WU-Professor Franke: "Mehr Wertschätzung für die, die Wohlstand schaffen"

(c) Teresa Zötl
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Die Mentalität hindere hierzulande die Menschen, Unternehmer zu werden, sagt WU-Professor Nikolaus Franke.

Die Presse: Sie sind Deutscher und Vorstand des Instituts für Unternehmensführung an der WU. Ist Österreich in Ihren Augen ein unternehmerfreundliches Land?

Nikolaus Franke: Von der Tradition her wohl nicht. Als ich vor zwölf Jahren an die WU gekommen bin, haben mir viele Kollegen gesagt: Schauen Sie, dass Sie nicht zu viel Wind um ihr Thema machen. Sonst fällt ja jedem auf, dass Sie hier überflüssig sind. Die WU-Studenten wollen alle Beamte werden und Entrepreneurship ist für die wie das Weihwasser für den Teufel.

So schlimm noch vor zwölf Jahren? Das hätte ich nicht gedacht.

Ich auch nicht. Es war dann aber auch ganz anders. Von Beginn an waren unsere Kurse stark überbucht, von wegen, da gibt es kein Interesse. Aber Entrepreneurship war damals ein Fremdwort. Heute gibt es mehr Bewusstsein, dass unser Wohlstand nicht vom Himmel gefallen ist, sondern geschaffen wurde. Von unternehmerischen Menschen, die gesagt haben, jetzt packen wir es an, wir ändern etwas, wir schaffen Neues. Aber zufriedengeben darf man sich damit nicht. Es gibt noch viel Potenzial.

Was meinen Sie genau?

Österreich ist gut aufgestellt, was die Zutaten für das Unternehmertum betrifft: Kreativität, Kapital, Technologie. Es gibt viele junge Menschen, die etwas tun möchten. Aber wir haben Nachholbedarf dabei, die PS auf die Straße zu bringen. Bevor ich nach Wien kam, war ich ein Jahr am MIT in Boston. Dort gibt es 10.000 Studierende. Seit der Gründung des MIT vor rund 150 Jahren sind von den Absolventen 26.000 Unternehmen gegründet und 3,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. Mit zwei Billionen Dollar Umsatz. Wäre das ein Land, wäre es die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Nicht jede Uni kann sein wie das MIT, aber die Zahlen entfachen Fantasie, was alles möglich ist. Man muss nur mal überlegen: Allein in Wien gibt es fünfzehnmal so viele Studierende wie am MIT.

Was hält die Menschen in Österreich davon ab, auf die Seite des Arbeitgebers zu wechseln?

Es ist nicht hauptsächlich die Gesetzgebung oder ein Mangel an Kapital. Am meisten bremst die Mentalität. Die soziale Ächtung, die sie fürchten, wenn sie Fehler machen oder gar scheitern. Unternehmertum hat etwas mit Risiko zu tun. Man kann sehr reich werden, es kann aber auch schiefgehen. Dann gilt man als Versager. Und wenn man als Unternehmer erfolgreich ist, muss man sich schnell gegen den Vorwurf wehren, dass es da nicht mit rechten Dingen zugehe, man ein Gangster sei. Da haben wir in ganz Europa Nachholbedarf.

Und wie lässt sich das ändern?

Bildungsinstitutionen spielen da eine große Rolle. Aus meiner Sicht dominiert in der Schule zu stark das Ideal, fehlerfrei zu sein. Beim Diktatschreiben ist das verständlich. Ein erfolgreicher Unternehmer wird man aber nicht, indem man Fehler vermeidet. Dazu muss man sich rauswagen aus dem geschützten Bereich. Wenn wir Leuten zwölf Jahre lang einhämmern, du bist gut, wenn du keinen Fehler machst, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie sich später nicht trauen, etwas auszuprobieren.

Die Weltbank findet, dass in Österreich Bürokratie und hohe Steuern den Unternehmergeist bremsen.

Natürlich können die Rahmenbedingungen noch besser werden. Da ist schon einiges passiert, etwa die GmbH light. Problematischer ist die Trennung zwischen Wirtschaft und Technologie. Und diese weit verbreitete Kultur der Risikoscheue. Walt Disney hat sein Imperium in einem Leben aufgebaut. Aber vorher ist er dreimal gescheitert.

Hohe Steuern halten die Leute also nicht vom Gründen ab?

Hohe Steuern wirken natürlich auf keinen Leistungsträger motivierend. Sie prägen indirekt das Klima. Wenn jemand, der als Unternehmer zu Vermögen kommt, überwiegend als jemand gilt, den man mit hohen Steuern bestrafen muss, hat das eine Wirkung auf die gesellschaftliche Wertschätzung.

Sie meinen jetzt die Diskussion über die Vermögensteuer.

Die Steuersätze sind auch ohne Vermögensteuer schon recht hoch. Ich weiß nicht, ob man Ihnen schon mal im Finanzamt für Ihre Steuern gedankt hat. Bei denen, die im Jahr 500.000 Euro Steuern zahlen, ist das nicht anders. Im Gegenteil, sie müssen sich dann noch rechtfertigen, als hätten Sie das Geld jemandem weggenommen. Wir brauchen mehr Wertschätzung für jene, die Wohlstand schaffen. Das Geld, das wir für das Sozialsystem ausgeben können, kommt von den Menschen, die Risken eingehen, nicht den leichten Weg gehen, Gas geben und sich nicht entmutigen lassen.

Macht vielleicht Wohlstand zu bequem, etwas zu riskieren?

Natürlich ist in Schwellenländern viel Dynamik da, wegen dieses ganz starken Wunsches nach mehr Wohlstand. Das erklärt aber längst nicht alles. Wer in Österreich Unternehmer wird, macht das oft, weil er sich verwirklichen will. Reich werden ist manchmal eher eine erfreuliche Nebenerscheinung. Bei unseren Studierenden ist das stärkste Motiv, dass sie etwas verändern wollen. Etwas tun, hinter dem sie vollkommen stehen.

Halten Sie es für möglich, dass in Österreich eine richtige Start-up-Szene entsteht? Oder ist Österreich dafür nicht der richtige Nährboden?

Wenn ich mir anschaue, wie aktiv unsere Studierenden sind, kann man nur sagen, selbstverständlich. Über 150 Start-ups sind von den Absolventen gegründet worden, ungefähr 1000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Klar ist aber auch, solche Szenen entstehen nicht von selbst, der Nährboden für so etwas muss bewässert werden.

Von der Politik?

Letztlich von der ganzen Gesellschaft, verkörpert durch die Politik.

Kann man Gründergeist politisch ankurbeln? Und wenn ja, wie?

Die Universitäten sollten viel mehr kooperieren. Ein Wirtschaftler allein gründet eine Beratung, eine Marketingagentur, jedenfalls bleibt er höchstwahrscheinlich in der Dienstleistung. Ein TUler gründet allein ein Unternehmen und schreibt einen Businessplan zu 70 Prozent über die Technologie. Ganz viel steckt in dieser Kombination. Das ist es, was das MIT so erfolgreich macht.

AUF EINEN BLICK

Praxis trifft Wissenschaft. Im Rahmen von „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ sprechen am 13. Jänner Nikolaus Franke, Vorstand des Instituts für Entrepreneurship an der WU Wien, und KTM-Chef Stefan Pierer über Unternehmertum in Österreich. Im Anschluss moderiert „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak eine Publikumsdiskussion. Infos und Anmeldung unter diepresse.com/unplugged. Die Veranstaltung ist eine Kooperation der „Presse“, der Erste Group und der WU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2013)

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