Finanzaufsicht schaltet Insider-Hotline frei

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft richtet auch die Finanzmarktaufsicht eine Whistleblower-Hotline ein. Mitarbeiter von Banken und Finanzfirmen können dort anonym Unregelmäßigkeiten melden.

Wien. Viele Skandale und Insidergeschäfte aus der Vergangenheit hätten mit anonymen Hinweisgebersystemen vermutlich früher aufgedeckt werden können. Daher hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) zu Jahresbeginn eine telefonische Whistleblower-Hotline freigeschaltet, wie sie am Donnerstag bekannt gab. Dort können Personen anrufen, wenn sie Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei Finanzfirmen haben. Die FMA richtet sich damit primär an Mitarbeiter von Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Wertpapierfirmen. Doch grundsätzlich kann sich jeder, der einen Verdacht über Missstände auf dem Finanz- und Kapitalmarkt hat, melden. Erreichbar ist die Whistleblower-Hotline unter der Telefonnummer 0800-249 900.

Ab Februar soll es auch ein IT-gestütztes Whistleblower-System geben. Dieses wird über die FMA-Homepage zugänglich sein. Dabei sollen die modernsten Sicherheits- und Verschlüsselungstechniken zum Einsatz kommen, um den anonymen Hinweisgebern „höchstmögliche Datensicherheit und Vertraulichkeit“ zu garantieren, sagt FMA-Sprecher Klaus Grubelnik.

Die Europäische Union schreibt vor, dass zu Jahresbeginn nicht nur die FMA, sondern auch alle Banken ein solches Whistleblower-System einrichten müssen. Weil die Verhandlungen mit der österreichischen Datenschutzkommission aber bis knapp vor Jahresende gedauert haben, erhalten die Banken für die Umsetzung etwas mehr Zeit. „Wir werden im Jänner starten“, heißt es bei der Bank Austria. Bei der Raiffeisenbank International und der Raiffeisen Zentralbank gibt es schon seit 2010 eine Whistleblower-Hotline. Diese wird von einem externen Anbieter in London betrieben.

Die Raiffeisen-Mitarbeiter können vermutete Unregelmäßigkeiten in mehreren Sprachen melden, was bei den vielen Töchtern in Osteuropa wichtig ist. Pro Jahr gab es zehn bis 20 Hinweise. „Wir prüfen sehr genau. Doch bislang war wenig Relevantes dabei“, sagt ein Raiffeisen-Sprecher.

Telekom Austria: 30 Tippgeber

Wer ein Whistleblower-System betreibt, muss dies grundsätzlich der Datenschutzkommission melden. Bislang wurden in Österreich erst drei solcher Plattformen mit Auflagen genehmigt. Bei der Telekom Austria, bei der es in der Vergangenheit diverse Korruptionsskandale gegeben hat, können sich seit Dezember 2012 anonyme Tippgeber melden. Bislang sind 30 relevante Hinweise eingelangt. In einem Fall habe dies zu einer Kündigung geführt, sagt Telekom-Sprecher Alexander Kleedorfer.

Auch bei der staatlichen Hypo Alpe Adria haben Mitarbeiter seit Längerem die Möglichkeit, Malversationen anonym auffliegen zu lassen. Dadurch konnten Unregelmäßigkeiten in Slowenien entdeckt werden. Doch der große Durchbruch blieb aus.

Grundsätzlich lässt sich bei Whistleblower-Systemen folgender Trend ablesen: Richten Unternehmen eine solche Plattform ein, sind die Erfolge mitunter bescheiden. Vermutlich haben die Mitarbeiter Angst, dass ihre Identität trotz aller Zusagen bekannt werden kann. Wer wirklich über einen Skandal Bescheid weiß, meldet sich daher gleich bei der Justiz- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Diese startete im März 2013 mit einer Whistleblower-Webseite. „Bis 1. Jänner 2014 sind bei uns 1086 Meldungen eingelangt“, sagt Oberstaatsanwältin Carmen Prior. Man sei über die Resonanz „positiv überrascht“.

Bei rund 40 Prozent der Hinweise wurde ein Akt angelegt. Das bedeutet, dass das Vorliegen einer strafbaren Handlung überprüft wird. 20 Prozent der gemeldeten Fälle wurden an die Finanzbehörden weitergeleitet, weil die Justiz- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dafür nicht zuständig ist. Das Projekt läuft vorerst zwei Jahre lang auf Probe. Doch wegen des Erfolgs ist eine Verlängerung so gut wie fix, heißt es in Justizkreisen.

Ein großer Vorteil des Systems ist, dass die Justiz mit dem anonymen Informanten in Kontakt treten kann, wenn dieser ein virtuelles Postfach eingerichtet hat. Denn oft benötigt die Staatsanwaltschaft für die Ermittlungen weitere Details. Auch hier bleibt die Anonymität gewahrt. Nur wer die Kronzeugenregelung nutzen will, kann sich über das virtuelle Postfach später identifizieren.

Auf einen Blick

Die Finanzmarktaufsicht schaltete zu Jahresbeginn eine telefonische Whistleblower-Hotline frei. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter von Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Wertpapierfirmen, es kann aber von jedem genutzt werden. Ab Februar soll auch ein IT-gestütztes Hinweisgebersystem verfügbar sein. Die Finanzmarktaufsicht hofft, dass damit Skandale und Insidergeschäfte leichter aufgedeckt werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2014)

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