Image der Banker? "Knapp über dem Kinderschänder"

http://w Rainer Voss im Film
http://w Rainer Voss im Film "Master of the Universe"
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Lange Jahre war Rainer Voss erfolgreicher Investmentbanker. Jetzt hat er eine Dokumentation über seine Erlebnisse gedreht. Im Interview erzählt er von seinem Leben als Banker.

In Österreich wurden gerade Politiker vom Vorwurf der Untreue freigesprochen, weil man ihnen zugestand, sich nicht mit Swap-Geschäften auszukennen. Kennen sich zumindest Banker damit aus?

Rainer Voss: Davon ist auszugehen.

Weil sie gut daran verdient haben?

Es ist schwer, in dem Fall zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Die Politiker haben diese Geschäfte ja mit der Absicht gemacht, Geld zu verdienen. Hätten sie 50 Millionen Euro verdient, würden wir nicht darüber reden.

Haben Banker eigentlich damit kalkuliert, dass die Politiker die Finanzgeschäfte nicht verstehen?

Ich will das nicht ausschließen, in der Masse aber ist das nicht so. Es geht ja nicht um eine Wette mit einem 50-prozentigen Risiko. Die Bank schließt ihre Position ja sofort, sie versichert sich gegen einen Verlust. Der Bank ist es egal, ob der Kunde gewinnt oder verliert, sie kriegt das Geld so oder so. Der Banker ist da völlig gefühlsneutral.

Ist nicht das erste Interesse des Bankers, dass er selbst ein gutes Geschäft macht?

Das natürlich. Aber wir müssen uns von diesem generellen Motivationsschema lösen, dass es nur um Geld geht. Die eigentliche Motivation ist es, der Übermutter Bank zu gefallen. Dass es Geld dabei gibt, ist nett. Das ist, als würde man Arjen Robben sagen, ab morgen würde er nur noch 5000 Euro im Monat bekommen. Der hört deswegen auch nicht auf, Fußball zu spielen. Da geht es um eine Bedürfnisbefriedigung.

Wie befriedigt die Bank das Bedürfnis?

Die Arbeit gibt einem ein Elitengefühl, man ist eine Pseudofamilie. Man hat in etwa die gleichen Interessen, man ist in einem Kreis und tut viel, um nicht herauszufallen.

Verliert man eigentlich den Bezug zum realen Leben, wenn man in einer Welt lebt, in der es um hunderte Millionen Euro geht?

Ja, zum großen Teil. Bei Diskussionen im Freundeskreis ist man auf verlorenem Posten. Die Interessen sind andere, und auch die Probleme. Wenn mir jemand erzählt hat, dass er um 200Euro billiger auf Urlaub fährt, war das völlig belanglos für mich, weil ich 100.000 Euro im Monat verdient habe.

Es hat viel Kritik an den Produkten gegeben, die sich Banken haben einfallen lassen und die auch ein Auslöser der Krise waren. Hatte man da kein schlechtes Gefühl?

Na ja, ich kann sagen, wie ich das erlebt habe. Man sah sich um und stellte fest, dass alle Banken etwas Neues machen. Vielleicht hat man und haben einige Leute gesagt: Das Produkt ist eigentlich nicht so eine gute Idee. Aber es gab eine Art kollektive Panik, weil einige damit Erfolg hatten. Es ist immer leichter, etwas mitzumachen, als gegen den Strom zu schwimmen und zu sagen: Nein, das machen wir nicht – selbst wenn man von dem Produkt nicht überzeugt ist. Da kommt es zur Schwarmdummheit.

So wie die Pakete mit den Subprime-Krediten in den USA?

Ja, wie Lemminge. Alle rennen in eine Richtung, jeder rennt mit, und niemand hält inne und analysiert das.

Wann haben Sie angefangen, bei der Bank zu arbeiten.

1979, in einer Sparkasse.

Damals waren Banker doch noch angesehene Menschen, wie der Lehrer oder der Dorfarzt. Heute rangieren sie im Image...

...knapp über dem Kinderschänder.

Was ist da passiert?

Das kann ich auch nicht genau sagen, sonst wüsste ich, wem ich in die Fresse hauen soll. Das macht mich wütend. Als ich anfing, hatten wir ein Renommee. Wir haben wirklich für die Menschen gearbeitet. Heute ist der Ruf des Berufs ruiniert, obwohl 95 Prozent einen ordentlichen Job machen. Ich finde Kapitalismus eine gute Sache, ich finde Banken eine gute Sache – aber irgendwie ist das ausgeartet und hat zu dem schlechten Image beigetragen. Und darüber bin ich sauer.

Haben Sie nicht persönlich mit Ihrem Job auch dazu beigetragen?

Ich habe in einem Bereich gearbeitet, in dem es diese Versuchung nicht gab. Ich hab mich oft gefragt, ob ich die Zivilcourage gehabt hätte, zu sagen, dass ich das nicht mache.

In der Dokumentation erzählen Sie, dass Sie am ersten Tag im Job mehr verdient haben als Ihr Vater am Ende seines Berufslebens. Fragt man sich da nicht, was die eigene Leistung so viel wertvoller macht?

Schon, ja. Ist es unangemessen, dass man so viel mehr Geld verdient als eine Altenpflegerin? Die Antwort ist klar Ja, die kann nicht anders lauten. Lautet die Frage aber, ob es unangemessen ist, dass ich 20 Prozent mehr verdiene als der Kollege im Devisenhandel, dann ist die Antwort eine andere. So viel Geld zu bekommen, damit hatte ich nie ein Problem, weil es innerhalb des Systems okay war. Dass in dem System das Gehaltsgefüge total beknackt ist, das ist selbsterklärend. Da muss jemand schon wirklich abgedreht sein, wenn er erklären will, dass das gerechtfertigt ist.

Wenn man aus dem System draußen ist – aus den Millionenverdiensten, den Feiern, dem Handeln mit Millionen – und plötzlich wieder im realen Leben steht, bekommt man da eine Sinnkrise?

Das stürzt manche Leute in eine Depression, ja. Das war bei mir teilweise der Fall. Ich liebe den Beruf, ich beschäftige mich immer noch damit, aber es hat sich alles in eine Richtung entwickelt, die mir Sorgen macht und die mich stört. Meine Kinder haben gesagt: „Du kannst nicht immer nur zu Hause herumjammern über die Zustände. Wenn dich das so stört, musst du raus.“ Deswegen habe ich die Dokumentation gemacht. Ich habe fünf Jahre gebraucht, um von dem Job loszukommen. Mit dem Film habe ich das Buch zugeklappt.

Fakten

Rainer Voss (54) war ein mächtiger Investmentbanker, bevor er aus dem System ausstieg. Bei welcher Bank er arbeitete, will er aus rechtlichen Gründen nicht sagen.

"Master of the Universe" heißt die Dokumentation, in der Voss über sein Leben erzählt. Regisseur Marc Bauder filmte das Gespräch in einem leer stehenden Bankgebäude in Frankfurt. Der Film läuft derzeit im Wiener Filmcasino.

Link:www.master-of-the-universe-film.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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