Kalte Progression: Jedes Jahr eine Steuererhöhung

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Steuererhoehung(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Auch ohne offizielle Anhebung steige die Abgabenlast laufend. Das müsse „relativ dringend“ zurückgenommen werden, fordert IHS-Chef Christian Keuschnigg.

Wien/Hie. Offiziell erhöht wurde die Lohnsteuer im letzten Jahr zwar nicht, trotzdem haben die heimischen Beschäftigten wieder mehr an den Fiskus abgeliefert. Möglich macht das die „kalte Progression“ – Zuwächse der Bruttoeinkommen werden teilweise von der Inflation aufgefressen. In Österreich steigen nämlich zahlreiche Gebühren, Mieten und auch die Löhne mit der Teuerung. Die Einkommensgrenzen für die jeweiligen Steuersätze hingegen bleiben gleich. So kann es passieren, dass bei einer (nominellen) Lohnerhöhung Einkommensteile des Steuerzahlers in eine höhere Progressionsstufe rutschen und ihm nach Abzug der Inflation real sogar weniger bleibt als im Jahr zuvor.

Ein Umstand, den Christian Keuschnigg, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), kritisiert: „Die kalte Progression bedeutet eine stille Steuererhöhung, die nie demokratisch beschlossen wurde“, sagte der Ökonom am gestrigen Mittwoch bei der Präsentation der IHS-Wirtschaftsprognose. Es stehe daher „relativ dringend an, das rückgängig zu machen“, so Keuschnigg. Die Lohnsteuer habe sich in den vergangenen Jahren „unheimlich dynamisch“ entwickelt.

Im Vorjahr stiegen die Löhne und Gehälter in Österreich inklusive Sozialabgaben um durchschnittlich 4,3 Prozent. Die Lohnsteuereinnahmen erhöhten sich im selben Zeitraum doppelt so stark. Und im Jahr 2010 lieferten die Beschäftigten in Österreich wegen der kalten Progression eine halbe Milliarde Euro zusätzlich an Steuern ab, schätzt die Arbeiterkammer Oberösterreich. „Man könnte sogar überlegen, die Indexierung automatisch zu machen“, so Klaus Weyerstraß vom IHS. Die Einkommensgrenzen für die Steuersätze automatisch an die Inflation anzupassen ist eine langjährige Forderung des IHS. In 17 von 34 Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist das bereits jetzt so. Die automatische Inflationsanpassung käme vor allem der Mittelschicht zugute, die von der kalten Progression am meisten belastet wird. Denn bei Einkommen ab 4400Euro brutto steigen die Sozialabgaben nicht mehr an. Man darf also mehr von den Lohnsteigerungen auch wirklich behalten.

„Sind schon fast bei Flat Tax“

Österreich hat mit 44 Prozent eine der höchsten Abgabenquoten der Welt. Damit habe sich Österreich einen großen Wettbewerbsnachteil verschafft. „Wir sind ja schon fast bei einer Flat Tax“, so Keuschnigg. Neben der Rücknahme der kalten Progression hält er auch eine Steuerreform für notwendig. Der Eingangssteuersatz steige „sprungartig“ auf ein sehr hohes Niveau an. Die Staatsverschuldung müsse „langsam, aber sicher“ abgebaut werden. Laut Plan der Regierung soll das Budget 2016 ausgeglichen sein und 2017 einen leichten Überschuss abwerfen. Mit strikter Budgetdisziplin sei dies erreichbar, so Keuschnigg.

Die IHS-Prognose für die Jahre von 2013 bis 2017 macht deutlich, worauf sich Österreich einstellen muss: mehrere Jahre mit vergleichsweise schwachem Wachstum. Das IHS prognostiziert, dass die heimische Wirtschaft in diesem Zeitraum um durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr wachsen wird. In den Jahren von 2003 bis 2007 waren es im Durchschnitt immerhin 2,6 Prozent pro Jahr.

Kein großer Aufschwung in Sicht

„Wir sind weiterhin gedämpft optimistisch“, sagte Studienleiter Helmut Hofer. Er gehe davon aus, dass der Höhepunkt der Krise im Euroraum schon erreicht ist. „Aber ein großer Aufschwung, wie man ihn vielleicht früher nach so einer langen Schwächephase vermutet hätte, ist nicht zu erwarten“, so Hofer. So werde auch die Arbeitslosigkeit weiter steigen und nächstes Jahr mit 7,5 Prozent (nationale Quote) ihren Höhepunkt erreichen.

Auf einen Blick

Die Löhne stiegen im Vorjahr um 4,3 Prozent, die Einnahmen aus der Lohnsteuer gleich doppelt so stark. Das liegt auch an der kalten Progression: Die Lohnerhöhungen werden teilweise von der Teuerung aufgefressen. Das IHS fordert einen Ausgleich der kalten Progression und eine Steuerreform.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2013)

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