„Big Brother“ am Arbeitsplatz

Überwachung. Endet der Persönlichkeits-Schutz vor der Haustür des Dienstgebers?

Videokameras, Magnetkarten, Biometrie, Überwachungssoftware: Technisch sind der Überwachung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz kaum mehr Grenzen gesetzt. Rechtlich schon.

Erst vor kurzem erteilte der OGH dem Einsatz von Biometrie zur Arbeitszeiterfassung – noch dazu ohne Betriebsvereinbarung – eine Absage. Differenziert sieht das Höchstgericht das Thema Videoüberwachung: Einen Arbeitsplatz permanent im Blickfeld von vier Kameras zu halten, stufte es als ungerechtfertigt ein, machte aber in einem anderen Fall keinen Unterschied zwischen dem scharfen Auge einer dauernd anwesenden Aufsichtsperson und der Überwachung durch eine schwenkbare Kamera.

Wo die Grenze zwischen legitimer Überwachung und unerlaubter Bespitzelung zu ziehen ist, hängt auch von der Tätigkeit ab. Im Kassenraum einer Bank muss man Kameras wohl oder übel akzeptieren, und wer in einem hochsensiblen Sicherheitsbereich werkt, muss sich ebenfalls mehr Kontrolle gefallen lassen als andere Arbeitnehmer. „Es muss aber immer das schonendste Mittel gewählt werden“, so Gerald Ganzger, Partner bei LGP Rechtsanwälte. „Für die dauernde Einrichtung einer Videoüberwachung ist außerdem eine Betriebsvereinbarung erforderlich.“ Und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter nicht permanent davon betroffen sind, sondern nur fallweise ins Blickfeld der Kamera kommen.

Darüber hinaus besteht für solche Anlagen Meldepflicht nach dem Datenschutzgesetz. Und, so Ganzger: „Willkürliches Ausspionieren ist nie gerechtfertigt.“ Nicht einmal eine Vereinbarung mit jedem einzelnen Mitarbeiter könnte so etwas legitimieren. Der Betroffene könnte auf Unterlassung klagen und hätte auch einen Grund für einen berechtigten Austritt.

Hang zur Übertreibung

In der Praxis wird in etlichen Betrieben zu viel überwacht. „Vor allem Zutrittskontrollsysteme sind oft überschießend und damit rechtswidrig“, berichtet Rechtsanwalt Julian Feichtinger, Arbeitsrechtsexperte bei CHSH. Auch hier muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden: Ist die Maßnahme in dieser Intensität tatsächlich nötig, um den legitimen Zweck zu erreichen? Systeme, die faktisch ein Bewegungsprofil von Mitarbeitern erstellen, gehen im Normalfall zu weit.

Geht es „nur“ um die Einhaltung der Dienstpflichten und nicht um spezielle Sicherheitserwägungen, gibt es einen Grundsatz: „Stichprobenweise Kontrollen sind erlaubt, lückenlose nicht“, so Feichtinger.

Generell muss zwischen Dingen unterschieden werden, die ein Chef von seinen Mitarbeitern gar nicht verlangen darf (zum Beispiel dass sie während der unbezahlten Mittagspause im Haus bleiben) und anderen, die zwar legitim vereinbart werden können, aber nur eingeschränkt überprüft werden dürfen. So können etwa Rauchpausen in der Dienstzeit durchaus verboten werden, trotzdem darf man Mitarbeitern nicht jedes Mal, wenn sie ihren Schreibtisch verlassen, einen Aufpasser hinterherschicken.

Noch ein heikles Kapitel: der Umgang mit dem Internet. Der Dienstgeber darf zwar privates Surfen verbieten, braucht aber für eine permanente Kontrolle der vom Arbeitnehmer aufgerufenen Seiten eine Betriebsvereinbarung. „Ein völliges Privatnutzungsverbot wäre zudem höchstwahrscheinlich sittenwidrig“, so die Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin Alexandra Knell. „Ähnlich wie beim privaten Telefonieren, das laut Judikatur nicht gänzlich unterbunden werden kann.“ Das gilt zum Beispiel für notwendige Telefonate mit Behörden. Analog dazu wird man einem Mitarbeiter nicht verbieten können, sich im Internet etwa die Kontaktdaten eines Arztes herauszusuchen.

Das Lesen privater E-Mails ist dem Chef nie gestattet – egal, wie die Privatnutzung des Web im jeweiligen Unternehmen geregelt ist. Und gleichgültig, ob die Arbeitnehmer einer Überwachung zugestimmt haben oder nicht.

Privat-Mails als Beweismitttel?

Trotzdem wäre es mehr als blauäugig, verfänglichen E-Mail-Verkehr – etwa mit einem potenziellen neuen Arbeitgeber – über den Firmen-Server laufen zu lassen. Denn erstens müssen E-Mails eindeutig als privat erkennbar sein, damit sie vor dem Zugriff des Chefs geschützt sind. Und zweitens hält sich nicht jeder Arbeitgeber an das Verbot, Privates zu lesen. Zwar dürfte er Informationen, die er dabei aufschnappt, nicht nützen, auch nicht, wenn sich daraus Hinweise auf Verfehlungen seines Mitarbeiters ergeben. „Tut er es aber doch, können solche Inhalte durchaus vor Gericht verwendet werden“, so Knell. Denn hierzulande ist – wie der OGH 1996 klargestellt hat – die Verwertung von illegal beschafften Beweismitteln nicht verboten.

Auf einem anderen Blatt steht, dass auch der Arbeitgeber damit eine Klage riskiert. Feichtinger: „Oft ergeben sich daraus Vergleichssituationen.“

Zu wenig Internet-Überwachung kann man Vorgesetzten übrigens nicht zum Vorwurf machen. Speichert ein Arbeitnehmer Illegales, etwa Kinderpornografie, aus dem Web auf dem Firmen-PC, kann sein Chef dafür nicht verantwortlich gemacht werden. Sobald er es aber erfährt, muss er es schleunigst abstellen.

Inline Flex[Faktbox] ERLAUBT & VERBOTEN("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2007)

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