Norbert Zimmermann: "Wir üben uns in Stillstand"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Industrielle Norbert Zimmermann über das schwierige wirtschaftliche Umfeld für Unternehmer. Und über die Politik, "die auf Millionäre und Kapitalisten hinhaut", anstatt Unternehmer zu motivieren.

Die Presse: Sie haben vor 25 Jahren die Berndorf AG in einem Management-Buy-out übernommen. Würden Sie das im heutigen wirtschaftlichen Umfeld auch machen?

Norbert Zimmermann: Heute ginge das gar nicht mehr.

Wieso?

Die 1980er-Jahre waren die Zeit der Buy-outs, als die Banken Junk-Bonds vergeben haben. Wir, die Käufer, hatten mit nur drei Prozent Eigenmitteln Junk-Niveau. Wir nützten die Chance. Heute ginge das nicht mehr.

Wer macht heutzutage Unternehmern das Leben schwer: die Banken oder das wirtschaftliche Umfeld?

Das wirtschaftliche Umfeld war damals ähnlich: Als ich 1987 das Angebot legte, gab es den Börsencrash. Die Wirtschaftsprognosen waren ganz schlecht. Wir haben das ignoriert. Heute ist die Situation ähnlich: Kein Mensch weiß, wohin die Wirtschaft geht. Das wäre aber kein Grund, ein Buy-out nicht zu machen.

Aber es gibt keine mehr.

Weil es die Finanzierung nicht gibt. Die Banken sind restriktiv. Private Equity ist eingesprungen. Aber das Modell ist anders: Ein Fonds steigt ein, geht nach fünf Jahren wieder hinaus und will 20 Prozent Verzinsung pro Jahr. Ich finde es besser, wie wir das gemacht haben. Eine Firma zu übernehmen, von den Banken begleitet zu werden und ein langfristiges Industriekonzept zu haben. Die Entwicklung von Berndorf beweist das.

Mutige schaffen es auch in einem schwierigen Umfeld. Stimmt das heute noch?

Es gibt eine unglaublich spannende Gründerszene in Österreich. Vor zwei Wochen war in der Hofburg dazu ein Kongress. Ich habe geglaubt, ich sei auf einem anderen Planeten gelandet. Lauter optimistische junge Leute, da wurde nicht gejammert. Die Pflänzchen gibt es, man darf sie nur nicht durch 100.000 Vorschriften und Bedrohungen im Keim ersticken.

Jungunternehmer leiden ja nicht nur unter Geldmangel.

Nein, es ist die Strangulierung durch Regulative, die am Thema vorbeigehen. Das reicht von der Finanzmarktaufsicht ohne Ende bis zu exzessiven Corporate-Governance-Regeln. Die Verursacher der Wirtschaftskrise erwischt man mit den vielen Regeln nicht, und mit den Fit-and-Proper-Tests der Aufsichtsräte wird es auch nicht besser. Die Banken können sich heute nichts mehr trauen. Würde ein Bankchef heute so vorgehen wie damals bei mir, stünde er mit einem Fuß im Kriminal.

Es braucht also alternative Finanzierungen. Sie haben sich an einem Internet-Start-up beteiligt.

Ich wurde sogar Business Angel of the Year. Ich mache das sehr handverlesen. Ich beteilige mich an Firmen, bei denen ich an die Leute glaube.

Österreich würde viele solche Investoren brauchen.

Die Politik sollte halt nicht über die Milliardäre jammern und sie mit Steuern bestrafen, sondern sie motivieren, dass sie in junge Unternehmen investieren.

Geht die Wirtschaftspolitik in die falsche Richtung?

Seit der Wirtschaftskrise 2008/09 ist in Europa eine Lähmung eingetreten. Die Politik hat relativ hilflos versucht, Gegenmaßnahmen und Regulierungen zu setzen. In vielen Bereichen gibt es Stillstand. Nehmen Sie die Energiepolitik, Stichwort Schiefergas. Amerika ist mittlerweile weitgehend energieautark geworden. Wir in Europa unterhalten uns seit fünf Jahren, ob Schiefergas gut oder schlecht ist. Traurig ist auch, dass die neuen osteuropäischen EU-Mitglieder stagnieren. Europa verzettelt sich mit Bürokratie.

Und Österreich?

Österreich ist mittendrin. Geht man davon aus, dass 70 Prozent unseres Rechtsbestandes aus Brüssel importiert werden, haben wir 30 Prozent Gestaltungsspielraum. Den nützen wir aber nicht, wir üben uns in Stillstand.

Hat sich die Wirtschaft von der Wirtschaftspolitik abgekoppelt?

Die guten Unternehmen – Voest, Andritz, Schoeller-Bleckmann, Miba oder Plansee – machen ihr Geschäft ohne Politik. Aber nicht hier, sondern im Ausland. Wir haben exzellente Unternehmen, die gelernt haben, global zu marschieren. Die kümmern sich nicht um innenpolitische Befindlichkeiten. Es sollte mehr solche Firmen geben. Ich fürchte allerdings, dass der Nährboden dafür dünner geworden ist.

Agiert die Politik wirtschaftsfremd?

Wenn ich permanent auf die sogenannten Millionäre und die Kapitalisten hinhaue, dann frustriert das. Die Politik wäre gut beraten, zu motivieren. Denn die Unternehmer haben ja Interesse an Österreich. Bei Schoeller-Bleckmann werden gerade 50 Mio. Euro in ein neues Werk in Ternitz investiert. Das hätte man auch anderswo bauen können.

Europa diskutiert über die Reindustrialisierung. Ist das realistisch?

Man soll nie aufgeben, es gibt viele Talente. Wir haben exzellente Ingenieure und eine gesunde Wertschöpfungskette. Einen Audi, BMW oder Mercedes macht man nicht einfach so, da braucht es viele gescheite Ameisen und funktionierende Netzwerke. Daraus entstehen Spitzenprodukte. Diese Assets müssen wir weiterentwickeln.

Wird Europa aber nur mehr BMW und Mercedes bauen?

Wir machen auch den Airbus. Aber nicht nur, es gibt viele exzellente Branchen. Europa hat Chancen.

Auch gegen China?

China wird eines Tages auch ein westliches Lohnniveau haben. Es werden sich auch die Produktionstechnologien so verändern, dass Güter des täglichen Lebens wieder in Europa hergestellt werden können. Die Frage ist nur, ob wir dann noch die Fähigkeiten besitzen.

Sie sind in zwei Unternehmen Aufsichtsratsvorsitzender und haben viele andere Funktionen. Gehen Sie nicht in Pension?

Ich bin 66, habe faktisch schon die neuen Pensionsbedingungen erfüllt. Arbeiten macht mir aber noch immer viel Spaß.

ZUR PERSON

Norbert Zimmermann kam 1986 zum Besteckproduzenten Berndorf. 1988 übernahm er die damals defizitäre Firma, inzwischen ist sie ein Hightech-Konzern mit 2500 Beschäftigten und 500Mio. Euro Umsatz. 2008 wechselte Zimmermann in den Aufsichtsrat. Am Montag verlieh ihm die Wirtschafts-Uni den Titel „Ehrensenator“. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)

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