Mitterlehner: "Würde das nicht als Theaterdonner bezeichnen"

Reinhold Mitterlehner
Reinhold MitterlehnerDie Presse (Clemens Fabry)
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Wirtschaftsminister Mitterlehner (ÖVP) ist gegen eine Doppelbelastung für Banken, für Europa als Industriestandort und ortet bei Österreichern ein Faible für Regulative.

Die Presse: Christoph Leitl hat von der vergangenen Karwoche als Trauerwoche für die Wirtschaft gesprochen, weil viele Vorstände Kritik am Standort Österreich geübt haben. Wie trösten Sie sie als Wirtschaftsminister?

Reinhold Mitterlehner: Also für Trauer sehe ich keinen Anlass, weil Trauer einen Zustand reflektiert, den man nicht verändern kann. Wir leiden unter den Folgen einer internationalen Wirtschaftskrise und unter hausgemachten Problemen. Daher müssen wir den Standort Österreich zweifellos weiterentwickeln.

Und wie?

Etwa mit einer Entbürokratisierung und einer Entlastung bei den Lohnnebenkosten. Mit verschiedenen Maßnahmen sinken sie um 0,2 Prozentpunkt. Das ist . . .

. . . also 0,2 Prozentpunkte sind aber wirklich nichts zum Angeben.

Es ist eine Trendumkehr, und das muss man anerkennen. Wir hatten Jahre und Jahrzehnte, in denen die Lohnnebenkosten nur gestiegen sind, jetzt sinken sie erstmals - nicht viel, aber sie sinken. Das ist ein erster Schritt. Der zweite ist die Entbürokratisierung, wir schränken zum Beispiel die Zahl der Beauftragten von 16 auf zwölf ein. Das ist nicht nur ein Gefühlsthema, das ist für bis zu 50.000 Betriebe eine bedeutende Erleichterung, da geht es um Millionen.

Bei den Banken geht es auch um Millionen. Die Raiffeisenbank Oberösterreich denkt laut über eine Abwanderung nach Deutschland nach, weil man sich dort 30 Millionen Euro Bankenabgabe ersparen könnte.

Das ist zugegebenermaßen ein Problem, das im Zusammenhang mit der österreichischen Bankenabgabe steht: Wir haben unsere Abgabe und dazu kommt noch die europäische. Mit dieser Problematik muss man sich beschäftigen, wir werden wohl auf Dauer nicht beides in diesem Ausmaß haben können. Diese Frage muss man aber in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium analysieren und je nach Ergebnis lösen.

Wie könnte eine Lösung aussehen? Eine völlige Abschaffung der österreichischen Bankenabgabe, eine Gegenrechnung mit der europäischen Bankenabgabe?

Das ist offen und wird auf Ebene des Finanzministeriums abzuklären sein. Beide Abgaben werden aber in dieser Form auf Dauer wahrscheinlich schwer zu halten sein, und zwar auch deswegen, weil die Kosten letztendlich auch der Kunde tragen muss.

Voest-Chef Wolfgang Eder meint, dass es derzeit keinen keinen Sinn mache, in Europa zu investieren. Beispielsweise seien die USA steuerlich und bürokratisch attraktiver. Macht es Ihnen Sorge, wenn Europa bei der Industrialisierung hinter andere Kontinente - Amerika, Asien - zurückfällt oder ist das etwa in Bezug auf die Umwelt eine positive Entwicklung?

Es macht mir natürlich Sorge, wobei man bei der Voest den Anlass kennen muss. Der liegt zum Teil beim unterschiedlichen Zugang zur Gasförderung. In den USA verfolgt man eine Schiefergaspolitik, die dazu geführt hat, dass die Gaspreise bei der Hälfte von denen in Europa liegen. Daher ist es eine ganz logische Konsequenz, dass ein Unternehmen, das international aufgestellt ist - die Voest in Österreich oder in Deutschland Siemens - dort investiert, wo das Gas günstiger ist. Die Frage ist nur, ob ein Unternehmen mit Investitionen dort allein seine Zukunft absichern kann. Das glaube ich nicht. Gerade im Umweltbereich werden andere Länder nämlich nachziehen. China beispielsweise, wo die Smog-Problematik enorm ist und für große Diskussionen sorgt. Das Land wird sich europäischen Standards annähern. Europa hat auch viele Vorteile, etwa beim Marketing, der Logistik, bei Forschung und Entwicklung . . .

