Die von der ÖVP geforderte Senkung der Arbeitgeberbeiträge zum Insolvenzentgeldfonds ist angesichts der Großinsolvenz obsolet. Die Pleite des Baukonzerns kostet bis zu 30 Millionen.
Wien. Erst im März dieses Jahres hat der Insolvenzentgeltfonds (IEF) die letzten offenen Verbindlichkeiten abgebaut. Mit der Megapleite des Baukonzerns Alpine, die gemessen an den Schulden noch den Zusammenbruch des einstigen Handelskonzerns Konsum übertrifft, kommt der IEF wieder in Bedrängnis. Ist der Pleitefonds jetzt selbst in Pleitegefahr? „Die Mittel sind gesichert“, bekräftigt IEF-Chef Wolfgang Pfabigan. Man habe sich angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage schon auf größere Insolvenzen eingestellt. Dennoch hat die Alpine eine Größenordnung, die es erst zu verkraften gilt – auch wenn noch keine Details bekannt sind. Erst am Dienstag ist der Personalvermittler MPS mit 800 Beschäftigten in die Pleite gerutscht. Pfabigan kann allerdings nicht ausschließen, dass der IEF jetzt wieder Schulden machen muss. Die Alpine allein dürfte den Fonds zehn bis 30 Millionen Euro kosten, schätzt er vorsichtig.
Der IEF, der die Ansprüche (Gehälter und Abfertigungen) von Mitarbeitern insolventer Unternehmen übernimmt, wird ausschließlich aus Beiträgen der Arbeitgeber gespeist. Sie zahlen derzeit 0,55 Prozent der Bruttolohnsumme ein. Die Einnahmen reichen aber nicht aus – vor allem seit der Wirtschaftskrise 2008, als sich die konjunkturelle Abwärtsbewegung auch in der Insolvenzstatistik niederschlug. Zudem werden aus dem Fonds seit dem Jahr 2003 auch erkleckliche Mittel für die Lehrlingsförderung entnommen. Just 2008, als die große Wirtschafts- und Finanzkrise begann, wurden die Beiträge zum IEF von 0,7 auf 0,55 Prozent gesenkt.
Keine Beitragserhöhung
Dass sie jetzt erhöht werden, schließt der für den IEF zuständige Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) genauso aus wie eine kürzlich von der ÖVP und der Wirtschaftskammer geforderte Senkung. Eine Erhöhung der Beiträge um 0,1 Prozent kostet die Wirtschaft rund 80 Millionen Euro. „Der Fonds ist im Plus, wenn alles gut geht, sind wir Ende des Jahres weiter im Plus – aber nicht so sehr wie angenommen.“ Der Minister weiß aber, was jetzt notwendig ist – Beruhigung. „Sie können sicher sein: Der Insolvenzentgeltfonds hat 2013 kein Finanzierungsproblem“, sagte er am Mittwoch.
Seit 2001 hat der IEF an 300.000 Beschäftigte 2,5 Milliarden Euro ausbezahlt. Der bisher höchste Betrag fiel 2003 mit 306 Millionen Euro an. Dann fielen die Auszahlungen schrittweise auf 208 Millionen Euro, um 2009 drastisch auf 277 Millionen Euro hinaufzuschnellen. 2010 gingen sie auf 258 und 2011 auf 208 Mio. Euro zurück. 2012 wurden 191 Millionen gezahlt. Die Einnahmen aus den Arbeitgeberbeiträgen sind in den letzten Jahren leicht gestiegen und machten zuletzt 452 Millionen Euro aus. Dazu kam ein kleiner Betrag an Zinsgewinnen und Rückflüssen aus abgewickelten Insolvenzen. So etwa holt sich der IEF bei Baufirmen Geld von der Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskassa (BUAK).
2013 dürfte ein deutlich stärkeres Insolvenzjahr als 2012 werden, sagt Pfabigan. Er rechne mit „deutlich mehr“ Auszahlungen als noch im Vorjahr. Der IEF dürfte daher, wie in den letzten Jahren, wieder Kredite aufnehmen müssen, um alle Verpflichtungen (inklusive Lehrlingsförderung von rund 160 Millionen pro Jahr) zu bewältigen. Zuletzt hatte die Finanzlücke rund 80 Mio. Euro ausgemacht. Deshalb wurde 2011 ein Rettungsplan beschlossen. Bis 2015 erhält der IEF aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung 328 Millionen Euro – heuer 64 und in den beiden Folgejahren 112 beziehungsweise 115 Millionen. Der Zuschuss ist möglich geworden, weil die Befreiung von Arbeitnehmern über 58 Jahre vom Arbeitslosenversicherungsbeitrag ausgesetzt wurde.
Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um die Lehrlingsförderung wieder voll entflammt. „Das ist eine zweckwidrige und wirtschaftlich unsinnige Ausräumung des Fonds“, kritisiert Hans-Georg Kantner, der Insolvenzexperte des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). Jetzt, angesichts des Zusammenbruchs der Alpine Bau, zeigten sich die negativen Folgen dieser Entscheidung. „Die Mittel könnte der Fonds jetzt notwendig brauchen“, sagt Kantner zur „Presse“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2013)