Fracking: "Glaube, die Sachlage wird uns dazu zwingen"

Reinhold Mitterlehner
Reinhold MitterlehnerDie Presse
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Wirtschaftsminister Mitterlehner spricht sich vorsichtig für Schiefergas-Fracking aus. Voraussetzung sei eine umweltschonende Technologie. Er ortet die „Tendenz, etwas abzulehnen, bevor wir wissen, was es ist“.

Die Presse: Vizekanzler Michael Spindelegger hat ein Plädoyer für Leistungsdenken, Unternehmertum und niedrigere Steuern gehalten. Warum wurde das nicht längst erreicht und umgesetzt? Die ÖVP ist seit 1986 ununterbrochen in der Regierung.

Reinhold Mitterlehner: Der Parteiobmann hat absolut recht, wenn er fordert, dass wir in Österreich und in Europa eine starke Wirtschaft und eine Reindustrialisierung brauchen. Arbeitsplätze sind nicht naturgegeben und rot, sondern werden nur durch eine leistungsorientierte Gesellschaft und Unternehmen geschaffen. Warum das noch nicht passiert ist? Wir haben bekanntlich keine absolute Mehrheit. Die Diskussion wird in Europa zunehmend sozialistisch geführt: Brauchen wir überhaupt noch Privatisierungen? Ist die Sparpolitik unsozial? Warum zahlen nicht die Besserverdiener noch mehr? Das schwappt in Richtung Österreich.

Können die konservativen Parteien ihre Positionen nicht gut genug erklären und sind schlecht in der Kommunikation? Klassenkampf lässt sich offenbar besser verkaufen.

Es ist eine sehr komplexe Problemsituation und weniger eine komplexe Kommunikationssituation. In Europa, vor allem in den südlichen Ländern, wurden die Budgets nicht in Ordnung gebracht. Wir waren jahrelang gewohnt, mehr auszugeben und noch mehr umzuverteilen. Jetzt sind wir überfordert, wenn es darum geht, das Erreichte zu bewahren und eventuell umzustrukturieren.

Was heißt umstrukturieren?

Umstrukturierung heißt, dass man die Effizienz des Gesundheitssystems, des Pensionssystems, des Arbeitsmarktsystems, des Bildungssystems infrage stellt und analysiert und gegebenenfalls verändert. Das geht in einigen Ländern in Europa langsam, da kann man sich etwas dynamischer bewegen.

Umstrukturierung heißt sparen. Da gab es nicht viele Signale in letzter Zeit.

Ich würde nicht nur sagen sparen. Es geht darum, die Leistung aufrechtzuerhalten und die Effizienz im System zu steigern. Ein gutes Beispiel ist der Gesundheitsbereich, wo man das durchaus auch angeht und wo die Gebietskrankenkassen jetzt Gewinne schreiben.

Mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand. Und im Pensionsbereich?

Da haben wir schon viel erreicht: etwa die Möglichkeit der Rehabilitation von gesundheitlich Angeschlagenen. Das wird zu greifen beginnen. Vor allem die Betriebe merken auch, dass sie ältere Mitarbeiter brauchen, wenn weniger Junge nachrücken. Es geht relativ langsam und die EU wirft uns auch vor, dass wir im Pensionsbereich noch nicht alle Maßnahmen gesetzt haben. Das Pensionsantrittsalter wird steigen.

Sie meinen aber das gesetzliche, nicht das faktische, oder?

Ich habe das faktische gemeint. Also wenn wir einmal das gesetzliche erreichen mit faktischer Erhöhung, dann ist das wunderbar.

Also wird es keine Schnitte oder harten Maßnahmen geben?

Wir werden mit Sicherheit jetzt keine Pensionsdiskussion führen. Die Themen sind ja bekannt.

Ist die Wahrheit nicht zumutbar?

Ich glaube schon, die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Aber man muss in der Diskussion auch an das Schutzbedürfnis derer denken, die immer mit Reformen konfrontiert sind. Gerade die Gruppe, die eventuell dann in den Genuss der Pension kommt. Da finde ich eine subtile Vorgangsweise, auch unter Berücksichtigung der Betroffenen, schon sehr wichtig. Also nicht eine permanente Diskussion in der Öffentlichkeit. Wenn, dann wird man sich des Themas in den zukünftigen Regierungsverhandlungen annehmen und sehr sorgfältig anschauen, welche Maßnahmen hier noch notwendig oder nicht notwendig sind.

Voest-Chef Wolfgang Eder warnt, dass er Teile der Produktion in die USA verlagern müsse, wenn die Energiepreise so hoch bleiben. Sie sprechen von Reindustrialisierung.

Ich finde, dass die EU die Zeichen der Zeit erkannt hat: Wenn wir allein ein CO2-Ziel realisieren in Europa und die anderen Kontinente und Wirtschaftsmächte ziehen nicht mit und übernehmen unsere Arbeitsplätze wegen der Umweltmaßnahmen, ist das nicht sehr intelligent. Früher war Lohn der Faktor, der international ausschlaggebend war, ob ein Kontinent, ein Land konkurrenzfähig war, mittlerweile ist das die Energie. Daher gerät die Gazprom unter Druck, daher haben wir in Europa die Erdgasdiskussion und daher haben wir auch die Frage, wie man mit CO2-Zielen in Zukunft umgeht. Es wird nichts bringen, mit fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes, aber dafür ohne Industrie dazustehen. Das gefährdet das Gesamtwohl und da hat ein breites Umdenken begonnen. Auch auf europäischer Ebene.

Thema Erdgas-Fracking – in Österreich gibt es da ein Denkverbot. Warum traut sich das keiner?

Die Europäische Energie Agentur hat Regeln aufgestellt, wie man das goldene Jahrhundert vom Erdgas wirklich einleiten könnte. Und da ist die erste Regel die soziale Akzeptanz. Die Unternehmungen müssen sich nicht bei Frau Merkel oder bei Herrn Hollande bemühen, dass man dort ein Verständnis für Schiefergas-Produktion hat, sondern bei der Bevölkerung. Positiv ist, dass Prof. Hofstätter an der Montanuni in Leoben daran arbeitet, Fracking-Möglichkeiten zu entwickeln – ohne Chemikalien. Wir können Maissubstrate verwenden, mit denen vermieden wird, dass das Grundwasser verunreinigt würde. Die EU-Kommission hat auch das Problem erkannt und wird Musterprojekte vorstellen. Ich glaube, die Sachlage wird uns dazu zwingen. Vor allem könnten wir mehr Druck auch auf die anderen Anbieter erzeugen, wenn wir bestimmte europäische Produktionen nach oben fahren.

Bei wem liegt die Verantwortung für diese soziale Akzeptanz?

Soziale Akzeptanz liegt bei den Unternehmen, liegt aber auch bei der öffentlichen Hand. Wir werden versuchen, hier einen Bewusstseinsbildungsprozess einzuleiten. Denn wir haben in Österreich die Tendenz, etwas abzulehnen, bevor wir wissen, was es ist.

Glauben Sie, dass da die lokale Angst, nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch von politischen Würdenträgern kommt?

Man darf sich das nicht wie in den USA vorstellen: Dort sind die Bohrungen auch nicht so tief notwendig und dort wird viel grober und auf riesigen Flächen gearbeitet. Bei uns muss man Musterbeispiele darstellen. Wenn jemand nur bohrt – und die Bevölkerung weiß nicht, was da wirklich passiert, wird die Unsicherheit und damit die Ablehnung steigen. Man wird nur dann was erreichen, wenn man eine Einbindung aller Betroffenen erreicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2013)

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