Jaan Albrecht: "Die AUA stand vor dem Konkurs"

CEO Albrecht of Austrian Airlines a subsidiary of German flagship carrier Lufthansa addresses a news conference at the airport in Schwechat
CEO Albrecht of Austrian Airlines a subsidiary of German flagship carrier Lufthansa addresses a news conference at the airport in SchwechatREUTERS
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Interview. Airline-Chef Jaan Albrecht erklärt, warum die von ihm gesetzten radikalen Sanierungsmaßnahmen der einzige Weg aus der prekären Situation sind. Die Zukunft der österreichischen Fluglinie sieht er durchaus positiv.

Die Presse: Die AUA hat im Vorjahr den operativen Verlust auf zehn Mio. Euro reduziert. Ist die AUA jetzt saniert?

Jaan Albrecht: Nein. Wir haben 2012 viel geleistet, das Resultat kann sich sehen lassen. Hätten wir nichts getan, wäre der Verlust bei 206 Millionen Euro gelegen. Das bedeutet aber nicht, dass wir fertig sind.

Stand die AUA also vor dem Konkurs?

Ja, die AUA stand vor dem Konkurs. Wir haben das im Aufsichtsrat besprochen, in dem auch die Belegschaftsvertreter sitzen. Die Situation war jedem klar: Die für Fluglinien notwendige Eigenkapitalquote war deutlich unterschritten, die Liquidität knapp. Das Einzige, was uns in dieser Situation gerettet hat, war, dass die Wirtschaftsprüfer an unseren Dreijahresplan geglaubt haben. Die Alternative wäre der Insolvenzantrag gewesen.

Was muss passieren, damit die AUA saniert ist?

Zehn Mio. Euro Verlust heißt, wir sind noch nicht über null. Heuer werden die Sparmaßnahmen, die im Vorjahr erst ab Jahresmitte gewirkt haben, voll greifen. Dennoch: Unsere Branche ist extrem krisenanfällig, externe Faktoren wie der Treibstoffpreis, Steuern oder das Wetter spielen eine große Rolle. Wir haben allein im Jänner und Februar für Enteisung viermal so viel ausgegeben wie im Durchschnitt. Das sind drei Millionen Euro zusätzliche Belastung.

Die AUA verbuchte früher manchmal Gewinne. Sie reichten aber nicht, um Krisen zu überstehen. Wird die AUA je dauerhaft krisenfest sein?

Es muss möglich sein. Wir haben strukturelle Maßnahmen gesetzt, die die AUA ein für alle Mal in eine stabile Position bringen, um in dem harten Umfeld überleben zu können. Genau darum ging es, und nicht um Einmaleffekte. Wir brauchen eine Kostenstruktur, die uns konkurrenzfähig macht, damit wir an Wachstum denken können. Da sind wir noch nicht. Mit dem Betriebsübergang auf die Tyrolean haben wir im Vorjahr den Flugbetrieb neu aufgestellt. Heuer sind noch viele Baustellen offen.

Welche sind das?

Wir müssen den Vertrieb verbessern, vor allem bei Geschäftskunden. Auf der Kostenseite geht es um die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten zwischen Innsbruck und Wien, etwa in der Verwaltung. Und es geht auch um den Einkauf.

Der Betriebsübergang ist der wichtigste Punkt im Sanierungsprogramm. Dagegen sind diverse Klagen anhängig. Was machen Sie, wenn die Gerichte dem Betriebsrat recht geben?

Die Juristen, die das mehrfach geprüft haben, sagen, es ist rechtens. Wirtschaftlich war der Weg notwendig, rechtlich ist er möglich. Wir sind zuversichtlich, dass die Richter in unserem Sinne entscheiden. Käme es anders, wären wir dort, wo wir vor einem Jahr waren: bei einer Kostenstruktur, die einer modernen Airline nicht entspricht.

Es würde wieder Konkurs drohen?

So drastisch würde ich das nicht sagen. Wir würden alles tun, um das zu vermeiden. Aber zur Kostenstruktur: Eine Airline hat etwa ein Drittel Treibstoffkosten, ebenso viel Personalkosten. Beim Treibstoff schafft man durch mehr Effizienz im Flugbetrieb höchstens zwei bis drei Prozent. Mehr geht nur durch Investitionen in neue Flugzeuge. So weit ist die AUA nicht. Wir mussten also auch bei den Personalkosten ansetzen. Der Bord-Kollektivvertrag stammt aus den 1980er-Jahren und ist nicht mehr konkurrenzfähig. Deshalb bedurfte es radikaler Maßnahmen. Sollten die Gerichte den Betriebsübergang kippen, müssten wir uns etwas einfallen lassen. Mit dem alten Gehaltssystem kann die AUA nicht überleben.

