Family Business: Erben und sterben

Family Business Erben sterben
Family Business Erben sterben(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at
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Die Hiobsbotschaften kamen heuer fast im Stundentakt: Viele Familienunternehmen sind in große Schwierigkeiten geraten oder haben den Existenzkampf verloren. Ist dieses Finale vorgezeichnet?

Der Trost dürfte enden wollend gewesen sein: Um sieben Prozent stürzte die Aktie des Leuchtenkonzerns Zumtobel ab, als am Freitag der Vorwoche der Aufsichtsrat dem Vorstandschef Harald Sommerer und Finanzvorstand Mathias Dähm das Licht abdrehte. Wegen Differenzen über die Strategie wurde der Rücktritt angenommen. Hieß es. Aufsichtsrat gegen Vorstand – das ist ein Match, das keinem Unternehmen guttut. Schon gar nicht, wenn der Aufsichtsratspräsident die Familie vertritt, der das Unternehmen gehört. Beim Vorarlberger Traditionsunternehmen hält Jörg Zumtobel in dieser Funktion die Zügel fest in der Hand. Das hat schon Sommerers Vorgänger Andreas Ludwig erfahren dürfen – er blieb immerhin sieben Jahre, sein Abgang im Mai 2010 war aber auch nur offiziell „einvernehmlich“.

Beim Lichtspezialisten schaltete man nach dem Showdown vergangene Woche jedenfalls wieder auf business as usual. Reden will niemand, aber es gilt als offenes Geheimnis, dass Zumtobel nicht nur einer kleinen Strategiekorrektur bedarf. Vielmehr geht es um die Neuausrichtung auf die LED-Technologie, und gleichzeitig muss Ballast abgeworfen werden. Dass dies umso schwieriger ist, wenn der größte Verlustbringer, Thorn, just von Zumtobel gekauft und als großer Internationalisierungsschritt gefeiert wurde, ist nicht schwer zu erraten.

Ein Klassiker für ein Familienunternehmen, in dem die Interessen zwischen Eigentümern und Management diametral auseinandergehen? Offenbar. Zumtobel ist kein Einzelfall – nur das jüngste einer ganzen Reihe von negativen Beispielen. Das Bild vom erfolgreichen Familienbetrieb, der über Generationen gewachsen ist und alle gefährlichen Klippen gut umschiffen konnte, ist gehörig getrübt.

Von Darbo bis Swarovski.
Österreich ist reich an wohlklingenden Familiennamen, die die Wirtschaftsszene maßgeblich prägen. Die Liste reicht – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – von Darbo (Marmelade) Graf (Novomatic) über Glock (Waffen), Kapsch (Elektronik/Mautsysteme), Kahane (Industrie/Bank), Mayr-Melnhof (Karton), Piëch/Porsche (Auto), Riedel bis zu Swarovski (Optik/Schmuck). Rund 80 Prozent aller Unternehmen in Österreich (das sind etwa 240.000) befinden sich ganz oder zumindest teilweise in Familienbesitz. Der größte Teil von ihnen wird bereits in zweiter oder sogar dritter Generation geführt.

Zuletzt haben bekannte Familienunternehmen aber vor allem mit negativen Schlagzeilen für Aufsehen gesorgt. Backhausen, Baumax, Bene, Niemetz, Kika/Leiner, Niedermeyer, Rosenberger, Sport Eybl & Sports Experts, Umdasch, Zumtobel – was läuft schief in Österreichs Traditionsbetrieben? Die Gründe für Schwierigkeiten bis zum Scheitern mögen zum Teil sehr unterschiedlicher Natur sein und auch nicht familiengeführte Unternehmen aus der Bahn werfen. Zu rasante Expansion, Fehleinschätzung des Marktes, Verschlafen neuer Trends: All das passiert auch anderswo. Dennoch – Familienunternehmen sind etwas Besonderes: Ihre Stärken – Kontinuität, Tradition, Familienmitglieder im Management – sind nämlich auch ihre Schwächen.

