Insiderverfahren: Debakel für die Finanzaufsicht

Raiffeisen-Manager Manfred Url
Raiffeisen-Manager Manfred Url (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Nach dem Freispruch eines Raiffeisen-Managers wächst der Ärger über die Finanzaufsicht. Ihr wird vorgeworfen, bei relevanten Themen versagt zu haben.

Wien. Es war der zweite prominente Insiderprozess, bei dem sich ein hochrangiger Manager einer großen österreichischen Aktiengesellschaft verantworten musste: Doch wie schon zuvor der frühere OMV-Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer wurde auch Raiffeisen-Manager Manfred Url freigesprochen. Die Richterin am Landesgericht Wien sah es am Montag für erwiesen an, dass Url subjektiv nicht den Tatbestand des Insiderhandels erfüllt habe. Denn es habe die Bereicherungsabsicht gefehlt.

Der Freispruch in erster Instanz ist eine weitere Blamage für die Finanzmarktaufsicht (FMA). Wie bei Ruttenstorfer ermittelte die Aufsicht monatelang gegen Url. Der Akt füllte hunderte Seiten und landete bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Url war früher Vorstand der Raiffeisen Zentralbank (RZB) und ist heute Chef der Raiffeisen Bausparkasse. Ihm wurde vorgeworfen, dass er im November 2009 Aktien der Raiffeisen Bank International (RBI) über die Börse verkaufte und einen Vermögensvorteil von knapp 5000 Euro lukrierte. Eine Woche zuvor wurde aber im Raiffeisen-Vorstand unter Ausschluss der Öffentlichkeit über eine Fusion der RZB mit der RBI diskutiert.

Vor Gericht konnten alle Zeugen wie RZB-Generaldirektor Walter Rothensteiner und der frühere Raiffeisen-Osteuropa-Chef Herbert Stepic darlegen, dass im November 2009 nur über die Vor- und Nachteile der Fusion gesprochen wurde. Das Projekt sei damals noch im Anfangsstadium gewesen und hätte noch scheitern können. Url verdiente als RZB-Vorstand netto 18.000 Euro im Monat. Es wäre „absurd“, wenn Url wegen eines Aktiengewinns von knapp 5000 Euro seine Position aufs Spiel gesetzt hätte, so sein Anwalt Wolfgang Brandstetter.

Er sprach von einem „Fehlschuss“ der Finanzaufsicht. Die Manager von börsenotierten Firmen würden sich kaum noch trauen, mit Aktien ihrer Firmen zu handeln. Denn es könne nicht jedes Projekt, das sich im Anfangsstadium befinde, schon als relevante Insiderinformation ausgelegt werden. Das Vorgehen der Aufsicht sei „lebensfremd“, so der Anwalt.

Schaden durch die FMA

In Bankenkreisen wächst der Ärger über die Finanzmarktaufsicht. Erst in der Vorwoche hat die Hypo Niederösterreich im jahrelangen Streit gegen die Behörde einen Etappensieg errungen. Der Verwaltungsgerichtshof hob einen Strafbescheid der FMA von 57,9 Millionen Euro gegen die niederösterreichische Landesbank auf. Man sei nun „voll rehabilitiert“, betonte Wolfgang Sobotka, stellvertretender Landeshauptmann von Niederösterreich. Was bleibe, sei aber ein Reputationsschaden.

In Bankenkreisen wird der FMA vorgehalten, sich auf allzu viele Bagatellfälle zu konzentrieren, bei den wirklich großen Problembereichen aber teilweise versagt zu haben. In Österreich kontrolliert die FMA gemeinsam mit der Nationalbank die Banken. Beide waren lange Zeit nicht in der Lage, das Debakel bei der Hypo Alpe Adria richtig einzuschätzen. So erhielt die Kärntner Hypo Ende 2008 erstmals Hilfe vom österreichischen Staat. Grundlage dafür war eine Prüfung der Hypo durch die Nationalbank. Die Kontrolleure meinten, dass die Hypo einen „Bereinigungsprozess im Kreditportfolio“ vorgenommen habe. Daher werde das Institut 2009 und in den Folgejahren Gewinne schreiben. Tatsächlich verbuchte die Hypo Verluste in Milliardenhöhe.

Rein rechtlich sind FMA und Nationalbank unabhängig. Doch SPÖ und ÖVP teilten sich dort noch vor den Wahlen die Spitzenpositionen auf. Der Nationalbank-Vorstand besteht aus zwei ÖVP- und SPÖ-Leuten. Auch bei der Besetzung des FMA-Vorstands kamen jeweils ein „roter“ und „schwarzer“ Vertreter zum Zug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2013)

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