Agrarpreise: Dürre, Biosprit und Fleischhunger

Der Höhenflug an den Weltbörsen hat viele Ursachen – die meisten davon wirken langfristig.

WIEN. Der Höhenflug der Agrarpreise hat schon im Herbst des Vorjahres begonnen. Damals zeichnete sich ab, dass die globalen Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen werden. Und diese Voraussagen, die anfangs belächelt wurden, sind eingetreten. Getreide ist um die Hälfte teurer geworden, Milchpulver sogar um zwei Drittel. Die Lagerbestände für Getreide sind auf einem historischen Tiefstand – sie reichen gerade einmal für 57 Tage.

Seither ging es Schlag auf Schlag: Es folgte eine Preissteigerung von Ölsaaten, im Frühjahr verteuerte sich am Weltmarkt Milch, teilweise auch Fleisch. Höhere Preise gibt es auch für Obst und Gemüse – sowie für „Kolonialwaren“ wie Kaffee oder Kakao.

Die Gründe für die Agrar- Hausse sind vielfältig:
•Unmittelbarer Auslöser sind Wetterkapriolen. In Osteuropa oder Amerika herrscht Dürre, die Ernteeinbußen gehen bis zu 50 Prozent. Trockenheit ist auch Ursache für den Einbruch der Milchproduktion bei den Hauptexportländern Australien und Neuseeland. In Westeuropa hingegen wurden Feldfrüchte im wahrsten Sinn des Wortes weggespült. Die Ernteprognosen werden seit Monaten ständig nach unten revidiert.

Menschheit isst mehr Fleisch

•Die Missernten treffen auf langfristige Trends: Mit steigendem Wohlstand verändern die Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern die Ernährungsgewohnheiten. Konkret: Die bisher vorwiegend pflanzliche Kost wird mehr und mehr mit Fleisch angereichert – die Produktion von ein Kilo Fleisch verschlingt zumindest sieben Kilo Getreide. Besonders krass ist die Entwicklung in China, wo es zudem staatliche Programme zur Hebung des Milch-Konsums gibt (siehe unten stehender Artikel).
•Die zweite strukturelle Ursache ist der Bioenergie-Boom. Vor allem in den USA werden immer mehr agrarische Rohstoffe zu Biosprit verarbeitet – Washington will vom Ölimport unabhängiger werden. In Bälde wird in den USA, dem bislang größten Exporteur, mehr Mais zu Bio-Ethanol verarbeitet als ausgeführt. In Europa ist man noch nicht so weit: Von der heurigen Getreideernte werden nur 1,3 Prozent zu Biosprit. Das hat noch keinen Einfluss auf den Preis. Das wird sich wegen der hehren EU-Ziele – bis 2020 sollen zehn Prozent des fossilen Treibstoffs durch Biosprit ersetzt werden – aber ändern: Laut EU-Kommission werden dafür 18 Prozent des Getreides benötigt werden.
•Dass die Produktion mit dem Angebot nicht nachkommt, liegt auch an der Biologie – derer sich die Landwirtschaft ja bedient. Steigende Preise machen es für die Bauern zwar lukrativ, in die Ausweitung der Produktion zu investieren. Allerdings braucht etwa der Aufbau eines neuen Milchbetriebes zumindest ein Jahr. Und Anbauentscheidungen werden nur einmal im Jahr getroffen. Deshalb steigern die die positiven Preissignale erst mit langer Zeitverzögerungzu Produktionssteigerungen.

Spekulanten wittern Geschäft

•Der Höhenflug auf den Agrarmärkten hat auch Finanz-Spekulanten auf diese Märkte aufmerksam gemacht: Seit dem Frühjahr investieren Hedge Fonds viele Milliarden Dollar in Agrargüter. Die Manager unternehmen alles, damit die Preise weiter steigen, um ihre Lieferkontrakte dann zu Höchstpreisen verkaufen zu können – und dabei hohe Gewinne zu erwirtschaften. Üblich sind dabei Renditen von 20 bis 25 Prozent. Welchen Anteil Spekulanten an den Höchstpreisen haben, traut sich derzeit niemand zu beziffern.

Experten weisen indes darauf hin, dass die Agrarpreise im langfristigen Vergleich noch immer niedrig sind: Mais etwa kostet nur halb so viel wie vor zehn Jahren. Der Vergleich mit dem Ölpreis ist noch krasser: Mit einem Fass Rohöl kann man heute sechsmal so viel Mais kaufen wie im Jahr 1998.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2007)

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