„Gerade die Tradition kann sich innovationsfeindlich auswirken, wenn die Bewahrer die Oberhand haben“, sagt dazu Universitätsprofessor Hermann Frank, Chef des Forschungsinstituts für Familienunternehmen an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Die Familie und das Unternehmen sind eigentlich zwei verschiedene Systeme, die unterschiedlich ticken – dieses Spannungsfeld kann im besten Fall sogar Innovationen fördern. Aber nur dann, wenn die Polarität als positive Herausforderung gesehen wird.“

Die Stiftung bewahrt. Personalberater Günther Tengel, geschäftsführender Gesellschafter von Amrop Jenewein, spitzt es zu: „Am Ende gewinnt meist das Blut.“ Was er damit meint? Häufig stünde hinter der Eigentümerfamilie auch noch eine Stiftung – und die sei einzig auf das Bewahren ausgerichtet. Wenn das Unternehmen dann noch in einem sich rasch ändernden Markt agiert, wie etwa im Handel, dann entstünde eine „gefährliche Gemengelage“.

Beispiele hat Tengel mehr als genug: Von der einst reichsten Industriellendynastie Mautner Markhof ist nicht mehr als der Name einer kleinen Senf- und Essigproduktion übrig geblieben – und die ist nicht mehr in Familienbesitz. Der Neustart mit einem eigenen Lebensmittelkonzern endete für die Brüder Manfred Leo und Theodor im Fiasko: 2008 ging die Mautner Markhof AG in Konkurs, zwei Jahre später musste Manfred Leo auch Privatkonkurs anmelden. Beim Wäscheimperium Palmers wurde viel mehr gestritten statt modernisiert. Der letzte Ausweg war 2004 der Verkauf.

„Wenn die Kompetenzen nicht geklärt sind, dann geht's schief“, sagt Ottakringer-Chef Siegfried Menz. Er weiß, wovon er spricht, arbeitet er doch seit fast 30 Jahren in dem Braukonzern der Familie Wenckheim. Senior Engelbert Wenckheim habe ihn, Menz, geholt und erst viel später seiner Tochter Christiane Führungsverantwortung übertragen. „Dieser Weg war sicher ein Risiko – für uns beide –, aber er hat sich bewährt“, sagt Menz. Ein Glück sei natürlich, dass zwischen ihm und Wenckheim, der Aufsichtsratschef ist, die Chemie stimme. Und Wenckheim den Jüngeren auch Freiraum lasse.

Niemand sagt, dass das einfach ist: Sie haben entweder selbst die Firma gegründet oder das Ererbte kräftig ausgebaut und sich dafür ihr Leben lang abgerackert. „Patriarchen können nur schwer loslassen, auch wenn sie sich längst zurücklehnen können“, sagt Menz. Die Forschung nennt laut Frank diese Überväter, die schon auf der Rückbank sitzen, aber noch immer ins Lenkrad greifen, „backseat driver“.

Baumax-Gründer Karlheinz Essl ist so eine charismatische Persönlichkeit, neben der sich Sohn Martin nicht immer leichttut. Das trifft auch auf die Möbelgruppe Kika/Leiner zu: Der 2008 verstorbene Senior Rudolf Leiner ließ seinem Schwiegersohn Herbert Koch lange wenig Spielraum. Ob Kochs Sohn Paul-Emanuel beim nunmehrigen Verkauf des Einrichtungsunternehmens an die südafrikanische Steinhoff-Gruppe viel mitzureden hatte, mag bezweifelt werden.

Verkauf als Flucht nach vorn. Nicht nur Kika/Leiner trat mit einem Verkauf die Flucht nach vorn an. Der Autobahnraststättenbetreiber Rosenberger wechselte erst Ende Juli den Besitzer, die 19 Raststätten gehören nun zwei chinesischen Unternehmerfamilien. Und der Sporthändler Sport Eybl/Sports Experts fand in dem britischen Diskonter Sports Direct einen Retter.

