Milch und Obst aus dem Netz

Milch Obst Netz
Milch Obst Netz(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Internethandel mit Lebensmitteln steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen. Doch immer mehr Anbieter - wie etwa die japanische Handelsplattform Rakuten - bringen sich in dem neuen Markt in Stellung.

Jeder kennt das: Man wartet in einem überfüllten Geschäft in der längsten aller Kassaschlangen und wünscht sich sehnlichst an einen anderen Ort. Ebenfalls verzichtbar: der Packeselmoment beim Nachhauseschleppen von zig Einkaufssäcken und unhandlichen Paketen. Wen wundert es da noch, dass sich der Konsum zusehends in die virtuelle Welt verlagert.

Doch gerade die alltäglichste aller Konsumhandlungen, der Einkauf im Supermarkt, ist von diesem Trend noch kaum erfasst. Jedenfalls hierzulande noch nicht: Während laut Marktforscher Regioplan nahezu ein Drittel der Bücher in Österreich online gekauft wird, ein Viertel der Elektrogeräte und 18 Prozent der Modeartikel, wandern nur zwei Prozent der Lebensmittel über den virtuellen Ladentisch.

Manche Experten meinen, das liege daran, dass der Mensch bei Lebensmitteln das Bedürfnis hat, was er kauft, erst zu sehen, zu riechen, an Ort und Stelle auszusuchen. Einen Kopfsalat kann man schließlich nicht wie einen Schuh anprobieren und dann wieder zurückschicken. Andere meinen, die Konsumenten wären für Online-Lebensmittel durchaus offen, nur sei das Angebot noch nicht ausgereift.

Wie dem auch sei: An der Eroberung dieser letzten Bastion des stationären Handels wird emsig gearbeitet. Wer sich früh genug in Stellung bringt, erwirtschaftet jetzt vielleicht noch keine großen Gewinne, hat aber dafür später, wenn beim Konsumenten „der Groschen fällt“ die besten Chancen, zum Platzhirsch zu werden.

Derzeit tummeln sich auf dem virtuellen Markt große Namen und kleine Nischenanbieter mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Die Supermarktkette Billa hat kürzlich ihrem Onlineshop einen neuen Anstrich verpasst und wirbt nun aktiv um Onlinekunden. Vorerst beliefert Billa allerdings nur den Großraum Wien. Auch bei Merkur und (in eingeschränkter Form) bei Spar kann man Lebensmittel online bestellen. Aber was tut sich abseits der etablierten Größen des stationären Handels?

Marktplatz online.Seit Mai dieses Jahres ist der japanische Online-Marktplatz Rakuten in Österreich aktiv. „Der österreichische Onlinehandel ist stark unterbelichtet. Der Kunde wäre schon viel weiter“, findet Rakuten-Österreich-Chef Dieter Kindl. Das zeige sich daran, dass nur die Hälfte des Geldes, das Österreicher online ausgeben, auch bei heimischen Händlern ankommt.

Rakuten ist kein Händler im eigentlichen Sinn, sondern versteht sich, ähnlich wie Amazon, als Marktplatz: Die Händler, die ihre Produkte auf Rakuten feilbieten, zahlen der Plattform eine Provision zwischen fünf und neun Prozent des Verkaufspreises und eine monatliche Nutzungsgebühr von 39 Euro. Dafür entfällt die im Einzelhandel übliche Listungsgebühr, die für viele Produzenten eine entscheidende Hürde zum Markteintritt ist. In der Preisgestaltung sind die Händler bei Rakuten völlig frei – ein Vorteil gegenüber Amazon, das auf seine Händler massiven Preisdruck ausübt und sie bis vor Kurzem noch dazu nötigte, ihre Ware auf keiner anderen Plattform günstiger anzubieten.

Die Lieferung müssen die Händler selbst übernehmen. Damit umschifft Rakuten geschickt die derzeit gefährlichste Klippe im Online-Lebensmittelhandel: die Logistik. Die Lagerung, Verpackung und die Kühlung von Lebensmitteln sind aufwendig und kostspielig. Damit die Logistikkosten nicht den ganzen Gewinn auffressen, braucht es entweder eine kritische Größe. Oder, wenn man ein kleinerer Anbieter ist, ein sehr überschaubares Sortiment und gute Partner.


Für Bequeme.Für Letzteres hat sich Kochabo entschieden, ein Onlinehändler, der ein recht gewitztes Geschäftsmodell entwickelt hat. Kochabo bietet seinen Abonnenten wöchentlich Rezepte an und liefert dazu die Zutaten in der exakt zum Kochen erforderlichen Menge, für Single- oder auch Mehrpersonenhaushalte.

Damit trifft Kochabo zwei Fliegen auf einen Schlag. Die „Convenience“-Schiene wird bedient: „Unser Angebot ist für die Leute gedacht, die sich nicht überlegen wollen, was sie essen sollen“, sagt Michael Ströck, Gründer von Kochabo. Für Bequeme also. Und, für einen Onlinehändler sehr viel wichtiger: Die Produktpalette bleibt klein und kontrollierbar. Im Gegensatz zu Billa-Online, das sich ja vorerst nur auf den Großraum Wien fokussiert, liefert Kochabo in ganz Österreich. Als Logistikpartner hat man die Post gewonnen. Über Umsatz, Gewinn und Abonnentenzahl hält man sich bei Kochabo bedeckt. Nur so viel: „Wir wachsen um zwei bis fünf Prozent pro Woche.“ Bis Ende 2013 will Ströck (der übrigens ein Spross der in Wien bekannten Bäckerfamilie ist) die Gewinnzone erreicht haben: „Das wird sich knapp ausgehen.“

Schon um einiges länger als Kochabo tummeln sich Nischenanbieter mit einem anderen Konzept auf dem Online-Markt für Lebensmittel: Unter dem Namen Biokistl stellt etwa der Biobauernhof Adamah im Großraum Wien wöchentlich zwischen 5000 und 6000 Kisten mit Gemüse und Obst aus biologischem Landbau zu. Beliefert wird nicht nur aus eigener Produktion, Adamah fungiert auch als Zwischenhändler für weitere Produzenten aus der Region.


