OECD: Österreich steht Krise des Sozialsystems noch bevor

People enter a government-run employment office in Madrid
People enter a government-run employment office in MadridREUTERS
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Die Finanzkrise von 2008/09 hat Österreich laut OECD gut überstanden. Fehlende (Pensions-)Reformen sind aber ein Problem.

Wien. Von einem echten Wirtschaftsaufschwung kann man angesichts der Prognosen zwar nicht sprechen, doch zumindest die Vorzeichen haben sich gedreht: Für heuer wird für die Eurozone ein Wachstum von 1,1 Prozent erwartet, die Weltwirtschaft soll um 3,6 Prozent zulegen. Und während in der Krise mit Konjunktur- und Bankenrettungspaketen gegengesteuert wurde, hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass gespart werden muss. Das alarmiert die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Wird die finanzielle Leine an der falschen Stelle gezogen, könnte das die Staaten auf lange Sicht teuer zu stehen kommen.

In ihrem Bericht „Gesellschaft auf einen Blick“ untersuchte die Organisation die Auswirkungen der Krise auf die Industrieländer. Die Sozialausgaben sind im Durchschnitt gestiegen. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich von 2007 bis 2010 von 19 auf 22 Prozent. Das liegt auch daran, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesen Jahren fast überall geschrumpft ist. Aber auch absolut haben sich die Ausgaben der öffentlichen Hand für Sozialleistungen erhöht. Am stärksten in jenen Ländern, die von der Krise relativ am schwächsten betroffen waren – darunter Österreich, Deutschland und die Schweiz, wo die Sozialausgaben weit über dem OECD-Schnitt liegen. In Österreich sind es 28 Prozent des BIPs.

Zwei Aktive pro Pensionist

Ein Großteil des Anstiegs ist auf die steigende Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Neben den Ausgaben für Arbeitslosengeld schlugen auch teure Kriseninstrumente zu Buche. In Österreich etwa kostete die Kurzarbeit den Staat allein in den Jahren 2009 und 2010 168 Millionen Euro. Doch in Summe ist Österreich in puncto Krisenfolgen eine Insel der Seligen: Die Arbeitslosigkeit liegt mit 4,7 Prozent (internationale Berechnung) bei weniger als der Hälfte des OECD-Schnitts, die Einkommen sind deutlich gleicher verteilt als in den meisten anderen Industrieländern, und die verfügbaren Haushaltseinkommen sind in den ersten Jahren der Krise (2007 bis 2010) stärker gewachsen als die Inflation.

Problematisch wird hierzulande ein Blick in die Zukunft: Schon jetzt lasten die Pensionen schwer auf dem Budget, und der Brocken wird angesichts der alternden Gesellschaft immer größer: Derzeit kommen auf einen Pensionisten noch etwas mehr als drei Erwerbsfähige zwischen 20 und 64 Jahren. Bis 2050 sinkt die Zahl auf unter zwei. Auch, wenn die Regierung anderes behauptet: Das kann sich nicht ausgehen. Alterung und mangelnder Wille zur Pensionsreform dürften für Österreich also weit schwerer wiegen als die Folgen der Finanzkrise.

Warnung vor falschem Sparen

Wohl auch als Folge dessen ist das Vertrauen in die Regierung drastisch gesunken: Laut OECD vertrauen in Österreich nur 41 Prozent der Erwachsenen der Regierung. Um 14 Prozentpunkte weniger als vor der Krise. Im OECD-Schnitt sind es 43 Prozent.

In anderen Ländern hat die Krise deutliche Spuren hinterlassen. Die Finanzkrise habe eine Sozialkrise entfacht, so die OECD, und der Wirtschaftsaufschwung allein werde nicht reichen, um jenen wieder auf die Füße zu helfen, die es am härtesten getroffen hat. Der Anteil der Menschen, die angeben, nicht immer genug Geld zu haben, um ausreichend Essen zu kaufen, liegt im OECD-Schnitt bei 13 Prozent. In Griechenland stieg der Anteil in der Krise um neun Prozentpunkte auf 18 Prozent. In den USA sind es 21 Prozent (plus 7,7 Prozentpunkte).

Die OECD warnt daher vor dem falschen Sparen: Die Sozialausgaben müssten so gestaltet werden, dass sie die Folgen der Krise für die Schwächsten der Gesellschaft dämpfen. Vermieden werden sollten vor allem allgemeine Kürzungen der Sozialleistungen, etwa Wohn- oder Familienbeihilfen. Auch, um hohe Folgekosten zu vermeiden. Beispiel Gesundheitsvorsorge: Die Einschränkung vorbeugender Maßnahmen, etwa das Screening zur Früherkennung von Brustkrebs, könne später zu höheren Gesundheitsausgaben führen.

Die Geburtenrate ist in der Krise übrigens gesunken – wenn auch nur minimal auf 1,7 Kinder pro Frau (OECD-Schnitt). In Österreich erhöhte sie sich geringfügig und lag 2011 bei 1,43 Kindern je Frau.

AUF EINEN BLICK

Österreich ist aus der Krise bisher relativ unbeschadet hervorgegangen: Die Arbeitslosigkeit liegt weit unter dem OECD-Schnitt, die Einkommen sind deutlich gleicher verteilt als in den meisten anderen Industrieländern und die verfügbaren Haushaltseinkommen wuchsen in den ersten Krisenjahren stärker als die Inflation. Die Probleme zeigen sich mit Blick auf die Zukunft. Derzeit kommen auf einen Pensionisten noch 3,4 Erwerbsfähige. Bis 2050 sinkt die Zahl auf unter zwei. Schon jetzt lasten die Pensionsausgaben in Österreich schwer auf dem Budget.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2014)

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