Strabag in Sotschi: Appartements für Agenten

RUSSIA SOCHI 2014 OLYMPIC GAMES
RUSSIA SOCHI 2014 OLYMPIC GAMES(c) APA/EPA/A3390/_Kay Nietfeld (A3390/_Kay Nietfeld)
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Die Strabag hat das olympische Dorf in Sotschi für die Spiele gebaut. Schon bald aber könnten dort hauptsächlich Mitarbeiter des Geheimdienstes urlauben. Aus gutem Grund.

Die Antwort auf die Frage, was mit der olympischen Infrastruktur in Sotschi fortan geschehen soll, nimmt immer pikantere Formen an. Harrt die Idee der Umwidmung des sogenannten Berg-Clusters, wo die alpinen Wettbewerbe stattgefunden haben, in eine Glücksspielzone noch der Entscheidung, so hat der Verkauf der tausenden Appartements, in denen bisher Olympioniken und Funktionäre wohnten, inzwischen zumindest begonnen.

Pikant ist freilich nicht diese Tatsache. Pikant ist, dass laut Informationen der „Presse“ ein Teil dieser Wohnungen in Zukunft gerade Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes und des Militärs zufallen soll.

Konkret geht es vor allem um das olympische Dorf, das von der österreichischen Strabag im Auftrag ihres russischen Großaktionärs Oleg Deripaska errichtet worden ist. Über 3000 Wohnungen mit einer Geschoßfläche von 280.000 Quadratmetern sind dort entstanden. Die Auftragssumme lag bei 23 Mrd. Rubel (gut 500 Mio. Euro), wobei auf die Strabag 14 Mrd. Rubel entfielen. Zehn Minuten sind es von hier bis zum Flughafen. Eine halbe Minute bis zum Strand, weshalb die vorderste Häuserreihe – so wie der Jachthafen – schon einmal von einer Flutwelle erfasst wurde. Wer eine Wohnung in den oberen Stockwerken ergattert, sieht künftig die Boliden auf der neuen Formel-1-Strecke – auch das Teil der Nachnutzung – unter dem Fenster vorbeirasen.

Geheime Listen. Schon Ende des Vorjahres hatte Andrej Elinson, Vize-Generaldirektor von Deripaskas Holding Basic-Element, mit der Andeutung hellhörig gemacht, die ersten Käufer der Appartements stammten aus speziellen, schon vorher zusammengestellten Interessentenlisten. Wie „Die Presse“ inzwischen von zwei Baumanagern des olympischen Dorfes, die nicht namentlich genannt werden wollen, erfuhr, werde derzeit nicht nur mit den Gas- und Ölkonzernen Gazprom und Lukoil über den Ankauf von Ferienwohnungen für ihr Management bzw. mit Privatpersonen aus den reichen sibirischen Ölgegenden gedealt. Seit Längerem wird vor allem auch mit staatlichen Gesellschaften aus dem Umfeld von Geheimdienst und Militär verhandelt, deren Mitarbeiter zum Skifahren oder zum Baden anreisen könnten. „Dieser Kundenstock wird etwas unterschätzt“, sagt einer der Manager: „Das Ganze hat schon Potenzial.“

In der Tat wird unterschätzt, dass die „Siloviki“– so der Name für die Leute aus Sicherheits- und Gewaltmonopolbehörden – nicht nur generell den „neuen Adel“ in Russland bilden, wie dies Andrej Soldatov, Chef der Moskauer Plattform Agentura.ru zur Erforschung der russischen Geheimdienste, in seinem so betitelten Buch darlegt. Es wird auch unterschätzt, dass dieser Adel aufgrund der Verflechtungen von Staat, Wirtschaft und Kriminalität zu einer spezifischen Form des Geldadels geworden ist.


Zum Bleiben verdammt. Dass nun gerade die Urlaubsdomizile in Sotschi für diese Personen attraktiv sind, hat freilich einen besonderen Grund. Jüngst nämlich hat Putin nicht nur verboten, dass Staatsangestellte Vermögenswerte im Ausland besitzen. Er hat auch die Regelung verschärft, dass Geheimdienstler das Land nicht ohne Sondergenehmigung verlassen dürfen. Letztlich sei die Maßnahme eine Reaktion darauf, dass 2010 zehn russische Spione in den USA von einem Überläufer verraten worden sind (später wurde auf dem Wiener Flughafen der Agententausch mit den USA abgewickelt). „Auch vorher schon mussten Geheimdienstmitarbeiter Genehmigungen für eine Auslandsreise einholen. Aber sie waren leichter zu erhalten“, erklärt Soldatov im Gespräch: „Heute bekommt sie praktisch niemand mehr.“

Bei Rogsibal, der zuständigen Deripaska-Firma in Sotschi, wird nicht kommentiert, dass dieses Kundensegment im Fokus steht. Er kenne kein Gesetz, das Agenten die Ausreise verbiete, sagt Rogsibal-Generaldirektor Jakov Palant. Der Urlaubsort sei „für unterschiedliche Kategorien von Bürgern interessant– darunter für Staatsangestellte“, wird der Pressedienst von Basic-Element dann doch etwas deutlicher: Die erste Verkaufsrunde erfolge nach nicht öffentlichen Listen.


Wie in Frankreich. In jedem Fall werde es eine Nachfrage in Sotschi geben, selbst wenn der Quadratmeter 5000 Dollar koste, so Sergej Nikitin vom Immobilienmaklerbüro Penny Lane.

In dieser Preisklasse bewegt man sich derzeit auch. Der österreichische Basel-Topmanager Siegfried Wolf sagte übrigens schon im Vorfeld, dass die Wohnungen im olympischen Dorf mit Immobilien in Frankreich konkurrieren würden. Es sei anzunehmen, dass sich künftige Wohnungsbesitzer auch Standplätze im Jachthafen kaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2014)

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