Von regional bis exotisch.Das Kistl-Angebot hat man mittlerweile stark erweitert. Während man am Anfang ausschließlich regionales und saisonales Gemüse angeboten hat, finden sich mittlerweile auch Exoten wie Bananen in manchen der Kistl-Varianten. „Da haben wir uns auf die Wünsche der Konsumenten eingestellt“, sagt Ekkehard Lughofer, Marketingleiter von Adamah. Das „Regionalkistl“ sei aber immer noch eines der meistbestellten Kistln. Nur nicht im Winter, wenn sich das lokale Gemüseangebot auf Kohl und Wurzelwerk beschränkt.

Konkurrenten wie Kochabo beobachtet Lughofer ziemlich genau, obwohl er bei den Kunden nicht so viele Überschneidungen sieht: „Deren Zielgruppe ist jemand mit wenig Zeit und Engagement. Unsere Kunden wollen kreativ mit dem Gemüse umgehen.“ Rezeptvorschläge liegen allerdings auch den Adamah-Biokistln bei. Aber die Mengen sind nicht auf das letzte Gramm abgestimmt, so wie bei Kochabo. „Dafür braucht es unglaublich viel Verpackung. Das würde nicht in unser Konzept passen“, sagt Lughofer.

Die Post als Supermarkt. Wenn man über die nationalen Grenzen schaut, findet man im Lebensmittelhandel Online-Projekte ganz anderen Kalibers. In Deutschland zum Beispiel hat sich der Logistikdienstleister der Deutschen Post, DHL, ganz auf das Thema Lebensmittel eingeschossen.

Die Idee, als Logistiker einen Onlineladen aufzubauen, ist durchaus clever, weil sich in der Logistik die größten Kosten verstecken. Im Gegensatz zu den Onlineshops der großen Lebensmittelkonzerne, die meist nur Kunden in Ballungszentren beliefern, bietet DHL ein deutschlandweites Service an. Allyouneed heißt der dazugehörige Onlineshop. DHL ist dabei nicht, wie Rakuten oder Amazon, Marktplatz, sondern wie Spar oder Rewe selbst Händler. Preislich will man sich an den großen Handelsketten orientieren.


Bioreis für China.Und man begnügt sich bei Allyouneed nicht mit Deutschland als Markt. DHL liefert jetzt auch Lebensmittel nach China: „Es gibt eine zunehmende Schicht in China, die sich für europäische Lebensmittel interessiert. Unser Verkaufsschlager dort ist Bioreis. Im chinesischen Reis sind nämlich oft Schadstoffe enthalten“, sagt Allyouneed-Geschäfsführer Jens Drubel. Auch das etwas naheliegendere Österreich habe man mittelfristig als Absatzmarkt ins Auge gefasst.

Der Vorteil der Onlinehändler sei der, dass sie näher am Kunden dran seien, meint Drubel: „Wir wollen ein Concierge sein, der ganz stark in den Haushalt integriert ist. Der zum Beispiel darauf aufmerksam macht, wenn ein bestimmtes Produkt ausgeht.“ Allyouneed will den Kunden also das Denken abnehmen.

Ob man das als Serviceleistung sieht oder als Möglichkeit, den Kunden gekonnt zu manipulieren, ist wohl eine Geschmacksfrage.

Lebensmittel online

Der Lebensmittelhandel im Internet steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen. Nur zwei Prozent aller im Handel verkauften Lebensmittel werden laut Marktforscher Regioplan online bestellt. Zum Vergleich: Bereits 28 Prozent der Bücher, 26 Prozent aller Elektronik- und 18 Prozent der Modeartikel werden im Internet eingekauft. Daten über Marktanteile der Onlinehändler am österreichischen Lebensmittelmarkt gibt es noch keine.

Der Onlinekuchen wächst. Von 2006 bis 2013 haben sich die Onlineumsätze mit Konsumgütern in Österreich mehr als verdreifacht. 2006 lagen sie noch bei 1,7 Mrd. Euro, bis Ende 2013 sollen sie auf 5,5 Mrd. Euro steigen. Dadurch soll der Onlineanteil des Einzelhandelsumsatzes bis 2019 von aktuell neun Prozent auf ein Viertel zulegen, prophezeit Regioplan.

Fakten

Österreich liegt im europäischen Vergleich mit einem Onlineanteil von neun Prozent am gesamten Einzelhandel im guten Mittelfeld.

Großbritannien ist das Land der Onlineshopper. Hier beträgt der Onlineanteil bereits über 13 Prozent. Ebenfalls stark ist der Onlnehandel in Deutschland (elf Prozent) und in der Schweiz (zehn Prozent).

In den USA liegt der Onlineanteil nur bei sechs Prozent. Dennoch zählen die USA zu den umsatzstärksten Onlinemärkten weltweit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2013)

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