OGH kippt Provisionssystem von Finanzvertrieben

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Vorschüsse auf Provisionen sowie Rückforderungen bei Stornos sind jetzt nicht mehr möglich. - Branche im Umbruch - Honorarsystem à la Großbritannien stößt in Kontinentaleuropa auf wenig Gegenliebe bei Vermittlern und Banken

Der Oberste Gerichtshof hat die Vergütungspraxis von Finanzvertrieben wie dem Ex-AWD (heute Swiss Life Select) oder OVB gekippt. Die bisher übliche Praxis, "freien" Beratern Vorschüsse auf Provisionen zu zahlen, wird künftig nicht mehr möglich sein. Das könnte den Beruf unattraktiv machen. Bei Kunden-Stornos wiederum können die Firmen keine Provisionen mehr zurückfordern. Die Branche ist nervös.

Laut OGH-Urteil (8ObA20/14w) entsteht der Provisionsanspruch eines Beraters schon dann, wenn der von ihm gewonnene Kunde bezahlt; bei länger laufenden Verträgen anteilig mit der Ratenzahlung, berichtete das "WirtschaftsBlatt".

OGH ändert Beweislast

Bis dato war das aber in der Branche nicht üblich. Im Fall hatte der AWD den "Freiberuflern" keine Provisionen direkt bezahlt, sondern "Vorschüsse". Der Grund: Wenn ein Kunde storniert, wird vom Berater auch die erhaltene Provision (anteilig) zurückverlangt. Dies ist dem Höchstgericht zufolge unzulässig.

Auch die Usance vieler Vertriebe, das Stornorisiko auf den Berater abzuwälzen, dürfte nach Meinung von Rechtsexperten nun passé sein. Im Handelsvertretergesetz gibt es zwar ein Schlupfloch, das es Vertrieben ermöglicht, bereits bezahlte Provisionen zurückzufordern. Die vom OGH festgeschriebenen Beweislastregeln sind aber laut Zeitungsbericht derart strikt, dass das künftig nicht mehr möglich sein wird.

Das wiederum könnte zur Folge haben, dass künftig Zahlungen nicht mehr sofort fließen. Für Neulinge würde das bedeuten, dass sie sich nach dem Umstieg von einem fixen Job auf den "freien" Maklerberuf auf eine längere finanzielle Durststrecke einstellen müssen. Bisher haben Strukturvertriebe Einsteiger mit Vorschüssen gelockt.

Branche im Umbruch

Die großen Vertriebe werden sich nun mit ihren Produktpartnern, etwa Versicherungskonzernen, neue Provisionsmodelle aushandeln müssen. Die Branche ist ohnehin seit Ausbruch der Krise im Umbruch. Tausende Anlegerklagen und öffentlich vorgebrachte Kritik wegen schlechter Aufklärung über Risiken und aggressiver Verkaufspolitik haben die "Keiler" in Verruf gebracht. Die Krise tat ihr übriges.

Finanzberater müssen seit 2011 eine Prüfung ablegen und sich regelmäßig weiterbilden müssen. Im Gefolge des AWD/Immofinanz-Skandals hatte der Gesetzgeber nämlich die sogenannten Finanzdienstleistungsassistenten abgeschafft. Diese durften theoretisch auch ohne jegliche Vorkenntnisse riskante Finanzprodukte verkaufen. Die Finanzvertriebe sind seither bemüht, sich ein seriöses Image zu verpassen. Swiss Life Select zum Beispiel ist jetzt kein klassischer Strukturvertrieb mehr und setzt bei der Beratung u. a. drauf, die Risikoneigung des Kunden genau zu erheben.

AK ortet Interessenskonflikt

Vom Provisionsmodell an sich will man in Österreich aber nicht ablassen. Aus Sicht von Verbraucherschützern ist aber genau das problematisch, weil es die Berater, so gut ausgebildet sie sein mögen, dazu verführe, risikoscheuen Sparbuchsparern riskante Produkte anzudrehen - für diese kassieren die Makler nämlich viel höhere Provisionen als zum Beispiel für eine Autoversicherung. "Ich halte dieses System, in dem die Vermittler Provisionen von den Emittenten beziehen, für einen permanenten Interessenskonflikt", sagte Peter Kolba, Rechtschef des Vereins für Konsumenteninformation (VK), zur APA. "Die teilweise sehr hohen Provisionen müssen einfach dazu verlocken, Verträge zu akquirieren, die bei richtiger Beratung nie geschlossen würden."

Eine auch von Kolba goutierte Alternative wäre das Honorarberatungssystem, das zum Beispiel in Großbritannien üblich ist. Dort sind nämlich seit Ende 2012 Provisionen verboten; Kunden zahlen also, ähnlich wie bei einem Anwalt, eine Art Stundensatz für die Beratung an sich, egal, ob und was sie kaufen.

(APA)

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