Foglar: "Zehnfacher Lohn für den Vorstand"

ÖGB-Chef Erich Fogla
ÖGB-Chef Erich Fogla(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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ÖGB-Chef Erich Foglar über den Wunsch nach einer sechsten Urlaubswoche, die Zweckwidmung einer Erbschaftssteuer und die Frage, ab wann jemand reich ist.

Die Presse: Wie ist denn derzeit Ihr Verhältnis zur SPÖ?

Erich Foglar: Ganz normal. Das Verhältnis des ÖGB zur Regierung ist insgesamt gut.

Aber die SPÖ hat ihnen eben die Gefolgschaft beim Wunsch nach der sechsten Urlaubswoche aufgekündigt, und ihren Parteichef, Bundeskanzler Werner Faymann, mussten Sie jüngst beim Lehrerdienstrecht zurechtweisen.

Ich weise niemanden zurecht, ich vertrete Positionen. Und die sechste Urlaubswoche steht im Arbeitsprogramm des ÖGB, das ist die Grundlage für die nächsten fünf Jahre. Ob das Thema bei der Wahl eine Rolle spielt, ist nicht unser Problem.

Ist in Zeiten der Krise die Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche nicht etwas verwegen?

Wir fordern nicht die sechste Urlaubswoche, wir haben sie schon in Österreich. Wir wollen einen leichteren Zugang. Die Menschen wünschen sich mehr Entlastung, sie spüren, dass es nicht mehr geht. Je schwieriger es wirtschaftlich wird, umso größer wird der Druck auf die Arbeitnehmer. Das ist ein Problem, das sich am Ende gesellschaftlich in sehr hohen Kosten niederschlägt, vom Menschlichen rede ich gar nicht. Burn-out ist keine Modeerkrankung, sondern Ausdruck dieser Arbeitswelt. Daher ist es wichtig, die Belastung zu reduzieren.

Beutet nach Ihrer Ansicht also die Wirtschaft die Arbeitskräfte aus?

Bis zu einem gewissen Grad ja.

Themenwechsel zur heiß debattierten Vermögen- und Reichensteuer: Ab wann ist jemand in Ihren Augen reich?

In Österreich gehört zehn Prozent der reichsten Haushalte zwei Drittel des gesamten Vermögens. Geld, Grund, Häuser, Beteiligungen . . .

In Österreich bezahlen aber auch zehn Prozent der Einkommensbezieher mehr als 50 Prozent der Steuern.

Das ist ein anderes Thema, da geht es um den Einkommens- und Lohnbereich. Diesen Bereich, vor allem den Lohnsteuerbereich, wollen wir mit einer Vermögenssteuer entlasten. Mehr netto vom Brutto.

Damit das spürbar ist, müssen die Vermögensteuern aber enorm hoch sein oder sehr früh greifen.

Wenn wir bei den Vermögensteuern den OECD-Durchschnitt hätten, dann käme etwa 5,6 Prozent des Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern. Derzeit haben wir 1,4 Prozent. Alle Studien bescheinigen uns, dass wir die höchsten Belastungen für den Faktor Arbeit haben. Und das muss reduziert wird. Deswegen ist man nicht gleich ein kommunistischer Staat, es bricht auch kein Klassenkampf aus. Es sollen die, die mehr haben, auch einen fairen Beitrag für den Staat leisten.

Die OECD bescheinigt uns aber auch, dass wir die höchste Umverteilung in Europa haben.

Das stimmt bei den Transferleistungen. Die zehn Prozent bei den Einkommen finanzieren die Umverteilung. Das ist okay. Aber es geht um die großen Vermögen, die explodieren. Es ist ja kein Zufall, dass die Arbeitslosigkeit steigt, gleichzeitig aber auch die Vermögen und die Zahl der Millionäre.

Liest man das ÖGB-Programm, soll eine Vermögensteuer ab 700.000 Euro greifen. Da wird bald jeder Wohnungsbesitzer in Wien dazugehören.

700.000 Euro Nettovermögen. Ohne Schulden, Betriebsvermögen gehört auch nicht dazu. Das trifft nicht viele, auf 700.000 Nettovermögen kommt man nicht so leicht. Das trifft in erster Linie Menschen, die weit, weit mehr haben. Es geht nicht um die Menschen, die ein zweites Auto haben, eine Wohnung, einen Garten.

Aber um die geht es bei der Erbschaftssteuer, wie sie der ÖGB gern hätte. Die soll ja schon ab 150.000 Euro greifen.

Ja, aber die Steuer wäre gestaffelt nach Verwandtschaftsverhältnis. Wir hatten die Steuer ja schon, nur hat man sie abgeschafft.

Auch wegen Geringfügigkeit.

Also bitte, 150 Millionen Euro pro Jahr sind nicht geringfügig. Im Sozialbereich sind 150 Millionen Euro sehr viel Geld. Man könnte etwa eine Erbschaftssteuer zweckbinden für die Pflege, das hielte ich für fair. Das wäre auch ein fairer Beitrag der Erbengeneration, um denen, die es ihnen vererben, ein Altern in Würde zu ermöglichen.

Ist es eigentlich moralisch unanständig, wenn jemand, wie VW-Chef Martin Winterkorn, im Jahr 15 Millionen Euro verdient?

Solche Verdienste stehen in keiner Relation zur Leistung. Kein Mensch kann so viel leisten wie 60, 70 Arbeitnehmer. In Wahrheit erbringen die Arbeitnehmer die Leistung und die Gewinne, sie sichern die Arbeitsplätze.

Können Sie dem Schweizer Volksbegehren etwas abgewinnen, das die Vorstandsgehälter auf das Zwölffache des Mindestlohns, der in der Firma bezahlt wird, beschränken will?

Warum nicht 1:10? Der zehnfache Durchschnittslohn für Manager. Wenn heute in einer Firma jemand 50.000 Euro Jahresgehalt hat, dann entspricht das einem gut bezahlten, mittleren Angestellten mit der Verantwortung eines Gruppenleiters. Dann bekommt der Vorstand 500.000 Euro im Jahr, das ist ein recht schönes Einkommen. Wenn man das aber als einzelnes Land festschreibt, können Manager leicht ausweichen – dann sind sie eben in einem anderen Land angestellt.

Also bräuchte man eine europaweite Initiative.

Das wäre eine Möglichkeit.

Wieso gibt es eigentlich immer eine Diskussion, wenn Manager Millionen verdienen, aber wenn etwa Lionel Messi 15 Millionen Euro im Jahr verdient, regt das niemanden auf?

Das ist eine gute Frage. Messi zieht eben Menschen an. Manager aber steigern ihr Einkommen oft dadurch, dass sie Arbeitsplätze abbauen und andere um ihr Arbeitseinkommen bringen.

Zur Person

Erich Foglar ist seit 2008 Präsident des ÖGB. Der gebürtige Wiener machte eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker und trat 1971 der Gewerkschaft bei. 1992 wurde er Zentralsekretär, 2006 geschäftsführender, leitender Sekretär des ÖGB. Kommende Woche (18.–20. Juni) wird es beim Bundeskongress des ÖGB unter anderem um Verteilungsgerechtigkeit gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2013)

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