. . . aber nicht bei der Produktion?

Auch das wird sich möglicherweise wieder ändern. Für den Nachholprozess bedarf es aber unter anderem einer koordinierten, europäischen Energiepolitik. Die Energiepreise werden ein immer größerer Faktor bei der Produktion, daher sind sie eine immer wichtigere Standortfrage. Es wird bei der Energiepolitik und der CO2-Politik maßvolle Zielsetzungen geben müssen.

Man muss schnell agieren. Laut Eder steht bei der Voest eine Entscheidung über den Standort Linz in fünf Jahren an - oder ist das nur Theaterdonner?

Ich würde das nicht als Theaterdonner bezeichnen, dafür ist die Problematik schon zu oft diskutiert worden. Mittlerweile steuert die EU ja auch gegen und hat sich zu einem Industrieanteil von 20 Prozent (vom BIP, Anm.) bekannt. Diesbezüglich hat auch Wolfgang Eder für ein Umdenken gesorgt. Das ist auch wichtig, weil sonst haben wir in Europa zwar nur noch neun Prozent CO2-Ausstoß, aber keine Betriebe mehr.

Eine andere Kritik kam von OMV-Chef Gerhard Roiss, der in Österreich stabile Rahmenbedingungen vermisst.

Das muss man ernst nehmen, aber wir können auch nicht von der globalen Wirtschaftsentwicklung fordern, dass sie uns Stabilität garantiert.

Aber ich kann mir als Unternehmen bei Investitionen doch Berechenbarkeit von einer Regierung erwarten.

Das ist auch unser Ziel, aber Österreich ist überraschend mit der Wirtschaftskrise konfrontiert worden. Wir haben mit Konjunkturprogrammen reagiert, und jetzt muss man das Budget wieder in den Griff bekommen. Dass das alle anspannt und von allen Anstrengungen fordert, ist klar. Dass das unerfreulich ist, ist ebenfalls klar. Die OMV wird sich, was den von ihr kritisierten Förderzins betrifft, an die neue Lage anpassen müssen. Das ist so, wie die OMV eben auch auf eine Krise wie in Libyen oder der Ukraine reagieren muss. Kein Unternehmen der Welt hat über viele Jahre garantierte stabile Rahmenbedingungen.

Weitere Hilfe für die Wirtschaft soll eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bringen. Es hieß, bis Ostern wird es eine Einigung geben . . .

Wir waren schon relativ weit und dann ist die Diskussion halt mit Wahlkampfargumenten aufmunitioniert worden. Es wurde mit der Urlaubsfrage gekoppelt und wieder so undifferenziert pauschaliert: Das wird teils so dargestellt, als ob der 12-Stundentag zur Verpflichtung für alle würde, aber das stimmt nicht. Wir reden von Gleitzeit und Arbeitstagen mit aktiver Reisezeit, die Wochenarbeitszeit bleibt gleich, den Arbeitnehmern wird nichts weggenommen. Ich hoffe, dass wir bald mit Unterstützung der Sozialpartner eine Lösung zustande bringen.

Wird es eine sechste Urlaubswoche geben?

Das ist Angelegenheit der Sozialpartner, ich will dem nicht vorgreifen.

Noch einmal zurück zu den von Ihnen erwähnten Bürokratieerleichterungen: Der große allgemeine Jubel darüber ist ausgeblieben.

Bei den Betrieben kommt es sehr gut an, aber der Österreicher hat ja prinzipiell eine gespaltene Einstellung in diesen Dingen. Einerseits sagt jeder, mehr Entbürokratisierung, mehr Liberalität. Kaum denkt man aber eine Maßnahme an oder stellt eine vor, sind sofort Vereine oder Bürgerinitiativen da und protestieren: Das darf doch nicht wahr sein, da gibt es eine Veränderung! Die Österreicher haben aus Zeiten der Monarchie offenbar ein gewisses Faible für Regulative.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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