Grassers Gegenschlag: Der Countdown läuft

Karl-Heinz Grasser
Karl-Heinz Grasser APA/HERBERT NEUBAUER
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Am 27. Jänner beginnt für Karl-Heinz Grasser eine neue Phase: Als Gegengewicht zum Finanzstrafverfahren bringt er an dem Tag seinen Ex-Steuerberater vor ein Zivilgericht.

Man sagt, Karl-Heinz Grasser spiele in den gegen ihn laufenden Strafverfahren auf Zeit. Indem er seine Berater nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbinde. Man sagt, die obligaten Rechtshilfeersuchen Österreichs an die Schweizer und die Liechtensteiner Justiz brauchten immens viel Zeit. Deshalb würden die Ermittlungen in mehreren Affären, von Lehman bis Buwog, von Terminal Tower Linz bis Novomatic, ewig dauern.

Diese Begründungen für die außergewöhnliche Verfahrensdauer – seit beachtlichen vier Jahren wird wegen Untreue, Geschenkannahme und anderer möglicher Delikte ermittelt (Grasser weist alle Vorwürfe zurück) – mögen zum Teil stimmen. Aber eben nur zum Teil. So ist etwa ein von der Staatsanwaltschaft Wien schon am 20. Juli 2011 bei einem Wirtschaftsprüfer in Auftrag gegebenes Gutachten zur Frage, ob von Konten des Lobbyisten und Grasser-Freundes Walter Meischberger „an Mag. Karl-Heinz Grasser oder ein von ihm kontrolliertes Unternehmen in den Jahren 2005 bis 2009 Zahlungen geflossen sind“, noch immer nicht fertig. Obwohl damals der Auftrag erging, es mögen „binnen acht Wochen“ Befund und Gutachten erstellt werden. Zuletzt wurde die Frist bis 29. März 2013 erstreckt. Laut „Presse“-Informationen ist die tatsächliche Fertigstellung des Gutachtens mittlerweile mit März 2014 im Kalender der Anklagebehörde eingetragen. Es gibt auf Behördenseite also auch so etwas wie hausgemachte Verzögerungen.

Auch das angebliche Zurückhalten von Unterlagen durch den Verdächtigen muss relativiert werden. Es heißt in einem Schriftsatz (datiert mit 3. Oktober 2013) zu einer Klage, die Grasser gegen seinen früheren Steuerberater Peter Haunold (auch gegen diesen ermittelt die Justiz) beim Handelsgericht Wien eingebracht hat: „Die klagenden Parteien entbinden die beklagten Parteien von ihrem Berufsgeheimnis. Sie wollen, dass alle Handakten bei der erstbeklagten Partei betreffend die klagenden Parteien gegenüber den Gerichten – Zivil- und Strafgericht – offengelegt werden.“ Und weiter: „Es ist anzunehmen, dass bei der zweitbeklagten Partei ein [...] Terminverwaltungssystem existiert. Die klagenden Parteien sind damit einverstanden, dass dieses zur Gänze offengelegt wird [...].“

Wer sind die Parteien? Was ist der Hintergrund der zivilgerichtlichen Front? Als Kläger treten Grassers Valuecreation GmbH mit Sitz in Wien und er selbst („zweitklagende Partei“) auf. Auf Beklagtenseite findet sich die Beratungsfirma Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH (sie ist Teil eines internationalen Verbunds von Prüfgesellschaften) und eben Steuerberater und Deloitte-Partner Haunold. Der Gesamtstreitwert – Schadenersatz wegen „fehlerhafter Beratung“, „Rettungs- und Abwehraufwand“ (Grasser argumentiert, er habe wegen der Falschberatung neue Steuerberater engagieren müssen), Feststellungsinteresse (bewertet mit 35.000 Euro) – beträgt 366.684,88 Euro. Gleich vorweg: Deloitte und Haunold bestreiten das Klagebegehren zur Gänze.

Zwei Ex-Minister.
Für den Ex-Finanzminister könnte die Klage ein Befreiungsschlag werden, sitzt ihm doch seit Jahren die Finanz im Nacken. Um 4,95Millionen Euro soll er laut einem Bericht der Finanzbehörden vom August dieses Jahres seine Steuerabgaben „verkürzt“ haben. Grasser – hochkarätig vertreten durch einen Ex-Justizminister, den Anwalt Dieter Böhmdorfer – weist jede Schuld von sich. Er zeigt dafür auf den Konstrukteur jenes Geflechts aus Stiftungen und Gesellschaften (British Virgin Islands, Liechtenstein, Zypern, Wien), das zum Stolperstein wurde: Haunold.

Dieser gibt in der Klagebeantwortung an: Es lasse sich feststellen, „dass die Kläger die vom Zweitbeklagten ursprünglich vorgeschlagene Struktur in wesentlichen Teilen ohne Beratung durch die Beklagten [...] abänderten“. Kurzum: Grassers tatsächliches Firmengeflecht entspreche nicht dem Konzept Haunolds. Dessen Anwalt Orlin Radinsky möchte vorerst keine Stellungnahme abgeben, Böhmdorfer sehr wohl. Er verweist zunächst auf Grassers einstige Zusammenarbeit mit Julius Meinl. Der Ex-Politiker hielt einen Drittelanteil an der Managementgesellschaft MPM, Meinl Power Management. Diese beriet die börsenotierte Meinl International Power (MIP). Grasser habe 2007 aus dieser Tätigkeit große Geldbeträge erwartet, erklärt Böhmdorfer. Meinl habe den Ex-Politiker daher an Haunold verwiesen. So sei die Firmenkonstruktion entstanden.

Diskretion gegenüber der österreichischen Öffentlichkeit sei eine der explizit festgelegten Zielsetzungen gewesen, erinnert sich Haunold. Daher auch der Schauplatz Liechtenstein. Und nicht Österreich.

2009 kam es zu einer Steuerprüfung. Die Konstruktion hielt stand, wurde aber dann von Korruptionsstaatsanwälten beanstandet. Grassers höchstpersönliche Leistungen hätten nicht über eine Kapitalgesellschaft versteuert werden dürfen, hieß es. Doch dieses Problem sei erstmals Mitte 2008 aufgetreten, sagt Böhmdorfer. Vorher habe man das nicht wissen können.

Am 27. Jänner wird in Wien die erste Tagsatzung im Kampf „Grasser vs. Haunold“ stattfinden. Dessen (mittelbare) Auswirkung auf das Steuerstrafverfahren bleibt abzuwarten.

DIE NEUE FRONT

Nicht als Beschuldigter, sondern als Kläger tritt Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in einem Schadenersatzprozess am Handelsgericht Wien auf. Auf Beklagtenseite: sein einstiger Steuerberater, der Deloitte-Partner Peter Haunold.

Das Strafverfahren, u. a. wegen der Buwog-Privatisierung (Verdacht auf Untreue), sowie das Finanzstrafverfahren laufen indes weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2013)

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