Der Betriebsübergang war radikal. Die Arbeitnehmer warfen Ihnen vor, die jahrzehntelang geübte Sozialpartnerschaft zu zerstören . . .

Ich war selbst Gewerkschafter und lernte daher beide Seiten kennen. In einem Land, in dem sich die Sozialpartnerschaft so lange bewährte, können Sie das nicht einfach zerstören. Ich bin auch jetzt an einer Verhandlungslösung interessiert. Wir haben im Vorjahr drei Monate verhandelt, zweimal hatten wir eine unterschriebene Lösung, die wurde zurückgezogen. Als wir den Kollektivvertrag als Druckmittel gekündigt hatten und der 1. Juli für den Betriebsübergang feststand, hatte ich keinen Spielraum mehr.

Die Kündigung des Kollektivvertrags war ein Novum, das die Gewerkschaft ganz allgemein alarmiert. Glauben Sie, dass andere Unternehmen oder Branchen der AUA folgen könnten?

Die AUA, die keinen Branchen-, sondern einen Firmenkollektivvertrag hat, befand sich in einer Sackgasse. Außerdem wollten wir ja den Tyrolean-KV einsetzen (den die Gewerkschaft gekündigt hat, Anm.). Ich glaube nicht, dass das Schule macht.

Obwohl, wie Sie sagten, auch den Betriebsräten die prekäre Situation bekannt war, klagten sie. Sind Sie vom Betriebsrat enttäuscht?

Ich kann die Reaktion des Betriebsrats verstehen. Es war ungewöhnlich, den KV zu kündigen und den Betriebsübergang zu machen. Ich denke, dass der Bordbetriebsrat, der an die Sozialpartnerschaft gewöhnt war, unseren Plan B (den Betriebsübergang, Anm.) einfach nie ernst genommen hat.

AUA-Piloten argumentieren, dass selbst Kollegen der Lufthansa-Regionaltochter Cityline mehr verdienen. Warum geht es bei der AUA nicht?

Man kann Gehälter nicht 1:1 vergleichen. Österreich ist ein anderer Markt als Deutschland oder die Schweiz. Der Anteil von Business-Reisenden ist dort viel höher und damit auch die Ticketerlöse. Zudem wurde lange nicht in neue Flugzeuge oder bessere Ausstattung investiert. Wir haben ein tolles Service und Essen, aber die Sitze entsprachen schon lang nicht dem letzten Stand. Letztlich gibt es in Wien große Konkurrenz durch Billig-Airlines, die Frankfurt und Zürich nicht hat. Niki ist mit Leihpersonal ohne Kollektivvertrag stark gewachsen.

Sie wollen einen neuen Bordkollektivvertrag verhandeln. Es sitzen aber die gleichen Partner am Tisch. Wie soll das gehen?

Der Betriebsrat vertritt nun auch die Regionalflotte, und ihm sitzt ein neues Team der Tyrolean-Führung gegenüber.

Welchen Zeithorizont haben Sie?

Die Verhandlungen habe Priorität, da schließe ich mich dem Aufruf von Vida-Chef Gottfried Winkler an. Ich rufe Betriebsratschef Karl Minhard und Tyrolean-Chef Klaus Froese auf, die Gespräche rasch zu starten. Solange die Klagen laufen, ist ein Abschluss nicht realistisch, aber nicht unmöglich. Der Betriebsrat könnte die Klage zurückziehen.

Hat es Sie gewundert, dass Minhard blieb?

Ich finde das gut. Das zeigt, dass auch der Betriebsrat trotz Veränderungen an eine gemeinsame Zukunft glaubt. 2012 wurden in Europas Luftfahrt 33.000 Arbeitsplätze gestrichen, wir stellen nun wieder Piloten ein.

Wo soll die AUA künftig stehen?

Die AUA hat bisher im Lufthansa-Konzern nicht mitreden können, weil sie mit dem Rücken an der Wand mit ausgestreckter Hand um Unterstützung bat. Da kann man keine Ansprüche stellen. Jetzt ist die Glaubwürdigkeit anders, wir werden ernst genommen. Erstmals dürfen wir am Tag der Konzerngesellschaften teilnehmen. Es geht etwa um die Rolle Wiens gegenüber Frankfurt, München und Zürich. Die Stärken der AUA liegen in Ost- und Zentraleuropa. Wir müssen mit dem Flughafen in Wien ein hochwertiges Produkt entwickeln, dann haben wir eine Chance.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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