Wirtschaftsstandort Österreich: „Haben enorme Probleme“

IV-Präsident Georg Kapsch gibt Christoph Leitl in der Standortdebatte Rückendeckung. Österreich falle zurück.
IV-Präsident Georg Kapsch gibt Christoph Leitl in der Standortdebatte Rückendeckung. Österreich falle zurück.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Andere Länder ziehen an Österreich vorbei, warnt die Industrie in der Standortdebatte. Die Versäumnisse zeigen sich im Vergleich mit Deutschland oder Schweden.

Alpbach. „Wir haben enorme Probleme“, sagt Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, und bezieht so in der jüngst aufgeflammten Debatte über den Wirtschaftsstandort Österreich erstmals Stellung. „Meine Diktion wäre sicher eine andere“, betont der Industrielle in Hinblick auf den „Abgesandelt“-Sager von Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl, aber „inhaltlich teile ich seine Meinung in vielen Punkten.“ Leitls Ansage hatte vergangene Woche für Aufregung gesorgt. Spitzenpolitiker aus beiden Regierungsparteien rückten seither aus, um den Wählern zu versichern, dass alles in Ordnung sei. Internationale Rankings, die Anderes beweisen, seien methodisch fragwürdig und überbewertet, so die Argumentation.

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Schröders Pensionsreform . . .

Kapsch sieht das denkbar anders: Die Rankings fußten großteils auf harten Fakten und ließen damit wenig Platz für Interpretation. Zudem genüge ein Blick über die Grenzen, um zu sehen, was Österreich trotz seiner guten Position in den vergangenen Jahren verpasst habe. Die Lohnstückkosten stiegen in Österreich seit 2008 um 15 Prozent, doppelt so schnell wie in der Eurozone. Die Schulden- und Abgabenquote bleibt seit Jahren hoch. Während andere Länder sich verbessern, bleibe hierzulande alles „statisch“. Genau diese Entwicklung sei es auch, die sich von den Standortrankings ablesen lässt.

Konkrete Versäumnisse zeigen sich am besten im direkten Vergleich mit Ländern wie Deutschland oder Schweden. Deutschland stand 2000 vor demselben Problem wie Österreich: Nur 42 Prozent der 55- bis 64-Jährigen waren berufstätig. 13 Jahre und eine Pensionsreform von SPD-Kanzler Gerhard Schröder später sind 64 Prozent der Deutschen in dem Alter berufstätig. In Österreich blieb der Wert unverändert. Die Pensionen kosten den Staat Geld, das für Forschung und Bildung fehlt. Im zuletzt scharf kritisierten IMD-Ranking bedeutete das für Österreich den Absturz von Rang elf auf 23 in nur sechs Jahren. Deutschland arbeitete sich unterdessen von Platz 16 auf neun nach oben. Hohe Steuern, eine ineffiziente Verwaltung und ein erdrückender Schuldenberg bei Bund und Ländern seien die Hauptprobleme Österreichs, analysierte das Schweizer Institut damals.

Schweden war 1995 zum Teil in einer ähnlichen Situation und fällte eine schwere Entscheidung: Bei einem Schuldenstand, der vergleichbar mit dem Österreichs heute ist, erklärte sich das Land für bankrott und schlug einen harten Reformkurs ein. Auch hier schaffte es just ein sozialdemokratischer Ministerpräsident, Göran Persson, das Land in fünf Jahren zurück in die schwarzen Zahlen zu bringen – ohne das Volk in Armut zu stürzen.

. . . und Perssons Sparkurs

Die Überschüsse gab der Staat nicht einfach aus, sondern baute damit Schulden ab. Heute liegt Schwedens Schuldenquote bei nur 37 Prozent der Wirtschaftsleistung. Und in Österreich würde immer noch erklärt, dass alles in Ordnung ist, empört sich Kapsch. Auch dem IMD entging Schwedens Entwicklung nicht. Das Land stieg von Platz 19 im Jahr 1997 auf den vierten Rang der wettbewerbsfähigsten Länder auf. Das, obwohl Schweden mit 47 Prozent Abgabenquote von seinen Bürgern sogar mehr Geld fordert als Österreich mit 43 Prozent. Doch wieder ist es die Entwicklung, die entscheidet: Schweden reduzierte die Quote von über 50 Prozent konstant. In Österreich bewegt sich seit Jahren nichts.

Mehr Einsatz für den Standort Österreich erhofft sich Kapsch von der neuen Regierung. Auf die Frage, wem er das zutraut, fällt ihm die Antwort schwerer: „Es wird schon die eine oder andere Konstellation geben“, so der Liberale. „Aber leicht wird es nicht sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2013)

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