Nach dem Scheitern der Auffanglösung wird der Konzern zerschlagen, die Baustellen sollen einzeln von kleineren Firmen weitergeführt werden.
Wien. 5,7 Mio. Euro waren viel zu wenig. Für die auf Initiative von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) diskutierte große Auffanglösung für den insolventen Baukonzern Alpine – unter Einbindung von Strabag und Porr – wären zumindest 40 Mio. Euro nötig gewesen, um wenigstens die nächsten 14 Tage zu überbrücken. Die Alpine verliert nämlich täglich drei Mio. Euro. Für Masseverwalter Stephan Riel, der nach dem Scheitern der Verhandlungen noch am Montag den Schließungsantrag für die Alpine eingebracht hat, beginnt der Wettlauf mit der Zeit: Er versucht, dass kleinere Baufirmen die tausenden Baustellen in ganz Österreich übernehmen und fortführen.
Von der Pleite des zweitgrößten Baukonzerns sind 4300 Baustellen im In- und Ausland mit 4900 Mitarbeitern im In- und rund 2000 Beschäftigten im Ausland betroffen, sagt Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer zur „Presse“. Dazu kommen 400 Arbeitsgemeinschaften (Arge), wo die Alpine mit Partnern – wie am Wiener Hauptbahnhof mit Strabag, Porr und Pittel & Brausewetter – ein Konsortium bildet. Bei den Arge haften die Partner für die Fortführung, weshalb es dort weniger Probleme gebe, so Weinhofer.
Der Ausverkauf der Baustellen muss so rasch wie möglich geschehen. Denn zum einen drohen die Lieferanten abzuspringen – was bei einigen Baustellen schon passiert sein dürfte. Zum anderen erhalten die Beschäftigten zwar noch 30 Tage aus dem Insolvenzentgeltfonds ihre Gehälter. Aber sie haben das Recht, vorzeitig aus dem Unternehmen auszutreten, was sie – bei entsprechenden Jobangeboten – tun dürften. Es müsse jedoch Projekt für Projekt geprüft werden, ob der Bau unter einer neuen Gesellschaft fortgeführt werden könne, sagt Hans-Georg Kantner, der Insolvenzexperte des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). Um dieses Monstervorhaben zu bewältigen, hat Riel mit Alpine-Mitarbeitern eine „Abwicklungsmannschaft“ zusammengestellt. Interesse sollen schon die Baufirmen Porr und Strabag sowie Hinteregger angemeldet haben. Sie können sich jetzt die Filetstücke herauspicken.
Berichten wird Riel darüber am 4. Juli bei der ersten Gläubigerversammlung. Der erste „Kassasturz“ erfolgt am 16. August. Bis dahin müssen Gläubiger ihre Forderungen anmelden. „Da werden wir ein Bild bekommen, welche Gläubiger besonders stark involviert sind“, sagt Weinhofer.
Die größte Pleite der Nachkriegszeit wird von der Crème de la Crème der Insolvenzverwalter betreut. Riel und seine Kanzleipartner Johannes Jaksch und Alexander Schoeller sind auf Pleiten, Pech und Pannen spezialisiert. Jaksch hat den Konkurs des Handelsriesen Konsum, von Stölzle und Hallein Papier betreut, Schoeller wiederum hat Mautner Markhof und Hirtenberger in der Insolvenz vertreten. Riel war zuletzt Masseverwalter beim Schwedenbomben-Produzenten Niemetz. Drei Anwälte verstärken das Team: Ulla Reisch und Georg Freimüller, die bei der A-Tec-Pleite die Anleihegläubiger vertraten, sind für die Arbeitnehmer und die Verwaltung der ausländischen Alpine-Niederlassungen zuständig. Michael Lentsch betreut die Arge. Alle werden von der BDO Financial Services unterstützt.
Ringen um Konjunkturpaket
Nach dem Scheitern der Alpine-Auffanglösung rangen SPÖ und ÖVP weiter um ein Konjunkturpaket, das dem Bau zugute kommen soll. Es könnte heute, Dienstag, beim Ministerrat vorgestellt werden. Allerdings klafften die Vorstellungen über die Höhe – die SPÖ spricht von 800 Mio. Euro im ersten Jahr – weit auseinander. Aus Reserven werde man das aber nicht stemmen können, widersprach Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) ihrem Parteikollegen, Finanzstaatssekretär Andreas Schieder.
Wifo-Chef Karl Aiginger warnte indes vor Schnellschüssen: „Im Wahlkampf soll es keine Wahlgeschenke geben.“ Wegen der Alpine den wirtschaftspolitischen Kurs zu verlassen, sei nicht sinnvoll. Ähnlich reagierte der Präsident des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer. Er warnte die Regierung vor einem großen Konjunkturpaket. Österreich würde dann seine Defizitziele verfehlen, so Felderer.
Auf einen Blick
Die insolvente Baugesellschaft Alpine wird zerschlagen, nachdem in der Nacht zum Montag die Gespräche über eine Auffanglösung mit Strabag und Porr gescheitert sind. Masseverwalter Stephan Riel hat noch am Montag den Schließungsantrag gestellt. Jetzt sollen die 4200 Baustellen im In- und Ausland einzeln von kleineren Firmen weitergeführt werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2013)