Späterer Pensionsantritt reicht nicht

(c) Clemens Fabry
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Die Politik will die Lücke in der Pensionsfinanzierung durch ein höheres faktisches Antrittsalter schließen. Dies brächte aber nur kurzfristig eine Entlastung, kritisieren Ökonomen.

Wien. Sie sind einer der Hauptgründe für das „plötzlich“ vergrößerte Budgetloch: die Bundeszuschüsse für die Pensionen. Diese erhöhen sich bis 2017 von derzeit zehn auf 12,5 Mrd. Euro pro Jahr. Darin sind wohlgemerkt nur die Zuschüsse ins ASVG-System enthalten. Für die pensionierten Beamten wendet der Staat weitere fünf Mrd. Euro pro Jahr auf (pro Kopf viermal so viel wie bei ASVG-Pensionisten, dafür spart sich der Staat Dienstgeberbeiträge während der aktiven Zeit).

Bei den Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP spielt das Thema eine wesentliche Rolle. Und auch wenn die Parteien bei Details noch unterschiedlicher Meinung sind, herrscht grundsätzlich darüber Einigkeit, wie diese Finanzierungslücke wieder geschlossen werden soll: durch eine Hebung des faktischen Pensionsantrittsalters von derzeit 58,4 auf 60 Jahre bis 2018. Wenn die Menschen länger arbeiten, wird das System entlastet, so die einfache Rechnung.

Länger arbeiten, länger leben

Kurzfristig stimme diese Gleichung zwar, langfristig blieben die Kosten jedoch auch bei der anvisierten Erhöhung des faktischen Antrittsalters fast gleich hoch, kritisierten Ulrich Schuh vom industrienahen Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria und der heimische Ökonom und ehemalige Direktor der Abteilung für soziale Angelegenheiten in der Weltbank, Robert Holzmann, am Donnerstag vor Journalisten. Zwei Gründe erklären diese Erkenntnis: So steigt auch die Lebenserwartung jährlich um rund 100 Tage. Bis 2018 wird sie also um ziemlich genau jene 1,5 Jahre angestiegen sein, um die länger gearbeitet werden soll. Die absolute Zeit in der Pension bleibt also gleich.

Wenn die Menschen jedoch später in Pension gehen, fallen die Abschläge geringer aus. Die Höhe der Pensionen ist somit größer. Bei nahezu gleichbleibender Verweildauer in der Pension kann die durch den späteren Antritt erzielte Einsparung langfristig vollständig wieder aufgezehrt werden. Das heiße natürlich nicht, dass ein späterer Pensionsantritt nicht sinnvoll wäre. „Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass damit alle Probleme der Finanzierung nachhaltig gelöst sind“, so Holzmann.

Sie wiederholen daher eine Forderung, die eine Gruppe von Pensionsexperten, Unternehmern und Meinungsmachern bereits 2012 im Rahmen einer Petition an die Regierung gestellt hatte: So solle das leistungsorientierte Pensionssystem nach schwedischem Vorbild auf ein beitragsorientiertes System umgestellt werden.

Dies würde bedeuten, dass die Versicherten nicht pro Arbeitsjahr einen konkreten Leistungsanspruch für die Pension erwerben (derzeit 1,78Prozent der Bemessungsgrundlage), sondern dass lediglich die Beiträge zur Pensionsversicherung (22,8Prozent der Bemessungsgrundlage) aufsummiert und bei Pensionsantritt durch die verbleibende Lebenserwartung dividiert werden. Ein solches System würde die nachhaltige Finanzierung gewährleisten, da es automatisch auf die steigende Lebenserwartung der Menschen reagiere.

Breite Front der Ablehnung

Von Gewerkschaftern, Pensionistenvertretern und Sozialminister Rudolf Hundstorfer wird dieses Modell jedoch abgelehnt. Sie kritisieren, dass eine gleiche Pensionshöhe wie jetzt nur durch einen deutlich späteren Pensionsantritt mit über 70 erreichbar wäre. Andernfalls würde das beitragsorientierte System zu einer empfindlichen Pensionskürzung führen – nicht zuletzt, weil die staatlichen Zuschüsse ja wegfielen.

Inwieweit diese gestrichen werden, sei eine politische Entscheidung, kontert Schuh. „Wir zahlen heute 35Prozent des Bruttolohns für die Pensionen, einen Teil davon halt versteckt über Steuern.“ Diese Zuschüsse aus dem Steuertopf könnte es etwa bei niedrigen Beiträgen aufgrund geringer Löhne auch künftig geben.

Holzmann plädiert indes dafür, die staatlichen Zuschüsse über 40 Jahre abzubauen, auch wenn dies zu geringeren Pensionen führt. „Wenn man den Bundeszuschuss reduzieren möchte, dann ist es logisch, dass auch die Leistung reduziert werden muss.“ Entscheidend seien bei einer Umstellung des Systems aber auch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, um einen Arbeitsmarkt für Ältere zu schaffen. Dass dies möglich sei, zeige Schweden. Dort arbeiten 70Prozent aller über 60-Jährigen. Hierzulande sind es 20Prozent. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)

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