Gasmarkt: "Macht der Alteingesessenen ist groß"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Clemens Wodniansky, Chef des Gasanbieters Montana, spricht über die Marktmacht der arrivierten Energieversorger. Dass Schiefergas ökologisch bedenklich ist, sei nicht bewiesen.

Die Presse: Sie sind wohl einer der wenigen, die sich über die Kälte freuen. Wechseln seit Wintereinbruch mehr Gaskunden zu Ihnen?

Clemens Wodniansky: Definitiv. Die meisten neuen Kunden kommen im Winter zu uns. Allein im November hatten wir 3100 Anmeldungen.

Sie sind seit heuer als alternativer Anbieter auf dem heimischen Gasmarkt tätig. Vor dem Winter gab es Verunsicherungsversuche durch Altversorger, die behauptet haben, die neuen Anbieter seien zwar günstiger, aber unsicherer. Müssen Montana-Kunden fürchten, dass sie im Winter frieren?

Sie werden definitiv nicht frieren. In Österreich mussten im Herbst alle Gaslieferanten der E-Control nachweisen, dass sie genug Gas haben, um auch an sehr langen und kalten Tagen die Versorgung sichern können. Das hat die Behörde auch bestätigt.

Der niederösterreichische Landesversorger EVN hat an manche Ihrer Kunden einen Brief geschrieben, in dem sinngemäß das genaue Gegenteil stand.

In dieser Causa haben wir uns zu einer Klage hinreißen lassen und konnten vor Gericht einen Vergleich schließen. Demnach darf der Mitbewerber nicht mehr sagen, dass wir keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit getroffen haben oder dass Haushaltskunden (geschützte Kunden iSd SOS Verordnung, Anm.) beim Mitbewerber sicherer sind als bei uns. Es war uns wichtig, dass das gerichtlich klargestellt ist. Energie ist ein heikles Produkt. Es gibt nichts Schlimmeres, als wirklich in der Kälte zu sitzen. In Österreich muss sich davor niemand fürchten. Die Ängste, die da geschürt wurden, rühren noch aus der Zeit der Liberalisierung. Auch da hat es geheißen: Achtung, ohne Monopole wird alles unsicherer. Eigentlich dachte ich, dass das der Vergangenheit angehört. Offenbar nicht.

Wenn man die Ex-Monopolisten fragt, warum sie teurer sind als junge Mitbewerber, heißt es immer: Die Alternativen sind Trittbrettfahrer, weil sie kein Gas einlagern und im Notfall doch wieder die alten Landesversorger einspringen müssen.

Man muss differenzieren. Im Notfall würde der Kunde durch den Netzbetreiber mittels Ausgleichsenergie versorgt werden. Es wäre auch aus technischen Gründen undenkbar, dass Kunden nur eines Versorgers von heute auf morgen abgeschaltet werden. Das „Trittbrettfahrer-Argument“ lasse ich nicht gelten. Denn ein eigener Speicher ist eben nur eine Variante, die Versorgung zu sichern. Man kann das auch tun, indem man viele unterschiedliche Vorlieferanten hat.

Woher beziehen Sie Ihr Gas?

Wir kaufen unser Gas von Produzenten, vom Großhandel und von der Börse. Genauer will ich das aus taktischen Gründen hier nicht sagen. Aber die E-Control weiß es. Einer unserer Vorlieferanten hat auf jeden Fall einen sehr großen Speicher in Österreich. Dadurch sind unsere Gasvorräte auch im Notfall gesichert.

Wenn das das Günstigste ist, warum tun das nicht alle?

Manche Anbieter in Österreich haben Gaslieferverträge mit sogenannten Take-or-Pay-Klauseln. Sie müssen also mitunter Gas abnehmen, obwohl sie es gar nicht brauchen. Da liegt es nahe, das in einem Speicher zu lagern. Es ist kein altruistischer Akt von den Mitbewerbern, wenn sie um teures Geld Gasspeicher betreiben. Wir heben eben solche Verträge nicht.

Die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte ist mittlerweile zwölf Jahre her. Warum ändert sich da so wenig?

