Verfassung: Kammern kamen durch die Hintertür

Die Presse (Bruckberger)
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Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschafts-Kammer werden es doch in die Verfassung schaffen – Pflichtmitgliedschaft in verbrämter Form inklusive.

WIEN. Josef Cap, Klubchef der SPÖ, meint lakonisch: „Die Realverfassung wird zur Formalverfassung.“ Die Kammern kommen nun doch in die Verfassung. Durch die Hintertüre. Und in abgespeckter Form. Gestern wurde dem Verfassungsausschuss im Parlament ein neu konzipierter Vorschlag der Sozialpartner vorgelegt.

Im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf werden die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer darin nicht mehr explizit erwähnt. Es ist nun von „Selbstverwaltungskörpern“ die Rede, die in den Verfassungsrang erhoben werden sollen. Ein Zugeständnis an die übrigen, elf kleineren Kammern.

Das Wesentliche steht im Kleingedruckten: In den Erläuterungen zum Gesetz findet sich die Passage, dass in der Verfassung künftig „die obligatorische Mitgliedschaft als Strukturelement“ der Kammern vorgesehen sei. Was einer vorsichtigen Umschreibung der Pflichtmitgliedschaft gleichkommt. Wie der nun vorgelegte Kompromiss überhaupt viel Spielraum für den Gesetzgeber lässt. „Die Pflichtmitgliedschaft wird von der Verfassung gedeckt, aber nicht verpflichtend vorgeschrieben“, interpretiert ein Experte den Text. Juristen werden mit der Interpretation noch viel Freude haben, so diffus ist dieser gehalten. Ein Kritiker spricht von einer „sehr verwaschenen“ Endfassung.

Kritiker mäßig zufrieden

Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), die den alten Entwurf mit Verve bekämpft hat, meint zur „Presse“: Wenigstens sei es gelungen, eine völlige verfassungsrechtliche Versteinerung des Status Quo zu verhindern. „De facto wurden mit dem neuen Vorschlag die ärgsten Giftzähne gezogen.“ Die nähere Ausgestaltung der Selbstverwaltung, vor allem die Frage der Finanzierung, unterliege nunmehr eindeutig dem einfachen Gesetzgeber. Klar sei auch, dass das endgültige Wording keine Bestandsgarantie für einzelne bestehende Kammerorganisationen bedeute. Dennoch stoße die jetzt vorgesehene Rest-Verankerung bei vielen in der IV nach wie vor auf Unverständnis.

Die rot-schwarze Regierung wollte eigentlich nur die Arbeiter-, die Wirtschafts- und die Landwirtschaftskammer in die Verfassung hieven. Dies hätte am 7. November im Ministerrat beschlossen werden sollen. Nach massiven Protesten wurde der Plan vorerst fallen gelassen. In der Folge ließ aber vor allem die Arbeiterkammer nicht locker, betrieb Lobbying in der SPÖ bis hinauf ins Kanzleramt und überzeugte auch die Wirtschaftskammer davon, noch einen Anlauf zu wagen.

Die Abstimmung im Verfassungsausschuss über den neuen Entwurf wurde am Dienstag auf heute, Mittwoch, verschoben. Bei mehrheitlicher Zustimmung steht nur noch die Abstimmung im Plenum an. Meinung Seite 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2007)

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