Studie: EU-Förderungen für Agrosprit verteuern Essen

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Kein Staat pumpt mehr Geld in die Subvention von pflanzlichen Treibstoffen als die EU. Höhere Preise für Öl, Zucker und Weizen sind ein Effekt. Der Klimanutzen ist kaum vorhanden.

Wien. Erinnert sich eigentlich noch irgendjemand an E10? Das ist der Treibstoff mit zehn Prozent Ethanol-Anteil aus Getreide, den Österreich eigentlich seit über einem Jahr eingeführt haben wollte. Es kam bekanntlich anders: Ein Fiasko bei der E10-Einführung in Deutschland und etliche Studien über mangelnden Klimanutzen des „Biotreibstoffs“ später wurden die hehren Pläne fallen gelassen.

Doch ganz vergessen ist der Agrosprit hierzulande nicht. Seine größten Fürsprecher, der Bauernbund und der Zuckerproduzent Agrana, wittern wieder Morgenluft. Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski rühmte Agrosprit erst kürzlich als „aufstrebenden und zukunftsträchtigen“ Wirtschaftszweig. Agrana-Chef Johann Marihart, der in Pischelsdorf ein großes Bioethanolwerk betreibt, will sich – sobald die neue Regierung steht – „sicher wieder des Themas annehmen“. Auch in der EU steht der Ausbau von pflanzlichen Treibstoffen immer noch recht weit oben auf der Agenda. Keine andere Nation gab in den vergangenen Jahren mehr Geld für die Förderung von Agrosprit aus Getreide, Soja, Raps und Palmöl aus als die EU. Acht Milliarden Euro flossen allein im Jahr 2012, so die Internationale Energieagentur. Mit geringem Effekt für das Klima und verheerenden Auswirkungen auf die Preise, sagen die Forscher der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung.

Gemeinsam mit der NGO Oxfam haben sie errechnet, was eine Abkehr der politisch motivierten EU-Förderungen für pflanzliche Treibstoffe bedeuten würde: Durch das sofortige Aus der Subventionen müsste die EU 2020 demnach 27 Millionen Tonnen weniger Getreide einführen und würde vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur. Die Preise für Nahrungsmittel würden teils deutlich sinken. Pflanzliches Öl wäre um 16Prozent billiger, Ölsaate immerhin noch um zehn Prozent. „Eine Korrektur der fehlgeleiteten EU-Biokraftstoffpolitik ist längst überfällig“, sagt Studienautor Harald Grethe von der Universität Hohenheim. Vor allem, da auch die Auswirkungen auf das Weltklima zu lange zu positiv dargestellt wurden. Er fordert daher, dass die EU-Energieminister bei ihrem heutigen Treffen eine Deckelung und später ein komplettes Auslaufen der Subventionen für Agrosprit beschließen sollen.

Keine Entspannung bei Weizen

Entspannung an der Tortilla-Front brächte das aber nicht. Zur Erinnerung: 2007 verteuerte die hohe US-Nachfrage nach Mais für Ethanol den Maispreis dermaßen, dass sich viele Mexikaner ihre Fladenbrote nicht mehr leisten konnten. Eine Studie der Weltbank zeigte damals, dass der Anbau von Agrosprit-Pflanzen die Nahrungsmittelpreise um bis zu 75Prozent beeinflusst. Hier brächte der Verzicht der EU auf Förderungen nur wenig, da in Europa kaum Ethanol aus Getreide produziert wird. Weizen würde lediglich um vier Prozent billiger, Zucker um 3,4Prozent.

AUF EINEN BLICK

EU-Förderungen für Agrosprit verteuern Nahrungsmittelpreise um bis zu 16Prozent, errechnet die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung. Die Forscher fordern, Biosprit aus Nahrungsmitteln auf fünf Prozent zu beschränken und langfristig ganz abzubauen. In Österreich liegt der Anteil der Agrotreibstoffe heute schon bei rund sieben Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2013)

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