Gericht lockert Gewerbeordnung

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Der Verfassungsgerichtshof erklärt die Fotografie zu einem freien Gewerbe. Die Fotografeninnung ist wenig erfreut. Sie fürchtet die wachsende Konkurrenz.

Wien. Die Österreichische Gewerbeordnung erfüllt einen guten Zweck – in manchen Bereichen. Für Berufe, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellen könnten oder für die es aus anderen Gründen besonderer Kenntnisse bedarf, schreibt sie einen Befähigungsnachweis vor: etwa Augenoptiker, Gastechniker, Schädlingsbekämpfer und Ingenieure, um ein paar Beispiele zu nennen. Ein Streitfall waren bis vor Kurzem die Berufsfotografen. Auch sie durften lange Zeit nicht arbeiten, ohne dass sie eine Lehre oder eine vergleichbare Ausbildung nachweisen konnten. Selbst wer längst internationalen Ruhm und Aufträge in Hülle und Fülle vorweisen konnte, arbeitete in Österreich de facto illegal.

Bis das Fotografengewerbe im Herbst 2012 auf Initiative des Wirtschaftsministeriums teilweise liberalisiert wurde. Seither darf grundsätzlich jeder Fotograf sein. Zumindest fast: Auf Druck der Fotografeninnung, die die wachsende Konkurrenz fürchtet, blieben ein paar Einschränkungen aufrecht. In den ersten drei Jahren durften Fotografen nach wie vor nicht für Privatkunden arbeiten. Hochzeiten, Taufen und Porträts waren während dieser Zeit also weiterhin tabu.

Doch auch diese Auflagen gehören nun der Vergangenheit an. Der Verfassungsgerichtshof hat alle Beschränkungen aufgehoben und die Fotografie damit zu einem freien Gewerbe erklärt. Das Gericht gab mit dem Spruch einem Antrag des Verwaltungsgerichtshofs statt. Erstens sei die Fotografie mit keinerlei besonderen Gefahren für die physische oder psychische Gesundheit von Personen oder die öffentliche Sicherheit verbunden. Auch seien durch die Verbreitung der Digitalfotografie keine speziellen Kenntnisse mehr bei der Ausarbeitung von Fotos nötig. Und schließlich sei kein berechtigtes Interesse zu erkennen, den Zugang zur Presse- und zur Berufsfotografie unterschiedlich zu regeln. Pressefotograf durfte nämlich schon länger jeder sein, der einen Job fand.

„Endlich arbeiten wie im Rest der Welt“

Die Fotografeninnung, die gegen die Liberalisierung gekämpft hatte, hat für die Entscheidung kein Verständnis. Bundesinnungsmeister Ernst Strauss stört, „dass ein paar ahnungslose Richter, die von Handwerk und Gewerken keine Ahnung haben, solche Entscheidungen treffen“, wie er zur „Presse“ sagt. Seit der teilweisen Freigabe der Fotografie habe es bei den Fotografen einen Zuwachs von 45Prozent auf mehr als 5000 gegeben. „Bei gleichbleibend großem Kuchen“, sagt Strauss. Das führe dazu, dass immer weniger Betriebe Lehrlinge ausbilden – weil sie es sich nicht mehr leisten könnten.

Anders sehen das jene Fotografen, die sich mit der Initiative „Freie Fotografie in Österreich“ für die Freigabe starkgemacht hatten. Etwa Jürg Christandl, Pressefotograf in Wien. „Das ist das, was wir immer wollten“, jubelt er. Die teilweise Liberalisierung sei ein Kompromiss gewesen. Der Spruch des VfGH sei ihm noch lieber. „Endlich dürfen die Fotografen in Österreich arbeiten wie im Rest der Welt.“ Österreich war eines der letzten Länder, wo das Gewerbe reglementiert war.

Laut Christandl und seinen Mitstreitern würden sich auf dem Markt ohnehin jene Fotografen durchsetzen, die ihr Metier beherrschen. Ob sie das nun in der Lehre gelernt – oder es sich zu Hause selbst beigebracht haben.

ZUR SACHE

Fotografen. Im Oktober 2012 wurde das Fotografengewerbe teilweise liberalisiert: Seither muss man keine Ausbildung mehr vorweisen, um in Österreich als Fotograf arbeiten zu dürfen. Mit der Einschränkung, dass Fotografen in den ersten drei Jahren nicht für Privatkunden arbeiten durften. Der Verfassungsgerichtshof erklärte nun aber alle Einschränkungen für unzulässig – und damit die Fotografie zu einem freien Gewerbe. In den meisten EU-Ländern ist das schon länger so.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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