Die rot-grüne Stadtregierung geht immer stärker gegen Autofahrer vor. Die steigen nun vermehrt auf öffentliche Verkehrsmittel um.
Wien/Stu. Die rot-grüne Rathauskoalition will den Autoverkehr in der Bundeshauptstadt bis 2015 um ein Drittel reduzieren. Als Kampfmaßnahme dafür setzt die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou auf Restriktionen. Nicht nur die massive Ausweitung von Tempo-30-Zonen soll Autofahrer in Wien einbremsen, sondern vor allem die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in Kombination mit einer massiven Erhöhung der Parkgebühren. Beides wurde bereits durchgeführt, beides zeigt Wirkung.
Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung
So zeigt der neueste Modal-Split (eine Untersuchung, auf welches Verkehrsmittel die Wiener im Alltag setzen), dass der Anteil der mit dem Auto zurückgelegten Wege in Wien mit 27 Prozent einen historischen Tiefstand erreicht hat, während die Wiener Linien jedes Jahr neue Passagier-Rekordzahlen feiern. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 wurden noch 37 Prozent der Wege per Auto in Wien zurückgelegt. Und: Hier ist noch nicht die jüngste, nochmalige Erweiterung der Parkpickerlzonen berücksichtigt. Diese Daten sollen im Juni vorliegen. Bereits jetzt steht aber fest: Die neuerliche Ausweitung der Parkpickerlzonen hat (nicht nur) den motorisierten Pendlerverkehr gebremst (rund 70 Prozent kommen per Auto nach Wien). Die ÖBB-Passagierzahlen rund um Wien sind seit der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung um sieben Prozent gestiegen – es steigen immer mehr Pendler aus Niederösterreich und dem Burgenland um.
Das zeigen auch die Zählstellen der Asfinag rund um Wien. Der Verkehr auf den Autobahnen im Ballungsraum Wien ist in den ersten drei Monaten zurückgegangen. Auf der Westautobahn bei Pressbaum (eine typische Pendlerstrecke) gab es den stärksten Rückgang: Hier waren im ersten Quartal um 9,2 Prozent weniger Pkw unterwegs als im ersten Quartal des Vorjahres. Anders formuliert: Pendler wissen nicht mehr, wo sie ihr Auto in Wien abstellen sollen und steigen notgedrungen auf die Bahn um.
Gerd Sammer (Institut für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur) hält fest: „Die Parkraumbewirtschaftung ist sicher die effizienteste Maßnahme, um den Autoverkehr zu reduzieren.“ Das zeigen die Verkehrsdaten seit dem Jahr 2000. Nicht nur hat das Auto bei den Alltagswegen deutlich an Bedeutung verloren, auch verzichten immer mehr Wiener auf einen eigenen Pkw. Seit 2009 ist die Pkw-Dichte von 390,8 Autos pro 1000 Einwohner auf 389,6 gesunken. Damit ist Wien das Bundesland mit dem geringsten Autoanteil pro Kopf, während die Stadt 1970 noch an der Spitze lag. Das bedeutet: Etwa jeder dritte Wiener besitzt ein Auto. Und der wohnt oft am Stadtrand.
Der Grund: Die Außenbezirke sind derzeit das Zentrum der Wiener Bautätigkeit. Hier entstehen tausende Wohnungen mit großzügigen Flächen zum Parken ohne gebührenpflichtige Kurzparkzonen. Dazu kommt, dass die öffentlichen Verkehrsmittel am Stadtrand meist nicht effizient ausgebaut sind – Stichwort: lange Intervalle, schlechte Verbindungen. Daher sind Wiener am Stadtrand wenig motiviert, das Auto stehen zu lassen bzw. sind sogar auf das Auto angewiesen. Vor allem wenn es zum Einkaufen in ein nahe gelegenes Shoppingcenter oder die Fahrt ins Grüne nach Niederösterreich geht. Oder darum, die Kinder in die Schule oder den Kindergarten zu bringen.
Die Probleme des öffentlichen Verkehrs am Stadtrand führen dazu, dass dort der Autoverkehr steigt. Allerdings: Die Rückgänge im verkehrstechnisch gut erschlossenen innerstädtischen Bereich kompensieren das, womit sich (statistisch gesehen) für ganz Wien ein Minus beim Verkehrsaufkommen ergibt. Und dieser Trend, so Sammer, werde sich in Zukunft fortsetzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2013)