Das Thema Nachfolge hat gerade bei Familienunternehmen besondere Bedeutung und ist oft Ursache von Konflikten. Zwischen 2006 bis 2012 waren mehr als 44 Prozent der Unternehmen von Übergabe- oder Nachfolgefragen betroffen, heißt es in einer Studie von Frank über „Erfolgsfaktoren österreichischer Familienunternehmen“. Die Frage, wer in die – manchmal allzu großen – Fußstapfen der Gründer treten soll und kann, ist beileibe nicht das einzige Problem im family business. Aber ein großes. Denn der Name allein ersetzt noch nicht die Qualifikation, geschweige denn die Lust den väterlichen Betrieb weiterzuführen. Und wenn es dann schiefgeht, ist erst recht Feuer am Dach. „Ein Familienmitglied kann man nicht so einfach feuern“, gibt Menz zu bedenken.

Das beherzigen zwar viele Familinenbetriebe und holen sich Manager von außen. Eine Erfolgsgarantie ist das aber ebenso wenig wie der Gang an die Börse. „Wer einen börsenotierten Konzern führen kann, kann noch lange kein Familienunternehmen leiten“, sagt Frank. Vor allem, wenn der Hut brennt, ist es auch mit der vom Kapitalmarkt geforderten Transparenz oft nicht weit her. Schweigen bis zur Selbstverleugnung lautet in vielen Familien noch immer das oberste Gebot. Da tun sich von außen kommende Manager dann besonders schwer. Womit wir wieder bei Zumtobel sind – oder bei Bene. Der Büromöbelhersteller hat im Winter mitten in der Restrukturierung die Führungscrew gewechselt, schwarze Zahlen hat das bisher jedoch nicht gebracht. Immerhin verschafft jetzt eine kleine Finanzspritze von den Banken dem Unternehmen Luft. Eine Anzeige wegen Konkursverschleppung und Untreue ist jedoch mehr als ein verzichtbares Nebengeräusch in dem ohnedies von Misstönen geprägten Betrieb.

Bei Backhausen, Niedermeyer und Niemetz zerplatzte die Hoffnung auf frisches Geld: Alle drei Traditionsfirmen schlitterten in den Konkurs. Zu lange wurde weitergewurstelt, zu lange wurden Reformen aufgeschoben. Niedermeyer ist liquidiert und Geschichte. Backhausen wurde verkauft, der Name ist Vergangenheit. Niemetz wechselte den Besitzer, Marke und Schwedenbomben wurden gerettet.

War das Finale vorgezeichnet? „Schwarze Zahlen decken Probleme und Konflikte zu. Sobald es kriselt, brechen sie umso stärker auf“, sagt Tengel. Die Angst vor Konflikten ist laut Frank eines der größten Probleme in Familienbetrieben. Scheu vor Auseinandersetzungen, Realitätsverweigerung, Entscheidungsmangel: Dieses „Muster“ erleben Berater wie Tengel nicht nur einmal. „Denken Sie an die österreichische Skiindustrie, sie war komplett in Familienhand – und was ist davon übrig?“

Lange Tradition

Das älteste Familienunternehmen der Welt war bis zu seiner Liquidation 2006 der japanische Tempelbauer Kongō Gumi, gegründet im Jahr 578.

In allen marktwirtschaftlich orientierten Ländern gibt es Familienunternehmen. Sie stellen sogar die Mehrheit aller Betriebe dar. EU-weit liegt der Schnitt bei 60 Prozent.Sie erwirtschaften mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts und geben deutlich mehr als der Hälfte der Unselbstständigen Arbeit.

Der umsatzstärkste deutsche Konzern ist Volkswagen, im Besitz der österreichischen Familien Piëch/Porsche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2013)

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