Stählerne Hai-Flosse in der Donau

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Energie. Ein innovatives Wasserkraftwerk „Made in Austria“ wird in der Wachau getestet.

WIEN. Dass in der Wachau – einer der wenigen Abschnitte, wo die Donau noch frei fließt – seit mehr als einem halben Jahr ein Wasserkraftwerk installiert ist, ist wohl niemandem aufgefallen. Was auch kein Wunder ist: Aus dem Donau-Wasser schaut nur eine Art stählerne Hai-Flosse heraus. Das eigentliche Kraftwerk befindet sich unter der Wasserlinie: eine elf Meter lange, drei Meter breite und zwei Meter hohe „Stromboje“. Diese ist am Boden verankert, das fließende Wasser treibt einen Rotor an, ein Generator setzt die Drehbewegung in Elektrizität um, die per Unterwasserkabel ans Ufer geliefert wird.

Der größte Vorteil: Im Unterschied zu herkömmlichen Wasserkraftwerken muss keine Staumauer gebaut werden – diese stellt den größten Kostenfaktor und den gravierendsten ökologischen Eingriff dar. Der größte Nachteil: Die Stromboje ist noch ein Prototyp in einem frühen Teststadium, sie ist bei weitem noch nicht ausgereift.

Die Idee dazu hatte Fritz Mondl vor fünf Jahren, als er die Strömung der Donau beobachtet hat. Nach Jahren des Überlegens und Tüftelns hat er den Windkraft-Spezialisten Gerhard Steindl kennen gelernt – und gemeinsam wurde die Idee Realität. „Ich dachte mir: Wenn es eine gute Idee ist, dann hätte doch schon vorher jemand draufkommen müssen“, erinnert sich Steindl, Geschäftsführer der Firma Aqua Libre. Intensive Recherche habe aber ergeben, dass dem nicht so ist. Es gab zwar Versuche, etwa in Kanada oder in Deutschland, doch niemand hat das neuartige Wasserkraftwerk zur Serienreife weiter entwickelt.

Problem: Hochwasser

Genau das soll nun in Österreich geschehen. Nach Anmeldung der Stromboje zum Patent wurde ein Prototyp gebaut, der im Dezember 2006 zu Wasser gelassen wurde. Denn: „Wissen, ob es funktioniert, tut man es erst, wenn man es ausprobiert hat“, sagt Steindl. Investiert wurden bisher rund 400.000 Euro, die Hälfte davon sind Förderungen von den Bundesländern Nieder- und Oberösterreich sowie von der EU.

Die bisherigen Tests haben vor allem zwei Dinge gezeigt. Der Prototyp funktioniert, zum Teil sogar besser als erwartet. Es wurde aber auch das größte Problem deutlich: Hochwasser und Treibgut. Schon ein paar Wochen nach Inbetriebnahme riss ein Hochwasser die Stromboje 250 Meter mit sich, die Turbine war mit Treibgut verlegt.

Globale Vermarktung

Das war aber kein Grund zur Entmutigung: Die Boje wurde geborgen, die Verankerung verstärkt, der Rechen (zur Abweisung von Treibgut) verändert. Größtes Augenmerk wird nun auf die Positionierung der Boje gelegt: Sie soll möglichst weit oben schwimmen – weil dort die Fließgeschwindigkeit höher ist als am Boden. Bei Hochwasser soll sie aber abtauchen – damit das Treibgut oben drüber schwimmt. Das Ziel ist alles andere als unbescheiden. Binnen drei bis vier Jahren soll die Boje serienreif sein und global vermarktet werden. Nun werden in Kooperation mit dem deutschen Pumpenhersteller KSB Modelle gebaut und im Strömungskanal getestet. Optimiert werden weiters der Rotor und die Elektrik. Die Kosten: zwei Mio. Euro.

Und wie teuer ist der Strom aus der Boje? „Das können wir derzeit nicht berechnen, weil es laufend Änderungen gegeben hat.“ Wo man hinkommen will, ist aber klar definiert: Die Stromgestehungskosten sollen auf fünf bis acht Cent je Kilowattstunde gedrückt werden. Also auf das Niveau, auf dem herkömmliche Kleinwasserkraftwerke Strom produzieren. Wenn das gelingt, sind die Einsatzmöglichkeiten gewaltig: Allein in Österreich gibt es ersten Abschätzungen zufolge geeignete Standorte an der Donau, Inn und Salzach, an denen jährlich 1000 Gigawattstunden Strom erzeugt werden könnten. In etwas so viel wie im Donaukraftwerk Freudenau.

Strom-Farmen auf den Flüssen

Die Bojen können zu regelrechten Strom-Farmen hinter- und nebeneinander gehängt werden. „An einem Standort kann eine Leistung von ein bis zwei Megawatt installiert werden“, sagt Steindl. Der jetzige Prototyp leistet 20 Kilowatt. Strom-Farmen kämen billiger: Die elektrische Einrichtung braucht nur einmal für das ganze Kraftwerk installiert werden.

In jedem Fall ist eine Schifffahrts-rechtliche Bewilligung nötig, denn die Fahrrinne des Flusses muss frei bleiben. Bedenken, dass die Stromboje ein ökologisches Problem sein könnte – eine Art „Fisch-Schnetzler“, wie manche Laufkraftwerke –, haben die Erfinder nicht. Die Drehzahl des Rotors sei recht niedrig. „Fische können problemlos durch schwimmen“, ist Steindl überzeugt.

AUF EINEN BLICK

Wasserkraft ohne neue Dämme: Das ist die Richtung, in die weltweit die Forschung geht.

Auch Österreich redet dabei ein kräftiges Wort mit: Andritz VA Tech Hydro hat etwa neuartige „Matrix-Turbinen“ entwickelt. Das kleine Unternehmen Aqua Libre testet in der Wachau eine „Stromboje“ – ein in der Donau schwimmendes Kleinkraftwerk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2007)

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