Lenzing setzt auf Radikalkur

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Der oberösterreichische Faserhersteller baut im Stammwerk fast 700 Angestellte und Leiharbeiter ab. So will der Konzern wieder konkurrenzfähiger werden.

Wien. Lenzing-Chef Peter Untersperger versucht es am Donnerstag mehrmals mit dem Bild eines Sportlers, um die Situation des Unternehmens verständlich zu machen. „Wir sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen. Und wenn man zu schnell Gewicht ansetzt, dann ist dabei häufig auch etwas Fett. Das wollen wir nun wieder wegbekommen. Wir haben uns daher zu einer Radikalkur entschlossen“, so Untersperger am Donnerstag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Bei dieser will er die Hintergründe erläutern, die zur am Mittwochabend ausgeschickten Gewinnwarnung geführt haben („Die Presse“ berichtete in einem Teil ihrer Donnerstagausgabe).
„Wir haben die Kostenführerschaft verloren. Grund dafür ist, dass wir aufgrund unseres Erfolges einige Dinge zu lange haben schleifen lassen. Uns ist die Demut abhandengekommen, und unsere Konkurrenten trainieren auch hart. Das wollen wir nun wieder ändern“, so Untersperger weiter. Konkret bedeutet dies ein Kostensenkungsprogramm von 120 Mio. jährlich, das sofort angegangen und spätestens per Anfang 2015 vollständig umgesetzt sein soll. Rund je ein Drittel der Einsparungen soll dabei auf Personal, auf Material und auf extern bezogene Leistungen (etwa Rechtsberatung) entfallen.

Investitionen werden halbiert


„In Lenzing sind 390 Mitarbeiter von den Maßnahmen betroffen. Etwa ein Viertel davon soll über natürliche Fluktuation und bereits geplante Pensionierungen erfolgen. Der Rest muss gekündigt werden“, sagt Untersperger. Hauptsächlich betroffen sollen dabei die Verwaltung und der Vertrieb sein. Dies sei auch eine Folge des ab sofort gebremsten Wachstums von Lenzing. So sollen die jährlichen Investitionen von heuer 260 Mio. Euro auf rund 130 Mio. Euro im Jahr 2014 halbiert werden. Zusätzlich zu den 390 Angestellten werde Lenzing auch bei den 300 Leiharbeitern „massiv runterfahren“. Dies sei eine übliche und geplante Maßnahme in wirtschaftlich schwächeren Phasen.
„Parallel dazu nehmen wir aber auch 130 Mitarbeiter in unserem Spezialbereich Tencel auf. Dort gibt es noch 60 offene Stellen. Wir werden versuchen, diese vor allem intern zu besetzen.“ In Summe arbeiten zurzeit 2600 fix angestellte Mitarbeiter am Hauptstandort in Lenzing.
Notwendig geworden sei diese Radikalkur durch die zuletzt verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. So lag Lenzing in den ersten drei Monaten sowohl beim Umsatz (1,6 Mrd. Euro, 7,7 Prozent unter Vorjahr) als auch beim Betriebsergebnis (136,4 Mio. Euro, 33 Prozent unter Vorjahr) deutlich schlechter als erwartet. Die Situation werde sich im vierten Quartal noch weiter verschlimmern, so Untersperger. Das Unternehmen erwartet nun, dass es beim Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen im Gesamtjahr mit 230 Mio. Euro keine wirkliche Steigerung gegenüber den Zahlen nach neun Monaten mehr geben werde. Das Betriebsergebnis soll aufgrund der Einmaleffekte infolge der Restrukturierung sogar auf rund 80 Mio. Euro sinken.
„Diese Situation wird aber nicht nur im vierten Quartal, sondern wahrscheinlich auch im ganzen Jahr 2014 und vielleicht sogar 2015 weiter anhalten“, sagt Untersperger. Daher müsse Lenzing nun reagieren. Hintergrund der verschlechterten Zahlen ist ein deutlicher Rückgang der Preise bei Viskose – einem der Hauptprodukte von Lenzing. In diesem Bereich seien vor allem in China große Überkapazitäten aufgebaut worden, die nun seit Monaten die Preise nach unten drücken. „Ein Preisverfall von einem Cent pro Kilogramm bedeutet für uns eine Ergebnisverschlechterung von neun Mio. Euro“, so Untersperger. Seit Jahresanfang sei der Preis um über zehn Cent gefallen.

Aktie gibt drastisch nach

Er verstehe, dass der Betriebsrat im ersten Moment geschockt sei. Man werde aber versuchen, eine sozialverträgliche Lösung zu finden, so Untersperger. Der Chef des Arbeiterbetriebsrates, Rudolf Baldinger, meinte dazu in einer ersten Stellungnahme gegenüber der APA, die Kündigungen seien „absolut nicht nachvollziehbar“. Ebenfalls geschockt – wenn auch eher über die Gewinnwarnung – zeigte sich die Börse: Die Lenzing-Aktie lag rund 7,5 Prozent im Minus.  (jaz)

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