Die Marktmacht der alteingesessenen Lieferanten ist noch sehr groß. Es gab bis dato auch keinen großartigen Wettbewerb. Anhand der Wechselraten sieht man, dass die Verbraucher noch zu wenig über die Möglichkeit wissen, dass man den Versorger wechseln und damit Geld sparen kann. Mir ist kein Altversorger bekannt, der je aktiv um Wechselkunden geworben hätte. Aber der Preis ist nicht das Einzige, was zählt. Es hat jeder die Kunden, die er am besten versorgen kann. Seit 2013 sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für neue Mitbewerber auf dem österreichischen Gasmarkt viel besser geworden. Es werden immer mehr kommen.

Warum tun sich die Österreicher beim Anbieterwechsel so viel schwerer als etwa Deutsche?

In Österreich haben 90 Prozent aller Haushalte noch nie Gasanbieter gewechselt. Die Wechselrate liegt bei zwei Prozent, und das wird schon bejubelt. In Deutschland sind es bis zu sieben Prozent, in Großbritannien sogar bis zu zwanzig. Grund dafür ist einerseits die mangelnde Information und andererseits die Gewohnheit vieler Österreicher, dass man besser nichts verändert. Viele müssen erst lernen, dass man wechseln kann.

Sie haben sich für 2013 rund 20.000 Kunden und 30 Mio. Euro Umsatz als Ziel gesetzt. Ist sich das ausgegangen?

Wie haben am Wochenende die 20.000 Kunden überschritten. Bis Jahresende sollten es 21.000 sein. Ob wir auch das Umsatzziel erreicht haben, wissen wir im März. Für nächstes Jahr rechne ich mit 15.000 Neukunden. Denn es wird schwieriger, die Menschen zu erreichen. Ich bekomme viele E-Mails, die mir zeigen, dass nach wie vor viele Menschen den Gasmarkt noch nicht verstehen. Zum Beispiel fragen manche, wann wir unsere Pipeline von München (Montana Österreich gehört zu einem deutschen Familienunternehmen, Anm.) nach Wien verlegt haben. Hier fehlen massiv Information und Aufklärung. Angstmachersprüche der alteingesessenen Konkurrenz sind natürlich sehr kontraproduktiv.

Sie wenden sich vorwiegend an Haushaltskunden. Die E-Control kritisiert, dass die Privaten im Vergleich zur Industrie zu viel für ihr Gas bezahlen. Warum?

So einfach kann man das nicht sagen. Die Industrie bekommt das Gas auch günstiger, weil die Abwicklung im Verhältnis zur verkauften Menge viel günstiger ist. Es ist also nicht fair zu sagen, dass die Großkunden auf Kosten der Haushaltskunden profitieren. Aber wenn Private den Anbieter wechseln, ersparen sie sich bis zu einem Viertel der Kosten. Und das praktisch ohne Aufwand.

Was halten Sie von der Schiefergas-Debatte? Macht Europa hier einen Fehler?

Ich glaube, Amerika hat uns vorgezeigt, dass man durch Schiefergas eine irre Flexibilität bekommen kann. Ob es ökologisch gerechtfertigt ist, wird die Zukunft zeigen. Niemand weiß, welche Auswirkungen das genau hat. Klar ist: Wenn wir es nicht machen, wird es den exorbitanten Preisunterschied bei Energie zwischen den USA und Europa weiterhin geben. In der Großindustrie wird das natürlich zu Buche schlagen. Aber ich bin es leid, dass Konzerne ständig sagen: Wir müssen das machen. Das darf kein Konzern und kein Politiker allein entscheiden. Das ist eine Entscheidung, die das Volk treffen muss. Je schneller, desto besser.

Wohin wird sich der Gaspreis in Europa entwickeln?

Ich glaube, dass der Gaspreis eher fallen wird. Die USA haben viele Flüssiggas-Terminals ursprünglich für den Gasimport gebaut, die sie jetzt – dank des Schiefergasbooms– in Export-Terminals umbauen können. Da wird viel Gas nach Europa umgeleitet werden.

ZUR PERSON

Clemens Wodniansky (*1970) ist Geschäftsführer des Energieanbieters Montana Österreich. Der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler war zuvor bei den Unternehmen Bewag, Energieallianz Austria sowie dem Verbund tätig.

Die Firma Montana ist seit November 2012 auf dem heimischen Markt aktiv. Das Unternehmen betreut rund 150.000 Kunden in Deutschland und Österreich. Der Jahresumsatz liegt bei rund 500 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2013)

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