notwendig ist, um ein Haus zu bauen und zu bewohnen. Leistbares Bauen und nachhaltiges Bauen schließt sich derzeit leider häufig aus.

Aber sind die Landeshauptleute aus Ihrer Sicht Blockierer in dieser Frage?

Ich würde jetzt nicht sagen, dass sie Blockierer sind. Wichtig wäre es jedoch, dass man sich zusammensetzt und sagt: Es ist wichtig, dass es geförderten Wohnbau gibt, dass es einheitliche Regelungen dafür gibt und dass es eine Zweckbindung der Wohnbauförderung gibt.

Da gibt es natürlich das Problem, dass einige Länder sich das vorhandene Wohnbaugeld seit Aufhebung der Zweckbindung bereits geholt haben. Die Niederösterreicher haben es investiert – nicht sonderlich erfolgreich. Die Steirer haben es überhaupt für das Stopfen der Budgetlöcher verwendet. Da gibt es ja oft gar kein Geld mehr, das man zweckbinden kann.

Es obliegt mir nicht, darüber zu urteilen. Das soll der Rechnungshof machen. Mir ist wichtig, dass wir das Instrument der Wohnbauförderung, wenn wir es schon haben, eben sinnvoll und zweckgebunden einsetzen.

Wie stark müsste die Wohnbaurate eigentlich gesteigert werden?

Pro Jahr werden zur Zeit 37.000Wohnungen gebaut. 55.000 zusätzliche Wohnungen werden jedoch benötigt. Man sieht also, dass es hier schon eine deutliche Steigerung braucht, um diese Lücke zu füllen.

Ist der geförderte Wohnbau für Wienerberger überhaupt ein relevanter Markt? Hier wird ja in der Regel mit Stahlbeton gebaut.

Es gibt auch mehrgeschoßigen Wohnbau, der mit Ziegeln errichtet wird. Der Anteil ist aber natürlich wesentlich geringer als bei Einfamilienhäusern, das ist richtig. Sie sehen also, dass mein Wunsch nach mehr gefördertem Wohnbau nicht unbedingt dem Eigeninteresse geschuldet ist.

Auf einen Blick

Heimo Scheuch ist seit Sommer 2009 Vorstandsvorsitzender des heimischen Ziegelkonzerns Wienerberger, der im Vorjahr mit rund 13.000 Mitarbeitern an 226Standorten einen Umsatz von 2,4 Mrd. Euro erwirtschaftet hat. Der gebürtige Kärntner (Jahrgang 1966) arbeitet seit 1996 bei dem Unternehmen. Zuvor arbeitete er nach seinem Rechts- und Betriebswirtschaftsstudium bei Anwaltskanzleien in London und Mailand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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