Bioenergie: Österreich ist zu klein

Auf eigener Fläche kann Österreich höchstens die Hälfte der erforderlichen Energiemengen produzieren.

WIEN. Österreich hat sich für die Forcierung von Bioenergie hohe Ziele gesetzt: Laut Regierungsprogramm soll der Anteil erneuerbarer Energie am Gesamtenergieverbrauch bis 2010 von derzeit 22 Prozent auf 25 Prozent steigen und sich bis 2020 auf 45 Prozent verdoppeln. Ob Österreich diese Ziele von sich aus erreichen kann, wurde bisher kaum thematisiert.

Mehr Bio, weniger Energie

Eine am Dienstag vorgestellte Studie im Auftrag von Raiffeisen gibt eine klare Antwort: Österreich ist zu klein, um 100 Prozent der angestrebten Bioenergie selbst produzieren zu können. Laut einer Vorstudie zum Österreichischen Biomasse-Aktionsplan wäre dafür im Jahr 2020 eine landwirtschaftliche Fläche von rund einer Mio. Hektar notwendig – das ist knapp ein Drittel der österreichischen Agrarfläche. Laut der Studienautorin und früheren Grün-Politikerin Monika Langthaler (Brainbows) stehen aber maximal 456.000 Hektar zur Verfügung – also nicht einmal die Hälfte der nötigen Fläche.

Dieser Wert gilt allerdings nur dann, wenn alle denkbaren Potenziale genutzt werden. Also etwa die Nutzung von Stilllegungsflächen, Mehrertrag durch züchterische Fortschritte, Umlenkung von derzeit exportierten Agrar-Überschüssen oder die energetische Verwendung von Stroh. Wichtigste Prämisse dabei ist, dass andere Nutzungen von Biomasse – für Lebensmittel, Futter oder als Rohstoff für die Industrie – nicht beeinträchtigt werden.

In anderen berechneten Szenarien ist das in Österreich vorhandene Bioenergie-Potenzial noch geringer: Ohne zusätzliche politische Maßnahmen zur Ausweitung stehen bis zum Jahr 2020 nur 323.000 Hektar für die Energiegewinnung zur Verfügung.

Zugang zu Ostmärkten

Falls Österreich den Anteil der Bio-Landwirtschaft ausweitet (was mehr Bracheflächen bedeutet) dann sind gar nur 201.000 Hektar für Energie verfügbar. Zum Vergleich: Derzeit werden knapp 60.000 Hektar Agrarfläche für die Energiegewinnung genutzt.

Bei Holz sieht die Lage nicht viel rosiger aus. Um die Ziele für das Jahr 2010 zu erreichen, wären laut Biomasse-Strategie 6,7 Mio. Festmeter mehr Holz notwendig, verfügbar sind laut der Studie im besten Fall 1,7 Mio. Festmeter.

Wichtigster Schluss aus der Studie: Um die gesteckten Ziele erreichen zu können, muss Österreich zumindest die Hälfte der Biomasse importieren. Das wird vom Auftraggeber der Studie, Raiffeisen-Holding-Chef Erwin Hameseder, nicht als großes Problem erachtet. „Umweltschutz und Nachhaltigkeit enden nicht an der Staatsgrenze“, sagte er am Dienstag. Es seien internationale Kooperationen nötig, vor allem in Osteuropa. In Ländern wie Ungarn oder Rumänien gebe es riesige Potenziale für Bioenergie. Dort liege die Hälfte der Agrarfläche brach. Priorität habe freilich das Heben aller Möglichkeiten in Österreich, betonte Hameseder.

Raiffeisen hat sich bereits Zugang zu den Agrarmärkten in Osteuropa verschafft. Der Mühlenkonzern LLI ist kürzlich auch in Rumänien und Bulgarien tätig geworden, in der Kornkammer Ungarn ist er längst engagiert. Der Zucker-, Stärke- und Fruchtkonzern Agrana hat ebenfalls Niederlassungen in der Region.

Durch die Donau als Transportweg gebe es zudem einen optimalen und umweltschonenden Transportweg, so Hameseder.

„Sind mitten in Potenzialraum“

Auch die Politik sieht kein gravierendes Problem darin, dass ein großer Teil der Bioenergie importiert werden muss. Niederösterreichs Agrarlandesrat Josef Plank sagte bei der Präsentation der Studie, dass Österreich „mitten in einem Potenzialraum“ sitze. Er machte zudem auf eine schiefe Wahrnehmung der europäischen Geografie aufmerksam: „Vorarlberg kommt uns näher vor als die Grenze zur Ukraine“, so Plank. Was nicht der Realität entspricht.

Ähnlich argumentiert man im Landwirtschaftsministerium: Man müsse den europäischen Markt im Auge haben. Es sei niemals das Ziel gewesen, dass 100 Prozent der Bioenergie aus heimischer Produktion stammen, sagte ein Sprecher zur „Presse“.

ENERGIE-IMPORTE

Österreich hat sich beim Ausbau von Bioenergie hohe Ziele gesetzt: Bis 2020 soll der Anteil Erneuerbarer Energie am Energieverbrauch verdoppelt werden.

Allerdings ist Österreich zu klein, um dieses Ziel von sich aus zu schaffen: Weniger als die Hälfte der erforderlichen Agrarflächen sind vorhanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2007)

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