Die Industrie probt den Aufstand

Austrian steel group Voestalpine CEO Eder adjusts his glasses during a news conference in Vienna
Austrian steel group Voestalpine CEO Eder adjusts his glasses during a news conference in ViennaREUTERS
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Österreichs Spitzenmanager haben genug von hohen Lohn- und Energiekosten und drohen schon mit Abwanderung. Voest, OMV, Lenzing und Industriellenvereinigung gehen vor der Budgetrede des Finanzministers in die Offensive.

Hohe Steuern, steigende Energiekosten und bürokratische Hürden. Die Regierung ist es längst gewohnt, von den Industriemanagern für Versäumnisse in der Standortpolitik gerügt zu werden. Aber so laut wie derzeit waren die Klagen selten. Just vor einer Reise in die USA, wo er neue Standorte eröffnen will, hat jetzt Voestalpine-Chef Wolfgang Eder den Industriestandort Österreich infrage gestellt.

Das tut er zwar immer wieder – diesmal ist er aber beileibe nicht allein. Das Klagen über Versäumnisse der Regierung in der Wirtschaftspolitik zieht sich derzeit quer durch alle Bundesländer und viele Branchen. Selbst die Erste Bank, die gerade eine neue Zentrale in Wien baut, und sogar die Raiffeisen Landesbank drohen, schon über die Abwanderung ins Ausland nachzudenken. Was ist faul im Wirtschaftsstaate Österreich? Wie lange noch, bis aus den Abwanderungsdrohungen Realität wird?

Mitte des kommenden Jahrzehnts würden mehrere Anlagen in Linz das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, so Voestalpine-Chef Eder in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Mit Blick auf dieses Datum müsse sich die Voestalpine „die grundsätzliche Frage stellen, was langfristig der richtige Standort ist“. Selbst der Standort Linz ist nicht heilig. „Wir schauen uns nach Alternativen um“, so ein Voestalpine-Sprecher. Hochöfen in Linz würden 2018/2019 neu zugestellt werden. Dann hielten sie sieben bis zehn Jahre – bis sie dann neu errichtet werden müssten, so der Sprecher.


Spatenstich. Die Linzer wollen schon kommende Woche ein neues Autokomponentenwerk im US-Bundesstaat Georgia eröffnen. Von dort aus sollen auch viele europäische Autohersteller beliefert werden. Und dass die Voestalpine in den USA noch weiter expandieren will, ist kein Geheimnis. „Im Moment sehen wir nur Nordamerika als langfristig kalkulierbaren Standort“, so Eder zur „FAZ“. Auf seiner Reise wird er diesen Worten Taten folgen lassen und im texanischen Corpus Christi den Spatenstich für eine sogenannte Direktreduktionsanlage setzen, die zur Herstellung von hochreinem Eisen als Vormaterial für die Stahlerzeugung dient.

In Corpus Christi hat die Voestalpine so viel Grund angeschafft, dass vorerst noch 75 Prozent frei bleiben. Dort liegt ein Hochseehafen, es gebe jede Menge Infrastruktur, man werde „mit offenen Armen“ empfangen. Zudem liege das günstige Schiefergas „vor der Haustüre“, so der Voestalpine-Sprecher. Neben den Energiekosten beklagt Voestalpine-Chef Wolfgang Eder im Gespräch mit der „FAZ“ zudem „die hohe Steuerbelastung in Österreich und eine mangelnde Dialogbereitschaft der Regierung“.

Und Eder ist beileibe nicht der Einzige, der mit der Industrie- und Energiepolitik der Regierung hart ins Gericht geht. „Wir Österreicher sind sehr leidensfähig, aber irgendwann sind die Grenzen erreicht. So kritisch wie jetzt war es noch nie“, sagte Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), vergangene Woche dem Magazin „Format“. Unterstützung kommt auch vom Lenzing-Chef Peter Untersperger: „Die Erhöhungen in den Kollektivverträgen spüren die Arbeitnehmer nicht. Die Leute verlieren die Motivation am Arbeitsplatz.“

Die Lohnkosten seien heute schon höher als in den meisten anderen EU-Ländern. Dazu komme eine unrealistische und kontraproduktive Klimapolitik, die auch die Energiekosten erhöhe, so die Kritik der Industrie. OMV-Chef Gerhard Roiss warf der EU in einem ORF-Radiointerview am Samstag schwere Fehler in der Energiepolitik vor und fordert Anreize für die europäische Gasförderung.

Zwar werde die OMV noch in diesem Jahr 400 Mio. Euro am Standort Österreich investieren. Es sei aber kontraproduktiv, die Kuh zu schlachten anstatt sie zu melken, in Anspielung auf die geplante Erhöhung des Förderzinses, den die OMV für ihre inländische Gas- und Ölförderung zahlt. Es gehe nicht allein um die 40 Millionen Mehrkosten für den Konzern, sondern um den möglichen Schaden für den Standort Österreich. „Das sind schon Dinge, die unverständlich sind.“ Das würden auch die Investoren aus aller Welt nicht verstehen, wo Österreich doch gerade für andere Werte gestanden sei, so der OMV-Chef.


Trendwende? Die Kritik beschränkt sich aber nicht nur auf die Wirtschaftspolitik – das Problem fange schon bei der Bildung an. „Wir brauchen mehr an Bildung, aber nicht mehr an Ausgaben. Es sind mehr Effizienz und Produktivität in der Politik notwendig.“ Es gebe keine Bereitschaft zur Veränderung, nicht einmal zu einer Diskussion darüber. Finanzminister Michael Spindelegger hat für seine Budgetrede eine „Trendwende“ versprochen.

Industrierevolte

Österreich hat zwar eine vergleichsweise geringe Arbeitslosenquote, liegt aber auch bei Steuern, Abgaben, Lohn- und Energiekosten im Spitzenfeld. Die Industrievertreter fordern jetzt konkrete Reformen.

Finanzminister Michael Spindelegger will in seiner Budgetrede am 29. April laut „Kronen Zeitung“ eine „Trendwende“ ankündigen. Details sind noch offen, es soll aber zumindest keine neuen Steuern geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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