Machtspiele im Supermarkt

Machtspiele Supermarkt
Machtspiele Supermarkt(c) Reuters
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Die Wettbewerbshüter haben sich zu früh gefreut. Nachdem Rewe wegen Preisabsprachen brav Bußgeld gezahlt hat, erweist sich Spar nun als härterer Brocken.

Die Summe muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 20,8 Mio. Euro Kartellstrafe wegen Preisabsprachen hat der Lebensmittelkonzern Rewe im Mai gezahlt. Die zweitgrößte Kartellstrafe in der österreichischen Geschichte (Platz eins belegt das Aufzugs- und Fahrtreppenkartell) und auf jeden Fall die größte, die je im Lebensmittelhandel erzielt wurde.

Ein spektakulärer Etappensieg im Kampf gegen die Marktmanipulation, frohlockten die Wettbewerbshüter. Und endlich, endlich ein sichtbarer Erfolg im nunmehr fast zehn Jahre dauernden Ermittlungsmarathon der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gegen den Lebensmittelhandel.


Spar wehrt sich. Die Erfolgswelle der BWB dürfte nun allerdings vorbei sein. Seit einigen Monaten ist Spar im Visier der Wettbewerbshüter. Im Jänner hat die BWB in der Spar-Konzernzentrale wegen Verdachts auf Preisabsprachen eine mehrtägige Razzia durchgeführt, im August folgten weitere Hausdurchsuchungen in Salzburg und Kärnten.

Alles lief ähnlich wie bei Rewe ab: Ein Teil der Unterlagen wurde auf Andringen von Spar versiegelt und liegt nun, unzugänglich für die Ermittler, beim Kartellgericht. Die BWB wartet auf deren Entsiegelung und versucht derweil über die Lieferanten an Spar heranzukommen. Letzte Woche sickerte durch, dass beim Kartellgericht gegen zwei Lieferanten von Spar, den Joghurthersteller Emmi und die Brauerei Ried, Geldbußen beantragt wurden.

Nur: Im Gegensatz zu Rewe hat Spar beschlossen, sich zu wehren und den Spieß umzudrehen: „Wir haben wegen der ersten Razzia eine Maßnahmenbeschwerde gegen die BWB beim Unabhängigen Verwaltungssenat eingereicht“, sagt Spar-Vorstand Gerhard Drexel. Und auch wegen der zweiten Razzia im August werde man Beschwerde einreichen: „Die BWB hat bei den Hausdurchsuchungen gesetzeswidrige Methoden angewandt“, ist Drexel überzeugt, ohne allerdings Details zu nennen. „Wir lassen uns nicht mehr gefallen, dass man uns vorverurteilt. Bisher ist es bei dem pauschalen Generalverdacht geblieben, ohne dass irgendwelche Beweise vorliegen.“ Und: „Wir werden sicher nicht wie Rewe auf ein Settlement-Angebot der BWB eingehen und Bußgeld zahlen“, so der Konzernchef weiter.

Im Gegenteil: „Wir planen eine Fülle von rechtlichen Maßnahmen“, droht Drexel. Vier mittelständische Lieferanten hätten sich bei Spar gemeldet und Gleichlautendes erzählt: Die Wettbewerbshüter hätten ihnen ein geringes Bußgeld im fünfstelligen Bereich in Aussicht gestellt – vorausgesetzt, sie würden Spar „anschwärzen“.


Gesetz des Schweigens. Bei der BWB war bis Redaktionsschluss niemand erreichbar, um diese neuen Anschuldigungen zu kommentieren. Klar ist aber, dass ihr das Problem der fehlenden Kronzeugen im Lebensmittelhandel seit Langem Kopfzerbrechen bereitet. „Bei den Lieferanten herrscht das Gesetz des Schweigens. Wenn da jemand redet, kommt das einem Todesurteil gleich“, sagt BWB-Sprecher Stefan Keznickl. Geschichten über die harte bis unorthodoxe Verhandlungstaktik, die Einkäufer im Lebensmittelhandel gegenüber den Produzenten an den Tag legen, kursieren in der Branche viele. Doch niemand will sich öffentlich dazu äußern. Und die BWB bekommt keine rechtliche Handhabe.

Doch welche Druckmittel haben die Einkäufer gegen die Produzenten in der Hand? Auslistung ist die wohl wirkungsvollste Drohung, wenn ein Produzent dem Einkäufer preislich nicht entgegenkommt oder sich sonst nicht wunschgemäß verhält. Zum Beispiel, wenn er ein Produkt auch bei der Konkurrenz anbietet. „In einem konzentrierten Lebensmittelmarkt wie Österreich kann es für einen Produzenten fatal sein, wenn er bei einer Handelskette in Ungnade fällt“, sagt Marktforscher Andreas Kreutzer.

Platzierung sei ein weiteres Druckmittel. Wenn ein Produkt in das unterste Regalfach verräumt wird, wirke sich das sofort auf den Absatz aus. „Natürlich sind die Lebensmittelketten daran interessiert, gute Produkte in ihrem Sortiment zu behalten. Aber es besteht etwa die Möglichkeit, nicht den Bestseller eines Herstellers, sondern Randprodukte als Sanktion auszulisten“, so Kreutzer. „Coca Cola oder Cola light wird niemand aufgeben. Aber vielleicht eine besondere Geschmacksrichtung oder eine bestimmte Gebindegröße.“ Damit könne man den Erzeugern ganz empfindlich wehtun.

Sowohl Spar-Vorstand Drexel als auch Rewe-Chef Frank Hensel verweisen solche Praktiken ins Reich der Mythen. Natürlich werde hart verhandelt. Aber das sei schließlich im Sinne der Konsumenten. „Sonst hätten wir eine Inflationsrate, die sich gewaschen hat“, sagt Drexel.


Benimmregeln. Im Rahmen des Settlements der BWB mit Rewe hatte sich der Konzern auch bereit erklärt, sich an einen von der BWB aufgestellten Verhaltenskatalog zu halten. Dieser definiert eine Reihe von Regeln, um wettbewerbsrechtliche Verstöße bei den Gesprächen zwischen Einkäufern und Lieferanten zu verhindern. Spar hingegen habe, so die BWB, keinem einzigen Punkt zugestimmt.

„Das stimmt nicht“, sagt Drexel. Aber man sei nicht mit allem einverstanden: „Die BWB ist zum Teil strenger als das Gesetz. Mit unseren Einwänden wollten wir sie vor einem fürchterlichen Irrtum bewahren“, so Drexel süffisant. Beispielsweise verlange die BWB, dass man nur einmal, nämlich bei der Produkteinführung, mit den Lieferanten über die Preispositionierung reden dürfe. „Das hieße, dass wir mit Nivea das letzte Mal vor hundert Jahren über den Preis hätten sprechen dürfen“.

Es ist nicht absehbar, wer in diesem Kräftemessen das Oberwasser behalten wird. Die Messer sind jedenfalls gewetzt. Auf beiden Seiten.

Im Jänner 2013 durchsuchten die Wettbewerbshüter acht Tage lang die Firmenzentrale von Spar. Spar ließ einen Teil der beschlagnahmten Unterlagen versiegeln. Diese liegen noch für die BWB uneinsehbar beim Kartellgericht.

Im Mai gab es mit Lebensmittelhändler Rewe ein Settlement, bei dem eine Bußgeldstrafe von 20,8 Mio. Euro wegen vertikaler Preisabsprachen mit Lieferanten vereinbart wurde. Mit diesem Settlement entging Rewe einem weiteren Ermittlungsverfahren der BWB.

Im August fanden bei Spar zwei weitere Razzien statt, eine in Salzburg und eine in der Regionalzentrale in Kärnten. Die BWB stellte beim Kartellgericht zwei Bußgeldanträge für die Spar-Lieferanten Emmi und Rieder Bier.

Spar schlägt zurück. Die Handelskette brachte daraufhin eine Maßnahmenbeschwerde gegen die BWB beim Unabhängigen Verwaltungssenat ein. Die BWB habe bei den Hausdurchsuchungen gesetzeswidrige Methoden angewandt, so der Vorwurf. Spar droht mit weiteren Rechtsmitteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

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